Kommt 2026 kein Flüssiggas aus Katar in die EU?
3. August 2025
Als Deutschland nach der russischen Invasion in die Ukraine eine Energiekrise durchlebte, schloss die damalige Regierung im November 2022 ein Abkommen mit Katar über den Import von jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssigerdgas (LNG).
Das Abkommen war Teil einer umfassenderen Strategie Europas, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Doch nun hat Katar vor kurzem damit gedroht, die für kommendes Jahr geplanten LNG-Lieferungen nach Europa einzustellen.
Nach einem Bericht von der Nachrichtenagentur Reuters beschwerte sich der Energieminister Katars in einem Brief an die belgische Regierung und die EU-Kommission über die hohen Anforderungen der neuen "EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit", auch bekannt als Lieferkettenrichtlinie.
Protest gegen EU-Auflagen
"Wenn keine weiteren Änderungen vorgenommen werden, werden der Staat Katar und QatarEnergy keine andere Wahl haben, als ernsthaft alternative Märkte außerhalb der EU für unser LNG und andere Produkte in Betracht zu ziehen, die ein stabileres und freundlicheres Geschäftsumfeld bieten", heißt es in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.
Die im vergangenen Jahr verabschiedete EU-Richtlinie verpflichtet große europäische Unternehmen, ihre globalen Lieferketten zu überprüfen, um Probleme wie Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden zu erkennen und zu beheben. Außerdem schreibt sie Unternehmen vor, Klimaschutzpläne zu entwickeln, die mit dem Pariser Abkommen von 2015 in Einklang stehen.
Katar ist nach den USA und Russland der drittgrößte Exporteur von verflüssigtem Erdgas (LNG) Richtung Europa (siehe Grafik). Nach Angaben des Energie-Datenanbieters Kpler hat das Emirat seit Beginn des russischen Krieges in der Ukraine Anfang 2022 zwölf bis 14 Prozent des europäischen LNG-Bedarfs gedeckt und insgesamt 37,1 Millionen Tonnen Gas in den Block geliefert.
"Katar und einige andere Ölproduzenten und -exporteure sind noch nicht auf dem Weg zur Klimaneutralität", erklärt Andreas Goldthau, Professor an der Universität Erfurt in Deutschland, und Experte für Energiepolitik. Exporteure liefen Gefahr, von der EU mit Sanktionen belegt zu werden, wenn sie die Lieferkettenrichtlinie nicht einhielten.
Gemäß der Richtlinie können Unternehmen mit Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Jahresumsatzes belegt werden, wenn sie keine Sorgfaltsprüfungen durchführen. Für QatarEnergy, das für 2024 Einnahmen in Höhe von 48,6 Milliarden US-Dollar (42,2 Milliarden Euro) ausweist, könnte dies eine Strafe in Höhe von 2,43 Milliarden US-Dollar bedeuten.
Eine wichtige rechtliche Frage ist offen: Kann Brüssel Nicht-EU-Unternehmen wie QatarEnergy hohe Geldstrafen auferlegen? Experten glauben, praktische Herausforderungen und handelspolitische Auswirkungen könnten es erschweren, Strafen durchzusetzen.
Wenn nicht, könnte die finanzielle Belastung auf die europäischen Partner übergehen. "Importeure mit Instanzen innerhalb Europas könnten aufgefordert werden, Zahlungen an QatarEnergy als stellvertretende Geldstrafen zurückzuhalten", spekuliert Goldthau.
Zwei Jahre Aufschub
Thierry Bros, Professor an der Universität Sciences Po in Paris, bezeichnete die Drohungen Katars gegenüber DW als "selbstbewussten Ansatz". "Anstatt sich auf langwierige Verhandlungen einzulassen", habe Katar "früh und entschlossen gehandelt, um sich für eine vollständige Befreiung von der Richtlinie zu positionieren", sagte er.
Ursprünglich sollten die EU-Staaten die Richtlinie bis zum nächsten Jahr in nationales Recht umsetzen, zunächst für Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von über 1,5 Milliarden Euro. Bis 2029 sollen dann auch kleinere Unternehmen mit 1000 oder mehr Beschäftigten der Richtlinie nachkommen müssen.
Angesichts des zunehmenden Widerstands von Ländern wie Deutschland, Frankreich und Italien sowie des Finanz- und Energiesektors hat die EU nun einen Aufschubum zwei Jahre bis Juni 2028 vorgeschlagen.
Mehr Gas-Importe aus den USA statt aus Katar?
Inmitten der Auseinandersetzungen mit dem Emirat stimmte die EU am 27. Juli im Rahmen des Zollabkommens mit US-Präsident Donald Trump dem Kauf von LNG aus den USA im Wert von 750 Milliarden Dollar (650 Milliarden Euro) zu und versetzte damit dem Vorgehen Katars einen schweren Schlag.
"Es ist mir ein Rätsel, warum Katar das gerade jetzt vorbringt", so Goldthau im DW-Gespräch. Schließlich habe Trump gerade ein Abkommen geschlossen, das Brüssel einen weiteren Vorwand gebe, sich den USA zuzuwenden.
Bros sieht das anders und glaubt, dass Katars Schritt genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgt sei. Es könne Kapital schlagen aus Europas anhaltender Verwundbarkeit durch die Energiekrise, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst wurde.
LNG-Nachfrage steigt weltweit
"Der LNG-Markt ist nach wie vor angespannt und wird es wahrscheinlich auch in den nächsten drei Jahren bleiben, sodass Katar genau zum richtigen Zeitpunkt Druck ausüben kann", sagt er.
Angesichts des prognostizierten Anstiegs der weltweiten LNG-Nachfrage auf über 600 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2030 tragen die Erweiterung des North Field und die langfristigen Verträge dazu bei, das Emirat als wichtigen Energielieferanten für Europa zu positionieren.
Sollten die EU-Vorschriften jedoch zu beschwerlich werden, könnte Katar schneller nach Asien schwenken, wo die Nachfrage boomt und die Kosten für Vorschriften viel niedriger sind.
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert. Am 4.8.2025 wurde er aktualisiert, um einen Fehler zu beheben. Russland ist der zweitgrößte Lieferant für Flüssiggas nach Europa, nicht Australien. Wir bitte, das Versehen zu entschuldigen.