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Politik

Komoren: Präsident will Föderalismus abschaffen

Aarni Kuoppamäki
31. Juli 2018

Die Komorer haben am Dienstag in einem Referendum für eine Änderung der Verfassung gestimmt. Der Präsident will damit das komplexe politische System vereinfachen - und seine eigene Macht erweitern.

Komoren - Haupstadt Moroni
Bild: Imago/imagebroker/M. Runkel

92,74 Prozent Ja-Stimmen bei 63,9 Prozent Wahlbeteiligung - laut dem Chef der komorischen Wahlkomission hat der Inselstaat mit großer Mehrheit für eine Verfassungsänderung gestimmt. Doch Beobachtern zufolge blieben viele Wahllokale am Montagmorgen leer. Die Opposition hatte die Bevölkerung aufgerufen, die Abstimmung zu boykottieren. Sie befürchtet, dass die Verfassungsänderung die Macht von Präsident Azali Assoumani zementieren könnte. Laut der geltenden Verfassung rotiert das Präsidentenamt im Fünf-Jahres-Rhythmus zwischen Bewohnern der drei Hauptinseln Grand Comore, Anjouan und Mohéli. Präsident Azali, der von Grand Comore stammt, will das ändern: Künftig soll das Staatsoberhaupt unabhängig von seiner Herkunft zwei fünfjährige Amtszeiten lang regieren können. Anstatt wie vorgesehen 2021 abzutreten, könnte Azali nach erneuten Wahlen somit noch zehn Jahre lang regieren.

Der Präsident beruft sich auf eine von ihm einberufene Nationale Konferenz, die eine Verfassungsreform empfohlen hat. Das Referendum werde dafür sorgen, dass sich das Land besser entwickeln werde, hatte er im Wahlkampf versprochen. Sein Argument: Das bestehende politische System mache es schwierig, langfristig zu planen. Die Opposition sieht den Volksentscheid hingegen als Versuch des Präsidenten, die Macht an sich zu reißen. Denn die Verfassungsänderung würde es Azali auch ermöglichen, die Posten der drei Vizepräsidenten und Gouverneure der drei Hauptinseln abzuschaffen.

Präsident Azali erschien bei der Stimmabgabe im Vorort der Hauptstadt Moroni gut gelauntBild: Getty Images/AFP/T. Karumba

Nach Ansicht der Opposition sei das Referendum gar nicht rechtmäßig. Doch von der Justiz hat Azali keinen Widerstand zu erwarten. Bereits im April hatte er das Verfassungsgericht aufgelöst. Das Gericht sei inkompetent gewesen, begründete er die Entscheidung. Einen Monat später verbot der Präsident außerdem Demonstrationen. Kritiker werfen Azali deshalb einen zunehmend autoritären Regierungsstil vor.

Sunnismus als Staatsreligion

Der Anthropologe und Komoren-Experte Iain Walker von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sieht das Referendum zwiespältig. Das politische System der Komoren sei sicherlich sehr kompliziert - und angesichts der geringen Bevölkerungszahl von 800.000 aufgebläht. Möglicherweise versuche Azali jedoch, eine sinnvolle Reform mit einer Maßnahme zum Machterhalt zu verbinden.

Die Komoren im Indischen Ozean - Mayotte, die vierte Insel des Archipels, gehört zu Frankreich

Doch die Verfassungsänderung würde nicht nur den Föderalismus auf den Komoren abschaffen. Auch die Klausel zur Trennung von Religion und Staat soll wegfallen und durch zwei neue Sätze ersetzt werden: "Der Islam ist die Staatsreligion" und "der Staat zieht aus dieser Religion die Prinzipien und Regeln zur Befolgung des Sunnismus". 99 Prozent der Komorer sind Muslime, und der Staat war stets muslimisch geprägt, seitdem er sich 1975 von der Kolonialmacht Frankreich löste. Doch der ausdrückliche Bezug auf den sunnitischen Islam sei neu, sagt Komoren-Experte Walker - und wahrscheinlich ein Angriff auf Präsident Azalis Konkurrenten Ahmed Abdallah Sambi.

Sambi stammt von der zweitgrößten Insel Anjouan und hatte von 2006 bis 2011 schon einmal das Präsidentenamt inne. Aufgrund des Rotationsprinzips wäre er der aussichtsreichste Kandidat auf Azalis Nachfolge, falls die Verfassung nicht geändert wird. Obwohl Sambi ebenfalls Sunnit ist, werden ihm enge Beziehungen zum schiitischen Iran nachgesagt. Azali verfolgt hingegen eine Politik der Annäherung an das sunnitische Saudi-Arabien, das mit dem Iran verfeindet ist und die Komoren finanziell unterstützt. So sei etwa auf saudischen Druck die iranische Botschaft auf den Komoren vor einigen Jahren geschlossen worden, sagt Komoren-Experte Walker. Im Mai wurde Sambi unter Hausarrest gestellt.

Insel-Union vor Zerreißprobe

Laut Walker spielt nicht nur das Ergebnis des Referendums, sondern auch die Wahlbeteiligung eine wichtige Rolle. Sollte Präsident Azali versuchen, die Verfassungsänderung trotz starker Widerstände durchzusetzen, sei die Stabilität des Staates in Gefahr, so der Anthropologe. Seit der Unabhängigkeit gab es auf den Komoren mehr als 20 Putschversuche - vier davon waren erfolgreich. Auch Azali Assoumani kam 1999 durch einen Militärputsch erstmals an die Macht. Drei Jahre später wurde er durch Wahlen bestätigt, 2006 übergab er die Macht verfassungsgemäß an Ahmed Abdallah Sambi. Vor zwei Jahren wurde Azali nach einer umstrittenen Wahl erneut Präsident.

Inselbewohner begrüßen 2008 Soldaten der Afrikanischen Union nach ihrer Invasion auf das abtrünnige AnjouanBild: AP

Falls die Insel Anjouan sich vom politischen Prozess ausgeschlossen fühle, könne dies einer neuen Sezessionsbewegung Auftrieb geben, sagt Walker. Bereits 1997 hatten sich Anjouan und Mohéli für unabhängig von den Komoren erklärt. Anjouan wollte sich Frankreich anschließen - was dieses jedoch ablehnte. 2007 erklärte sich die Insel abermals für unabhängig, wurde jedoch von der komorischen Armee mit Hilfe der Afrikanischen Union und Frankreichs wieder eingenommen. Mayotte, die vierte Insel des Komoren-Archipels, hatte sich in den 70er-Jahren in einer Volksabstimmung gegen die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht entschieden und ist heute ein Übersee-Département Frankreichs.

Aarni Kuoppamäki Program Director Displacement and Crisis Preparedness
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