Der Teufel steckt im Detail
Um es gleich vorwegzunehmen: Es war überfällig, eine Kompromisslösung im scheinbar ewigen Streit um den Begriff "Mazedonien" zu finden. Seit über 25 Jahren versichern alle Beteiligten, sie seien dazu willens und in der Lage. Und ruderten dann doch zurück wenn es so weit war. Stets mit dem Argument, sie wollten natürlich einen Kompromiss - bloß nicht ausgerechnet jenen, der jetzt in diesem Moment, in dieser Verhandlungsrunde auf dem Tisch liege.
Mit enormer Geduld versuchte der US-Diplomat Matthew Nimitz seit den frühen 1990er-Jahren in diesem Streit zu vermitteln. Heute stehen naturgemäß die Hauptdarsteller, nämlich Griechenlands Linkspremier Alexis Tsipras und sein mazedonischer Amtskollege Zoran Zaev, im Rampenlicht. Doch in Athen hört man hinter vorgehaltener Hand, dass der historische Kompromiss um Mazedonien, eben auch die Handschrift von Nimitz trägt.
Viele Hürden sind noch zu nehmen
Nach den Verhandlung ist vor den Verhandlungen. Zwar haben Zaev und Tsipras einen Großteil der notwendigen Arbeit geleistet und das umstrittene Abkommen, entgegen aller Widerstände aus den eigenen Reihen, in Skopje und Athen durchgesetzt. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Viele Nebenschauplätze blieben bisher außen vor, viele Fragen sind noch ungeklärt: Wird der neue Name "Nord-Mazedonien" im Alltag wirklich gebräuchlich werden? Hat Ministerpräsident Zaev eine Antwort auf die Blockadepolitik seines Staatspräsidenten Gjorge Ivanov in Skopje? Kann Linkspremier Tsipras ohne Parlamentsmehrheit in Athen noch lange im Amt bleiben? Wer darf künftig mazedonischen Wein verkaufen und wie werden die jeweiligen Markenrechte geschützt? Auf alle diese Fragen müssen überzeugende Antworten gefunden werden - je schneller, desto besser.
In Hellas formiert sich unterdessen Widerstand gegen den angeblichen "Ausverkauf" des griechischen Mazedonien. Zehntausende gehen auf die Straße - allerdings waren es Hunderttausende in den frühen 1990erJahren. Sympathisanten der rechtsextremen "Goldenen Morgenröte" erklären über die sozialen Medien, ihre Partei sei zweitstärkste Kraft im Land. Doch diese Behauptung wird durch aktuelle Umfragen nicht belegt.
Die wohl entscheidende Frage lautet, ob nach einem möglichen Regierungswechsel in Athen das Mazedonien-Abkommen wieder in Frage gestellt wird. Im Moment spricht wenig dafür. Zwar versichert der in allen Umfragen führende konservative Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis seinen Anhängern, er werde "alles tun, um die Verabschiedung des Abkommens im Parlament zu verhindern". Dass er als Ministerpräsident den Kompromiss wieder kippen wird, hat er allerdings nie gesagt.
Neuordnung des politischen Systems in Griechenland
Möglicherweise erlebt Hellas eine Neuauflage des bekannten Polit-Thrillers, bei dem ein Regierungschef internationale Abkommen respektiert, die er zu Oppositionszeiten noch verteufelt hat. Das gab es bereits vor genau vier Jahren: Im Januar 2015 gewann Alexis Tsipras die Parlamentswahl in Athen mit dem Versprechen, er wolle die Spardiktate der internationalen Gläubiger beenden. Und passiert ist das Gegenteil.
Immerhin kann Tsipras sich darauf berufen, dass er die Wähler um einen neuen Auftrag für seine Wende zum Realismus gebeten und diesen auch bekommen hat - durch seine Wiederwahl im September 2015. Nun will der große Taktiker das Abkommen um Mazedonien nicht zuletzt für innenpolitische Zwecke nutzen: Sogenannte progressive Parlamentarier aller Parteien, ob gemäßigte Linke, Sozialdemokraten oder Sozial-Liberale, sollen die SYRIZA-Reihen verstärken, um den Nationalisten und Ewiggestrigen Paroli zu bieten. Zunächst bei der Umsetzung des Mazedonien-Abkommens in Griechenland. Und dann auch noch bei der Europa-Wahl im Mai.