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Kommt der Europäische Währungsfonds?

Rolf Wenkel
28. Februar 2017

Weitere Griechenland-Hilfen mit oder ohne den Internationalen Währungsfonds – an dieser Frage schien die gesamte künftige Griechenland-Rettung zu scheitern. Löst sich jetzt der Konflikt in Luft auf?

EU-Finanzministertreffen auf Zypern
Bild: Reuters

Manche Konflikte scheinen sich wie durch Zauberhand von selbst zu lösen. Das gilt auch für die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Christine Lagarde, und für den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Genussvoll hat die deutsche Wirtschaftspresse Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beiden in der Frage weiterer Griechenland-Hilfen so dargestellt, als rollten da zwei Züge unaufhaltsam aufeinander zu.

Die Positionen beider Seiten schienen auch lange Zeit unvereinbar: Der Fonds stemmt sich schon seit Jahren gegen die optimistische Sicht der von Deutschland angeführten Euro-Länder, die meinen, Athen brauche keinen Schuldenerlass, sondern müsse bloß eisern sparen. Deswegen wollte sich der Fonds aus der Finanzierung verabschieden.

Ein Hauch von Grexit

Doch wenn der IWF aussteigt, könnte die gesamte Griechenland­-Rettung platzen, hieß es allenthalben. Denn dann drohe im Bundestag ein Aufstand: Die Parlamentarier hatten dem letzten Rettungspaket im Sommer 2015 nur unter der Bedingung zugestimmt, dass der Währungsfonds mitzieht. Auch für Schäuble wäre ohne Beteiligung des IWF das laufende Hilfsprogramm beendet. Der Bundestag müsste erneut abstimmen. Ein Hauch von Grexit läge mal wieder in der Luft.

Nun hat die IWF-Chefin vor kurzem Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht, und plötzlich kommen sowohl von Lagarde als auch aus dem Schäuble-Ministerium versöhnliche Töne. So hält der IWF entgegen seiner bisherigen Haltung einen weiteren Schuldenschnitt "derzeit nicht für nötig", so Lagarde in einem Interview des Ersten Deutschen Fernsehens. Schuldenerleichterungen durch eine Verlängerung der Laufzeiten der Kredite seiner Europartner reichten aus.

Tragfähig oder explosiv?

Erstaunlich, denn in internen Papieren des IWF liest sich das ganz anders. Selbst wenn alle Reformen Erfolg haben sollten, könne Griechenland "nicht aus seinem Schuldenproblem herauswachsen", hieß es kürzlich in einem vertraulichen IWF­Bericht. Nach 2022 werde der Schuldenberg "explosiv" und bis 2060 auf 275 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Solchen Ländern Geld zu leihen, verbieten die Statuten des IWF: Geld gibt's nur bei Aussicht auf Rückzahlung, sprich, wenn sich der Patient nach der Geldspritze an den Finanzmärkten selbst refinanzieren kann.

Bei dem Zwist geht es auch um politische Ehrlichkeit im Umgang mit Griechenlands Schulden. Der IWF hat keine Wähler, vor denen er sich rechtfertigen müsste. In Holland, Frankreich und Deutschland dagegen wird in diesem Jahr gewählt. Weder Schäuble noch seine Amtskollegen in Paris und Den Haag können kurz vor den Abstimmungen eine neue Griechenland­-Krise gebrauchen. Nun also verschiebt Lagarde den Showdown, vermutlich bis Ende 2018, wenn das dritte Hilfsprogramm für Griechenland in Höhe von 86 Milliarden Euro ausgelaufen ist.

Vom ESM zum EWF?

Gut möglich, dass sich bis dahin gar nicht mehr die Frage stellt, ob der IWF weiterhin mit im Boot bleiben soll oder nicht. Denn Schäuble prüft Optionen zur Weiterentwicklung des Eurorettungsfonds ESM, ohne diesen aber zu einem Konkurrenten des Internationalen Währungsfonds machen zu wollen. "Im Bundesfinanzministerium beschäftigten wir uns ganz grundsätzlich mit der Frage, welche Rolle der ESM zukünftig spielen kann", sagt eine Sprecherin Schäubles. "Klar ist aber auch, dass der IWF ein wertvoller Partner bei der internationalen Krisenbewältigung ist und bleibt."

Schäuble hatte zuletzt angedeutet, der ESM könnte zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Neben der Krisenbewältigung wie im Falle Griechenlands könnte er dann auch Aufgaben etwa im Bereich der Haushaltsüberwachung der Euro-Länder übernehmen. Auch der "Spiegel" berichtete zuletzt von Plänen der deutschen Regierung, den ESM so auszubauen, dass er künftig den IWF bei der Bewältigung von Krisen im Währungsraum ersetzen kann. Derzeit ist der ESM ein reines Finanzierungsinstrument der Euroländer, um Eurostaaten bei der Bewältigung von Problemen zu helfen.

Beiden Seiten wäre geholfen

Der geplante Fonds könnte schon bald benötigt werden: Experten im Bundesfinanzministerium gehen davon aus, dass sich Griechenland auch nach dem Auslaufen des aktuellen Hilfsprogramms im nächsten Jahr nicht eigenständig an den Kapitalmärkten finanzieren kann. Bei einem absehbaren vierten Griechenland‐Programm soll der Europäische Währungsfonds bereitstehen, wenn der IWF nicht mehr zu weiteren Hilfen bereit ist.

Vorstellbar ist auch, dass künftig für die Rettung von EU‐Staaten nicht mehr wie bisher die EU‐Kommission zuständig wäre, sondern der von politischen Einflüssen unabhängigere ESM. Dafür könnte er unter Führung des bisherigen ESM‐Chefs Klaus Regling erhebliche zusätzliche Kompetenzen bekommen, die ihn zu einem Europäischen Währungsfonds nach Vorbild des IWF machen würden.

So löst sich ein scheinbarer Konflikt in Luft auf - und beiden Seiten ist geholfen. Der deutsche Finanzminister muss bis zur Bundestagswahl nicht eingestehen, dass der Steuerzahler letzten Endes an den Griechenland-Hilfen beteiligt wird. Und der Fonds muss nicht mehr einen großen Teil seiner 2600 Mitarbeiter für Beobachtung und Analyse eines wirtschaftlich eher unbedeutenden Landes verwenden. Schließlich hat der Fonds 188 Mitgliedsländer, darunter auch Entwicklungsländer, denen es weitaus schlechter geht als Griechenland.

 

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