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Politik

Kommunalwahl: Grüne Welle in Frankreich

Barbara Wesel
29. Juni 2020

Die Beteiligung an den Kommunalwahlen in Frankreich war auf Rekordtief und Präsident Emmanuel Macrons Partei wurde abgestraft. Sensationell ist der Erfolg der Grünen - mit Folgen für Frankreich und Europa.

Frankreich, Paris I Wahl 2020 I Anne Hidalgo
Seit 2014 und auch weiterhin Bürgermeisterin von Paris: Anne HidalgoBild: picture alliance/AA/F. Pauletto

Es war eine Art Erdrutsch in der französischen Politik: Zum ersten Mal gewannen die Grünen bei den Kommunalwahlen eine Reihe von großen Städten, in denen sie jetzt die Bürgermeister stellen werden. Quer durchs Land siegten grüne Kandidaten in Lyon, Marseille, Bordeaux, Straßburg, Grenoble und anderen Orten. Allerdings ist die Macht der Bürgermeister im zentralisierten Frankreich begrenzt und die extrem niedrige Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent vermindert die Aussagekraft dieses Wahlgangs. Dennoch ist das Ergebnis für Präsident Emmanuel Macron ein Fanal.

Paris bleibt in linker Hand

In Paris konnte Amtsinhaberin Anne Hidalgo mit Unterstützung der Grünen das Rathaus mit Leichtigkeit verteidigen. Die konservative Herausforderin Rachida Dati hatte keine Chance, ebenso wenig wie die Vertreterin von Macrons Partei La République en Marche (LREM). Sie hatte als Ersatz antreten müssen, nachdem der ursprüngliche Kandidat Benjamin Griveaux über eine Sexvideoaffäre gestolpert war. Das Desaster fällt auf Präsident Macron zurück, ausgerechnet in seiner Hauptstadt, in der die modernen, gebildeten Wähler wohnen, an die er appelliert und deren Stimmen er für die Präsidentschaftswahlen 2022 brauchen wird.

Anne Hidalgo kämpft schon seit Jahren dafür, Paris und seine Quartiers umweltfreundlicher und grüner zu machen, den Autoverkehr aus dem Zentrum hinauszudrängen, überall Bäume zu pflanzen. In den vergangenen Jahren konnte sie diese Pläne nur schrittweise gegen den wütenden Widerstand von Autofahrern und Ladenbesitzern umsetzen. Mit ihrer Widerwahl aber kann sie ihren Einsatz gegen schlechte Luft und Blechlawinen in Paris verstärken.

Richtungswechsel in Bordeaux: Der Grüne Pierre Hurmic (Mitte) ist neuer BürgermeisterBild: Getty Images/AFP/N. Tucat

In Bordeaux haben die Grünen die frühere Hochburg des konservativen Bürgermeisters Alain Juppé gekippt. Er hatte sich schon im vergangenen Jahr aus der Politik zurückgezogen und das Amt einem Parteigenossen überlassen. Juppé hatte die über Jahre vernachlässigte Stadt zu einem der begehrtesten Wohnorte in Frankreich gemacht. Dazu gehört auch eine beispielhafte autofreie Innenstadt, die von preiswerten Tramlinien durchzogen wird. Dennoch stellt der frisch gewählte Grüne Pierre Hurmic jetzt fest, dass die kommunale Politik sich zu weit von den Anliegen der Bürger entfernt habe, die insbesondere die alte politische Klasse Frankreichs ablehnen.

Grüne in Frankreich: Mehr Bewegung als Partei

So verblüffend die Wahlerfolg der Grünen auch ist, so unsicher ist, ob er von Dauer sein wird. In Marseille zum Beispiel unterstützen sie die linke Kandidatin Michèle Rubirola, die es geschafft hat, 25 Jahre konservativer Vorherrschaft zu brechen. Das ist eine politische Sensation - aber wie lange das Bündnis die zu erwartenden politischen Kämpfe einer Großstadt mit teils korrupten Strukturen durchstehen kann, ist offen.

Marseille soll grüner und ökologischer werden - eine Herausforderung für die neue linke BürgermeisterinBild: AFP/C. Simon

Die Schwäche der französischen Grünen ist, dass sie - anders als ihre deutschen Kollegen - keine etablierte Partei sind, sondern eine extrem diverse Bewegung. Es gibt Grüne, die radikal alle Kompromisse mit der Wirtschaft verweigern, und solche, die pragmatisch regieren wollen. Ihre Zentrale wird von gerade vier Mitarbeitern betrieben und sie haben keine Abgeordneten im Parlament.

