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Kompromiss im Asylstreit

Bernd Gräßler28. Januar 2016

CDU, CSU und SPD einigen sich beim Familiennachzug von syrischen Flüchtlingen. Außerdem sollen drei Maghreb-Staaten zu "sicheren Herkunftsländern" erklärt werden. Letzteres bedarf aber der Zustimmung des Bundesrats.

Horst Seehofer und Angela Merkel (Foto: Reuters)
Kanzlerin Merkel mit Horst Seehofer, dem Chef der Schwesterpartei CSUBild: Reuters/F. Bensch

Nach monatelangem zähen Ringen ging es dann recht schnell: In einem knapp dreistündigen Spitzentreffen beendete die große Koalition ihren Streit über das sogenannte Asylpaket II. Bei der Regelung des Familiennachzugs für syrische Flüchtlinge fand man einen Kompromiss. Für alle Flüchtlinge, "die nicht unmittelbar persönlich verfolgt" seien, werde der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt, verkündete SPD-Chef Sigmar Gabriel. Kanzlerin Angela Merkel kündigte an, die erneuten Verschärfungen des Asylrechts würden sehr schnell ins Gesetzgebungsverfahren gehen. Mit einem Kabinettsbeschluss wird kommenden Mittwoch gerechnet.

Damit ist klar: Die Aussetzung des Familiennachzugs könnte auch rund 20 Prozent der Syrer betreffen, die seit September 2015 in Deutschland Aufnahme finden. Es dürfte sich vor allem um Menschen handeln, die nicht direkt aus den Bürgerkriegsgebieten kommen, sondern beispielsweise aus den Flüchtlingslagern in Jordanien, Libanon oder der Türkei. Sie genießen nur sogenannten "subsidiären Schutz", weil sie nicht als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention gelten. Immerhin sollen ihre Familienangehörigen Vorrang haben, wenn die von der Bundesregierung gewünschten EU-Aufnahmekontingente für Flüchtlinge zustande kommen, die sich derzeit in Nachbarstaaten Syriens aufhalten. Sie würden dann auf sicherem und legalem Weg nach Deutschland gelangen. Für Syrer, die direkt aus den Bürgerkriegsregionen kommen, gilt in Deutschland weiterhin der Flüchtlingsstatus mit dreijähriger Aufenthaltserlaubnis, Bleibeperspektive und der Möglichkeit des Familiennachzuges.

Ziel Deutschland? Flüchtlinge im Hafen von PiräusBild: picture-alliance/dpa/S. Baltagiannis

Scharfe Kritik von den Grünen

Die oppositionellen Grünen kritisierten den Beschluss scharf. "Wer den Familiennachzug aussetzt, nimmt billigend in Kauf, dass Kinder und Frauen im Mittelmeer ertrinken", sagte ihre familienpolitische Sprecherin, Franziska Brantner. Auch die Integration werde schwieriger. Der Hauptgeschäftsführer des größten Wohlfahrtsverbandes Deutschlands, Ulrich Schneider, twitterte:

Erlösend war die Nachricht über die Einigung vor allem für die große Koalition selbst, der in der Flüchtlingskrise die Zeit davonläuft. Spätestens im Frühjahr ist wieder mit einem Ansteigen der Flüchtlingszahlen zu rechnen. Druck auf die Parteichefs von CDU, CSU und SPD kam zuletzt auch aus den Reihen der 16 Ministerpräsidenten der Bundesländer, die sich parallel in Berlin trafen, um vor allem über die Integration der vielen Flüchtlinge zu beraten.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warnte: "Jeder spürt, das Vertrauen der Bevölkerung nimmt ab. Und unsere Aufgabe ist es, dieses Vertrauen wieder aufzubauen." Und der Regierungschef Thüringens, Bodo Ramelow (Die Linke), ergänzte: Die Problemlösung würde enorm beschleunigt, wenn die Verabredungen vom vergangenen Jahr endlich umgesetzt würden.

Schnellere Asylverfahren möglich

Doch genau da hakte es bis zuletzt, weil das bereits am 5. November von Merkel, Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer vereinbarte Asylpaket beim Familiennachzug für Syrer unterschiedlich ausgelegt wurde. Besonders die CSU, die bayerische Schwesterpartei der CDU, fürchtet durch unbegrenzten Familiennachzug für die Syrer eine Vervielfachung der Flüchtlingszahl über die Belastungsgrenze hinaus, weil im vergangenen Jahr bereits über 1,1 Millionen Menschen nach Deutschland kamen.

Das Asylpaket II sieht auch spezielle Aufnahmeeinrichtungen vor, in denen die Asylanträge von Flüchtlingen mit geringen Bleibechancen im Schnellverfahren bearbeitet werden sollen. Als Abschiebehindernis sollen nur schwere Erkrankungen gelten, die mit Attesten nachgewiesen werden müssen. Außerdem soll ein einheitlicher Flüchtlingsausweis eingeführt werden und Asylbewerber müssen künftig einen Beitrag von zehn Euro pro Monat zur Finanzierung ihrer Integrationskurse leisten. Soziale Leistungen bekommen Asylbewerber erst dann, wenn sie vollständig registriert sind.

Marokko, Algerien, Tunesien künftig sicher?

Merkel, Gabriel und Seehofer verständigten sich außerdem darauf, Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Damit sollen Menschen aus diesen Ländern schneller abgeschoben werden können. Besonders der Zustrom von Algeriern und Marokkanern hatte jüngst zugenommen. Allerdings braucht die Bundesregierung dafür eine Mehrheit im Bundesrat, der Vertretung der 16 Länder. Im vergangenen Jahr hatte das von einem Grünen-Ministerpräsidenten geführte Baden-Württemberg der Bundesregierung geholfen, einige Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Kanzlerin Merkel sagte, sie sehe auch diesmal gute Chancen, dass der Bundesrat zustimmt. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte, damit stelle Deutschland diesen Staaten einen Persilschein aus, obwohl dort grundlegende Menschenrechte verletzt würden.

Doch auch gute Nachrichten verkündete die Koalition: Flüchtlinge, die eine Ausbildung machen, haben während dieser Zeit einen sicheren Aufenthalt und sollen danach auch zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen. Das sei schon lange eine Forderung der deutschen Unternehmen, sagte Gabriel. Kanzlerin Merkel kündigte außerdem an, die Integration der Flüchtlinge werde das größte Projekt der kommenden Jahre sein. Der Regierungschef Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff (CDU) sagte, die Bundesregierung müsse den Zustrom von Flüchtlingen reduzieren, damit die hier Ankommenden gut integriert werden könnten. Bisher seien alle Kapazitäten für die Notunterbringung der vielen Flüchtlinge gebunden.

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