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Politik

Kommt der westliche Balkan nach Europa?

Barbara Wesel
6. Februar 2018

Die EU Kommission hat ein ehrgeiziges Ziel: Sie will eine neue Erweiterungsrunde einläuten und bis 2025 den ersten der westlichen Balkanstaaten aufnehmen - ein Vorhaben mit vielen Hindernissen.

Federica Mogherini Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik
EU-Außenbeauftragte Federica MogheriniBild: Getty Images/AFP/J. Thys

Die Westbalkan-Pläne der EU

01:40

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In der EU herrscht "Erweiterungs-Müdigkeit", nachdem vor rund einem Jahrzehnt dreizehn ost- und mitteleuropäische Staaten aufgenommen worden waren. Seitdem köcheln die Aussichten der westlichen Balkanstaaten nur noch auf ganz kleiner Flamme. Dagegen setzt die europäische Kommission jetzt den ehrgeizigen Plan, in einem neuen, großen Erweiterungsschub schon 2025 das erste neue Mitglied aus der Reihe der Westbalkanstaaten begrüßen zu können.

Brüssel setzt ehrgeizige Ziele

"Dies soll ein Wendepunkt sein, eine Entscheidung für die Zukunft Europas", sagt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Es sei eine Mange harter Arbeit zu leisten, aber "lasst es uns möglich machen", noch in unserer Generation, plädiert sie.

Seit 2012 laufen bereits Beitrittsgespräche mit Montenegro als kleinsten, seit 2014 mit Serbien, dem größten der Kandidatenländer. Sie gelten daher jetzt als erste Anwärter für eine Aufnahme. Allerdings sind die Hürden etwa in Serbien noch hoch: Das Verhältnis zum Kosovo ist ungeklärt und vergiftet, organisierte Kriminalität und Korruption grassieren, die Rechtsstaatlichkeit steht in Zweifel, die Pressefreiheit ist eingeschränkt.

Auch der winzige Adriastaat Montenegro mit nur 600.000 Einwohnern, seit 2017 immerhin schon Nato-Mitglied, hat ähnliche Probleme. Hier wird vor allem die korrupte Verwaltung kritisiert. Beide erfüllen die Aufnahmekriterien bei weitem nicht.  

EU-Beitrittskommissar Johannes HahnBild: DW/B. Riegert

"Es gibt keinen verkürzten Weg", sagt dazu Beitrittskommissar Johannes Hahn im Interview mit der DW. Glaubt er, dass die Länder in den nächsten sieben Jahren bis 2025 tatsächlich demokratischer, rechtsstaatlicher und wettbewerbsfähiger werden könnten? "Es ist möglich, sonst hätten wir es nicht vorgeschlagen". Das Wichtigste aber sei, "Stabilität in die Region zu exportieren, um nicht Instabilität von dort zu importieren", fügt Hahn hinzu. Und EU-Diplomaten erklären den jetzt angestoßenen Prozess: "Wir verkürzen nicht den Tunnel, aber wir machen das Licht an seinem Ende heller".

Zweifel am Zeitplan

Die Regierung in Berlin reagierte sehr verhalten auf den Zeitplan aus Brüssel. Und der Vorsitzende im Auswärtigen Ausschuss des EP räumt ein: "Das ist ein best-case Szenario". Auch David McAllister schwört, dass die Beitrittskandidaten die harten Kriterien der EU ohne Abstriche erfüllen müssten. Man wolle bei dieser Erweiterungsrunde scharf darauf achten, dass zuerst die europäischen Grundsätze erfüllt werden. McAllister nennt "Rechtsstaatlichkeit, Versöhnung und gute Beziehungen zu den Nachbarn".

Und diesmal will man es die Fortschritte konkret machen: Ein Plan mit sechs Abschnitten, von der Rechtsstaatlichkeit bis zur Versöhnung mit den Nachbarn, soll abgearbeitet werden. Und über allen steht die Forderung, europäische Werte umzusetzen, denn es gehe nicht nur um die wirtschaftliche, sondern auch die politische Entwicklung im Westbalkan.   

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erklärt zur umstrittenen Jahreszahl 2025: "Das ist ein Ermunterungsdatum", es solle die Staaten motivieren, die nötigen Reformen voran zu bringen.

Er versprach darüber hinaus, er werde nie wieder ein Land mit ungeklärten Grenzstreitigkeiten in die EU aufnehmen. Dabei wandte er sich direkt an den kroatischen Ministerpräsidenten Andrej Plenkovic. Er hatte als Gast im Parlament am Dienstag glühende Rede zur Entwicklung in Kroatien gehalten und für die Aufnahme der Westbalkanländer plädiert.

Juncker aber erinnerte streng an den schwelenden Konflikt mit Slowenien um die gemeinsame Grenze und die Bucht von Piran. Die kroatische Regierung hatte im vorigen Jahr eine Lösung durch einen internationalen Schiedsspruch abgelehnt, trotz Drucks aus Brüssel.  

Keine Aufnahme ohne Reformen

Für Serbien bedeutet das vor allem, sein zerrüttetes Verhältnis zum Kosovo zu regeln. Aber auch den anhaltenden Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien möchten die Europäer nicht gern "importieren". Gelingt eine Lösung, könnte Mazedonien dann in der zweiten Gruppe der Kandidatenländer Verhandlungen mit der EU aufnehmen, gemeinsam mit Albanien. Bosnien und Kosovo werden in jedem Fall die Schlusslichter sein.   

EU Diplomaten aber sehen den Reformweg illusionslos:"Vor der Erweiterung haben wir einigen Einfluss, während der Verhandlungen haben wir sehr viel Einfluss, nach der Aufnahme haben wir gar keinen mehr". Als Anreiz gibt in den nächsten Jahren auch mehr Geld: 500 Millionen Euro stehen für den Westbalkan bisher zur Verfügung und die Summe könnte noch steigen.   

Strategische Interessen

Hinter der Beitrittsinitiative für den Westbalkan stehen vor allem strategische Argumente. Die EU fürchtet, dass die Länder unter zunehmendem Einfluss von Russland oder China abdriften könnten.  Man fürchtet das Wiederaufflammen von regionalen Konflikten und Störaktionen aus Moskau. Toby Vogel vom "Center for European Policy Studies" hält diese Furcht eher für Folklore. Er sieht aber Gefahren, weil ein EU-Beitritt die Machtbasis von Machthabern wie dem Serben Aleksandar Vukic und der anderen "starken Männer vom Balkan" eher schwächen würde. Fraglich sei also, wie ernst sie es noch damit meinen.

Außerdem würden mit ihnen eher Leute in die EU kommen, "die dem Ungarn Viktor Orban ideologisch und vom Temperament her nahe stehen". Nationalismus und Populismus könnten weiteren Aufwind bekommen, Orban freue sich schon auf neue Bündnisgenossen, wird in Brüssel gespottet. Umso wichtiger sei es, dass die EU es mit der Umsetzung ihrer Kriterien und demokratischer Regeln absolut ernst meint, sagt Vogel. Sie dürfe sich nicht mit Scheinreformen zufrieden geben, dann gebe es die Chance, dass Europa mittelfristig größer und stärker werde und den Frieden in der Region erhalten könne.