Auf nationaler Ebene hätten die Grünen gar keine Ambitionen, erklärt der Europaabgeordnete David Cormand. Sie träten jedenfalls nicht in die Macron-Regierung ein, denn schon Nicolas Hulot habe erlebt, wie problematisch diese Zusammenarbeit sei. Der bekannte Umweltschützer war 2017 als Umweltminister in das Kabinett eingetreten. Schon nach einem Jahr aber warf Hulot das Handtuch, weil er die ökologischen Pläne des Präsidenten für ungenügend hielt.

Macrons Partei fehlt die lokale Verankerung

Die Regierungspartei musste erkennen, dass sich ihr Erfolg bei der Präsidentschaftswahl vor drei Jahren auf kommunaler Ebene nicht einfach wiederholen lässt. Dabei dürfte die relative Unbeliebtheit des Präsidenten ebenso negativ gewirkt haben wie das Fehlern der lokalen Verankerung seiner Partei. Die Politik auf kommunaler Ebene verharrt weiter in dem bekannten Links-Rechts-Muster, das Macron doch überwinden wollte.

Seine Partei ist nicht zu den Menschen vor Ort durchgedrungen: Präsident Emmanuel MacronBild: Reuters/Y. Valat

Auch die Blütenträume des rechtspopulistischen RN (Rassemblement National) von Marine Le Pen zerschellten weitgehend an der Realität vor Ort. Als einzige größere Stadt gewannen die Rechten das südfranzösische Perpignan, fielen insgesamt aber weit hinter die Ergebnisse von 2014 zurück. Als echter Test gelten jedoch erst die Regionalwahlen im nächsten Jahr, wo Le Pen zeigen muss, ob sie 2022 noch einmal als Präsidentschaftskandidatin antreten kann.

Die Sozialisten wiederum, die bei den Präsidentschaftswahlen 2017 einen Vernichtungsschlag erlitten hatten, sehen jetzt eine neue Chance. Ihr Generalsekretär Olivier Faure erklärte, die Partei könne sich in zwei Jahren vielleicht hinter einem grünen Präsidentschaftskandidaten versammeln. Der relative Erfolg bei den Kommunalwahlen macht ihnen Hoffnung auf eine politische Wiedergeburt.

Weckruf für Macron: Mehr Ökologie, mehr Soziales

Der Präsident steht unmittelbar vor einer Kabinettsumbildung und wird möglicherweise seinen konservativen Premierminister Edouard Philippe entlassen, der als Bürgermeister die nordfranzösische Hafenstadt Le Havre gewinnen konnte. Für Macron bedeuten die Kommunalwahlen eine Richtungsentscheidung. Bei einem Empfang für Bürger, die im sogenannten Klimakonvent die Ziele für die Umweltpolitik in Frankreich formulieren sollten, sprach er am Montag von einem Stimmungsbarometer, das eine "ambitionierte ökologische Agenda" bekräftigte.

Edouard Philippe: Beliebt, jetzt Bürgermeister von Le Havre - und wahrscheinlich bald nicht mehr PremierministerBild: picture-alliance/R. Lafargue

Schon mit dem Abflauen der Corona-Pandemie gab es Anzeichen, das Macron seinen wirtschaftsfreundlichen Kurs zugunsten einer sozialeren Politik verlassen könnte. Jetzt wird vermutlich ein starker Schwenk in Richtung Umweltschutz dazukommen. Macron muss sich zwei Jahre vor den Präsidentschaftswahlen neu erfinden, und er dürfte die Kommunalwahl als Fingerzeig betrachten.

Ähnliches gilt auch auf der europäischen Bühne. Dort ist sein unmittelbares Ziel, den Corona-Wiederaufbaufonds gemeinsam mit Angela Merkel zu verabschieden. In der Krise war so der Eindruck entstanden, dass auf europäischer Ebene die wirtschaftliche Erholung alle anderen politischen Ziele verdrängt habe. Vor allem die Grünen sahen Klimaschutz und Umweltpolitik auf die hinteren Plätze abgerutscht. Wenn sich jetzt aber der französische Präsident zum Vorkämpfer für ökologische Anliegen und den sogenannten European Green Deal von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machen sollte, dann dürften sich auch in der EU die Gewichte verschieben.

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