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PolitikAsien

Konflikt um US-Drohneneinsatz in Afghanistan

1. September 2022

Die Taliban kritisieren Pakistan wegen Überflugerlaubnis für US-Drohnen mit Ziel Afghanistan. Pakistan fordert von Kabul: Kein Unterschlupf für Terroristen.

Eine US-Drohne vom Typ MQ-9 Reaper auf einem Rollfeld in Kandahr 2015
Eine US-Drohne vom Typ MQ-9 Reaper auf einem Rollfeld in Kandahr 2015Bild: Unbekannt/Zuma Wire/imago images

Amerikanische Drohnen würden von Pakistan aus nach Afghanistan eindringen und damit die territoriale Souveränität Afghanistans verletzen, behauptete der Verteidigungsminister der Taliban-Regierung, Mullah Mohammed Jakub, in einer Pressekonferenz am vergangenen Sonntag in Kabul. Jakub räumte ein, dass Afghanistan die Luftraumverletzungen nicht genau verfolgen könne, weil das amerikanische Militär bei seinem Abzug das afghanische Radarsystem "vollständig zerstört" habe. Er fügte hinzu: "Nach unseren Informationen dringen amerikanische Drohnen über Pakistan nach Afghanistan ein und nutzen Pakistans Luftraum". Der Verteidigungsminister forderte Pakistan auf, "seinen Luftraum nicht gegen uns zur Verfügung zu stellen."

Unruheherd pakistanisch-afghanisches Grenzgebiet Bild: DW

Pakistan reagierte mit der Zurückweisung der Vorwürfe: "Solche Behauptungen sind äußerst bedauerlich und widersprechen den Normen verantwortungsvollen diplomatischen Verhaltens", erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Asim Iftikhar Ahmad, am Montag. Allerdings richtete er auch eine Aufforderung mit einem indirekten Vorwurf an die Taliban-Führung: "Wir fordern die afghanische Übergangsregierung dringend auf, die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen Afghanistans sicherzustellen, und die Nutzung seines Territoriums für terroristische Zwecke gegen kein Land zuzulassen."

Indirekte Vorwürfe Pakistans an Taliban 

Die gegenseitigen Vorwürfe zeigen, dass sich die Beziehungen zwischen den Taliban und ihren einstmaligen Beschützern in Islamabad abgekühlt haben. Unter anderem deshalb, weil der Sieg der Taliban in Kabul den pakistanischen Taliban-Kämpfern, die ihre Basis im Grenzgebiet zu Afghanistan haben, Auftrieb gegeben hat. Die sogenannte Bewegung der pakistanischen Taliban (TTP) ist ein militanter Gegner der Regierung in Islamabad. Die TTP-Kämpfer weiteten ihre Angriffe im pakistanischen Teil der paschtunischen Stammesgebiete aus, wobei sie auch von der afghanischen Seite aus operieren. Mitte April bombardierte die pakistanische Armee deshalb mehrere Dörfer im Osten Afghanistans. Nach Angaben der Taliban-Regierung sollen bei den Angriffen mindestens 45 Zivilisten getötet worden sein. Die Lage beruhigte sich allerdings, nachdem die afghanischen Taliban eine Vermittlerrolle zwischen Islamabad und der TTP übernahmen und Waffenruhe erzielt werden konnte. 

Ausbildung zum Dschihad - Die Hochschule der Taliban

05:29

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Dessen ungeachtet bleibt die Bedrohung durch Terroristen der TPP, die von Afghanistan aus operieren, für Pakistan bestehen, wie die zitierte Äußerung des pakistanischen Außenamtssprechers deutlich macht.

Tod Sawahiris durch US-Drohne bezweifelt

Die Taliban kritisieren zwar Pakistan dafür, US-Drohnen freien Flug nach Afghanistan zu gewähren. Dass der international gesuchte Al-Kaida-Chef Al-Sawahiri durch eine US-Drohne in Kabul getötet wurde, wollen die Taliban allerdings nicht wahrhaben. Nach US-Angaben wurde Al-Sawahiri am 30. Juni auf dem Balkon eines Hauses in Kabul durch zwei von einer Drohne abgefeuerte Raketen getötet. Die Taliban wollen das nicht bestätigen. Sie behaupten, die Leiche des Al-Kaida-Chefs nicht gefunden zu haben. "Unsere Untersuchungen laufen noch", sagte der stellvertretende Taliban-Sprecher Bilal Karimi im Gespräch mit der DW. "Wir haben vor Ort gar keine Leiche gefunden. Das, was dort geschehen sein soll, ist für uns eine Behauptung der USA."

Al-Kaida-Chef Aiman al-SawahiriBild: dpa/picture alliance

Die Taliban bestreiten auch, gewusst zu haben, dass Al-Sawahiri in Kabul Unterschlupf gefunden hatte. Sie verurteilen den Angriff als Verstoß gegen das Abkommen von Doha zwischen den Taliban und den USA. Darin hatten sich die USA nicht nur verpflichtet, sich aus Afghanistan zurückziehen, sondern auch, sich nicht mehr in innerafghanische Angelegenheiten einzumischen. Das Abkommen verpflichtet umgekehrt die Taliban, Al-Kaida und anderen Terrorgruppen keinen Unterschlupf in Afghanistan zu gewähren.

Innenminister Haqqani im Versteck 

Seit wann sich der in Ägypten geborene Sawahiri in Kabul versteckte, ist nicht bekannt. Taliban-Kreise bestätigten gegenüber der DW, dass sich das von der US-Drohne angegriffene Haus in einem Kabuler Viertel befindet, in dem bevorzugt Mitglieder der Taliban-Führung leben. Informationen des Online-Magazins "Al-Monitor" zufolge gehört das Haus, in dem Al-Sawahiri mit seiner Familie gelebt haben soll, einem engen Bekannten von Siradschuddin Haqqani, dem Innenminister der Taliban-Regierung.

Innenminister Siradschuddin Haqqani bei der Vereidigung neuer Polizisten im März 2022 Bild: Wakil Kohsar/AFP/Getty Images

Haqqani wird von den USA als "globaler Terrorist" gesucht. Für seine Ergreifung werden zehn Millionen US-Dollar geboten. Die USA bezichtigen ihn verschiedener terroristischer Anschläge, denen auch US-Amerikaner zum Opfer fielen. Haqqani hat laut Medienberichten nach dem US-Drohnenangriff in Kabul die Stadt verlassen und sich im Südwesten Afghanistans versteckt. Mitte August veröffentlichte das Innenministerium allerdings Bilder, die Haqqani bei der Eröffnung einer Moschee auf dem Gelände des Ministeriums in Kabul zeigen.