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Politik

Zum Jagen getragen

12. Januar 2018

Natürlich können Union und SPD miteinander. Aber eigentlich wollen sie nicht. Das macht es so schwierig. Eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur neuen Koalition spielt der Bundespräsident, meint Christoph Strack.

Bild: imago

Sie mussten sich nur einigen. Und sie haben sich geeinigt. CDU, SPD und CSU wollen nun in Koalitionsverhandlungen eintreten - wenn denn in neun Tagen der SPD-Bundesparteitag dem zustimmt. Nach vier Tagen mit "gute Stimmung"-Signalen der Verhandler brauchte es dazu dann doch noch einen 23-stündigen Verhandlungsmarathon, der bei Regierungsbildungen in Deutschland bisher beispiellos ist. Na ja.

Nun gibt es ein Paket. Es wirkt eher wie der Entwurf eines Koalitionsvertrages als wie die Verständigung auf die möglichen Grundsätze eines gemeinsamen Regierungsprogramms, die es zu sondieren galt. "Wir wollen den Zusammenhalt erneuern", sagt SPD-Chef Schulz. Und Kanzlerin Merkel bezeichnet die Verständigung als Voraussetzung dafür, "dass wir auch in zehn und fünfzehn Jahren gut in Deutschland leben können".

Alle Parteien mussten zurückstecken

Das Dokument ist deutlich umfangreicher, als bis zuletzt erwartet wurde. Man sieht deutlich, wo welche Partei zurückgesteckt hat. Und es überrascht in Teilen: "Europa" ist - ein ganz wichtiges Signal - kein Thema mehr im hinteren Teil des Dokuments, sondern bildet den Auftakt auf drei grundlegenden Seiten für einen "europapolitischen Aufbruch". Außenpolitik steht im Vergleich dazu hintan; aber immerhin werden in diesem Bereich endlich Rüstungsexporte an Länder ausgeschlossen, die am Jemen-Krieg beteiligt sind.

Christoph Strack ist Korrespondent im HauptstadtstudioBild: DW

Zum innenpolitischen Aufbruch gehören ein "Pakt für den Rechtsstaat", "für Justiz". Es soll nun doch keine Steuererhöhungen (was die SPD wollte) geben. Dafür würde die gesetzliche Krankenversicherung (eine seit vielen Jahren offener Streit) wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. Und es soll eine Solidarrente geben. Der Solidaritätszuschlag soll schrittweise fallen. Und einen auffallend engen Rahmen gibt es bei Flüchtlingsthemen. Das fängt schon damit an, dass "Asyl" unter "Zuwanderung" abgehandelt wird. Und Familiennachzug bei Flüchtlingen ist zwar prinzipiell vorgesehen: irgendwann ja, aber in engen Grenzen.

Mehr Bedeutung hatte der Bundespräsident nie

Bemerkenswert bis in die Beratungen des Schlusstages bleibt die Rolle des Bundespräsidenten. Die Einigung dieses Freitags ist ein Ergebnis des Druckes, den das Staatsoberhaupt in ernsten politischen Zeiten aufgebaut hatte. Das stärkt die Bedeutung seines Amtes, das gerne als machtlos belächelt wird. Aber Frank-Walter Steinmeier nutzte in dieser Woche die Gelegenheit zweier Neujahrs-Empfänge zu mahnenden Worten an die Sondierer. "Alle Blicke richten sich auf die Parteien und ihre Spitzenvertreter", sagte er am Dienstag. "Alle fragen sich, wie es nun weitergehen kann und soll - und das völlig zu Recht." Da lauschten ihm auch CDU-Chefin Angela Merkel und viele Kabinettsmitglieder, auch SPD-Chef Martin Schulz hörte zu.

Am Donnerstag legte er vor dem Dipolmatischen Korps nach: CDU, CSU und SPD seien nicht nur ihren Parteien und der eigenen politischen Zukunft verpflichtet, sondern hätten auch große Verantwortung für Europa und die internationale Politik. Daraus klang die deutliche Mahnung, dass Steinmeier - komme, was wolle -  auf den Bundestag setzen werde. "Wer sich um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken", hatte der Bundespräsident bereits vor knapp zwei Monaten gesagt, als die Sondierungen für eine Jamaika-Koalition gescheitert waren. Das galt auch für diese Woche. Und zugleich hieß das für Merkel, Schulz und Seehofer: Sie mussten sich einigen.

Noch weitere Hürden sind zu nehmen

Diese Nacht von Berlin bringt nicht mehr als einen neuen Zwischenstand. Wenn man die Regierungsbildung seit Ende September als Hürdenlauf betrachtet, so war diese Einigung der Sondierer nur ein kleines Hindernis angesichts der Hürde, die beim SPD-Bundesparteitag am 21. Januar in Bonn zu erwarten ist. Und wenn die genommen ist, kommen die formalen Verhandlungen ja erst noch.

Es bleibt dabei: Die Verfassung kennt offiziell weder Koalitionsverhandlungen noch Sondierungen. Das jetzige Drama darf nach dem SPD-Parteitag nicht seine Fortsetzung bei den dann offiziellen Gesprächen über die Regierungsbildung finden. Denn Deutschland braucht fast vier Monate nach der Bundestagswahl einen Aufbruch, ein Signal. Seit über 100 Tagen warten viele Menschen darauf. Dieser Freitag gibt, in manchem Detail überraschend, ein Signal. Sie mussten sich eben nur einigen.

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