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Zum Weltfrauentag ein Chauvi-Schwein

Sarah Judith Hofmann8. März 2015

Der Weltfrauentag: ein Relikt aus alten Zeiten? Von wegen, findet Sarah Hofmann. Wir brauchen den Tag - nicht allein, um für die Quote und gleiche Bezahlung einzutreten, sondern als Zeichen der Solidarität unter Frauen.

Junge Frau wirft Euromünze in Sparschwein
Bild: Fotolia/DDRockstar

Zum internationalen Frauentag möchte ich mir in diesem Jahr ein kleines Geschenk machen. Ich werde in den nächsten Tagen in eines dieser altmodischen Kaufhäuser deutscher Innenstädte gehen und ein Sparschwein kaufen. Dazu einen dicken Marker, mit dem ich in großen Lettern "Chauvi-Schwein" schreiben werde. Ein kleines Schwein muss es sein, denn Frau sollte es stets bei sich tragen. Wenn dann mal wieder ein blöder Spruch von einem Mann kommt, einfach das Schwein zücken und "Einzahlen!" sagen. Das vermeidet eben jene Situation, die so ziemlich jede Frau hasst: Unerwartet wird uns ein Spruch reingedrückt - und was machen wir, die wir sonst immer schlagfertig sind? Wir schweigen, weil es uns die Sprache verschlägt, dass dies im Jahre 2015 im ach so emanzipierten Deutschland noch immer passiert.

Anekdote 1: Eine junge Frau sitzt den ersten Tag in einem neuen Büro, das sie sich mit einem Kollegen teilen soll. Ein dritter Kollege kommt in den Raum und fragt, an den Herren gewandt: "Ach, hast du jetzt eine Sekretärin?"

Männliche Machtdemonstration qua Position und Geld

Das Chauvi-Schwein ist insofern eine großartige Idee - sie stammt von einer Freundin, die in der freien Wirtschaft arbeitet - weil sie jene zwei Ebenen, an denen die Emanzipation noch immer hapert, zusammenführt: die Herabsetzung von Frauen durch männliche Machtdemonstration - sei es verbaler Art oder gar durch sexuelle Übergriffe - und das Faktum, dass Männer qua Position und Geld tatsächlich mehr Macht haben.

Anekdote 2: Als besagte Freundin das "Chauvi-Schwein" ganz neu auf ihrem Bürotisch positioniert hatte, wedelte ein Kollege ungefragt mit einem 10-Euro-Schein und meinte: "Dafür hätte ich gerne eine Flatrate."

Klar - im Nachhinein erzählt sind die meisten dieser Anekdoten recht witzig. Wären da nicht die Fakten: Laut einer aktuellen Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat mehr als die Hälfte aller Beschäftigten schon einmal sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt oder beobachtet. Jede fünfte Frau ist schon einmal gegen ihren Willen von Kollegen berührt worden. Täglich werden Frauen im Alltag, auf der Straße oder in der U-Bahn sexuell belästigt - aller öffentlichen #aufschreie zum Trotz.

Ein Blick in die Welt offenbart Schreckliches

Im Vergleich zur gesetzlichen Diskriminierung von Frauen in Ländern wie Saudi-Arabien, Massenvergewaltigungen in Indien oder weiblichen Genitalverstümmelung in Subsahara-Afrika und anderen Orten, mag die Situation in Deutschland vielleicht zu einem Augenrollen führen. Was stellt ihr euch an, Mädels? Ihr könnt doch studieren, was ihr wollt, Karriere machen, ja, sogar Bundeskanzlerin werden!

Alles richtig. Und doch steckt die Diskriminierung im Detail: Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Damit gehören wir in Europa zu den Spitzenreitern der Lohnungerechtigkeit. In lediglich 13 Prozent der deutschen Paarbeziehungen verdient laut Statischem Bundesamt die Frau mehr als ihr Ehe- oder Lebenspartner. Ein "Entgeltgleichheitsgesetz" ist also überfällig. Ebenso wie die Einführung der Frauenquote in Aufsichtsräten. Der Frauenanteil in den Vorstandsetagen der größten deutschen Aktienunternehmen hat sich zuletzt nämlich sogar wieder verringert - auf mickrige 5,5 Prozent.

DW-Redakteurin Sarah HofmannBild: DW/P.Henriksen

Anekdote 3: Eine Frau in Führungsposition hat die Stelle eines Assistenten/in zu vergeben. Es ist klar: Dies ist das Eintrittsticket in eine Karriere. Doch dann sagt sie hinter vorgehaltener Hand den Satz: "Ich kann nicht so gut mit Frauen" - und stellt einen Mann ein.

Das Chauvi-Schwein richtet sich nicht allein an Männer. Frauen mischen genauso mit im Spiel, anderen Frauen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Frei nach dem Motto: "Ich musste mich hochboxen, warum sollte ich jetzt dafür sorgen, dass ihr die Lorbeeren erntet?" Noch immer gibt es in den meisten Berufssparten kaum Frauenseilschaften.

Solidarität ist ein altmodisches Wort - wir sollten es nicht vergessen

Anekdote 4: Eine junge Frau, gut ausgebildet, mehrere Jahre Berufserfahrung, bekommt ein Kind. Nach einem Jahr Elternzeit entscheidet sie sich dafür, auf eine 50 Prozent-Stelle zu reduzieren. "Schön doof. Der Karriereknick ist damit besiegelt" tuscheln daraufhin ihre Kolleginnen.

Ja, es ist so, dass es vor allem Kinder sind, die für einen "Karriereknick" sorgen. Weil es immernoch in erster Linie die Frauen sind, die den Hauptteil der Elternzeit in Anspruch nehmen (Männer bleiben im Durchschnitt drei Monate zu Hause, Frauen zwölf), die danach auf eine Teilzeitstelle gehen und Konferenzen vorzeitig verlassen, um die Kinder aus der Kita zu holen.

Aber gibt es uns das Recht darüber zu urteilen, wie eine Frau Beruf und Familie vereinbart? Sollten wir nicht viel mehr an die Väter appellieren, mehr Verantwortung zu übernehmen - als uns an den Kolleginnen abzuarbeiten?

Eines der schönsten Bilder aus den Zeiten der frühen Frauenbewegung ist doch dieses: Clara Zetkin und Rosa Luxemburg Arm in Arm marschierend. Sie wussten, dass sie nur gemeinsam politisch etwas erreichen können. Heute mag es - zumindest in Deutschland - nicht mehr um Grundrechte wie das Wahlrecht gehen, doch es gibt noch immer viel zu tun. Erreichen, liebe Frauen, können wir das nur gemeinsam! Vielleicht kaufe ich in den kommenden Tagen also nicht nur mir ein Sparschwein für Chauvi-Sprüche, sondern gleich ein paar mehr. Frauen, denen ich sie schenken kann, gibt es genug.

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