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Konfliktstoff Wasser

Alexander Budde21. September 2012

Flüsse und Seen halten sich nicht an Landesgrenzen. Abkommen zur gemeinsamen Wasser-Nutzung sind aber Ausnahmen. Im Nahen Osten ist Wasser von strategischer Bedeutung und sorgt regelmäßig für Streit.

Wadi Mujib dam, Jordan © Dario Bajurin #21995202 Die Mujib-Talsperre (auch: Wadi Al-Mujib-Damm) liegt am Wadi Mujib etwa 100 km südlich von Amman in Jordanien.
Wadi Al-Mujib-Damm Talsperre JordanBild: Fotolia

Der Chef der palästinensischen Wasserbehörde Shaddad Attili verwaltet den Mangel. Ohne Erlaubnis seiner israelischen Nachbarn darf seine Behörde keinen einzigen Brunnen bohren: "Wasser ist ein sensibles Thema im Nahen Osten. Die Regierungen empfinden die Kontrolle der Quellen als eine Frage der nationalen Sicherheit."

Die Hügel des Westjordanlands sind von Höhlen und Spalten durchzogen, in denen sich das Regenwasser sammelt. Die unterirdischen Reservoirs sind praktisch die einzige Wasserquelle. Israel zapft sie bereits seit den 50er Jahren an - nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 übernahm das Land die militärische Kontrolle. Seither werde den Palästinensern 57 Kubikmeter Wasser pro Person und Jahr zugestanden, die israelischen Siedler bekämen das Fünffache, sagt Attili: "In der Westbank darf ich keinen einzigen Tropfen verlieren." Noch schlimmer sei aber die Lage in Gaza: "Die bald zwei Millionen Palästinenser dort haben wegen des israelischen Embargos überhaupt kein Wasser, das den Namen Trinkwasser verdient."

Shaddad Attili - Chef der palästinensischen WasserbehördeBild: CC-BY-SA-Rama

Gewässer als Einheit sehen

Die Folgen der Erderwärmung verschärfen die Wasser-Probleme. In vielen Trockengebieten der Erde reicht das auf den Ackerflächen verfügbare Wasser nicht mehr aus, um die wachsende Bevölkerung sicher zu versorgen. Anders Jägerskog, Projektleiter beim Stockholmer Wasserinstitut (SIWI), vermittelt zwischen Staaten, die sich um Wasser streiten. Häufig geht es dabei um den Bau von Staudämmen am oberen Teil eines Flusses - die Länder am unteren Teil bekommen dann auf einmal weniger Wasser. "Als Politikberater sind wir bemüht, die Unterhändler für eine breitere Perspektive zu gewinnen", sagt Jägerskog. "Vor allem die Nachbarstaaten am Unterlauf großer Flüsse fordern Garantien für eine bestimmte Menge Wasser." Der Gewinn für alle betroffenen Länder sei wesentlich größer, wenn sie die Gewässer als Einheit verstünden. "Mit Hilfe gemeinsamer Analysemodelle lässt sich viel rationaler entscheiden, wo man am günstigsten einen Damm platziert oder Ackerbau betreibt, damit möglichst wenig Wasser einfach nur verdunstet und so verloren geht", erläutert Jägerskog.

Der Unterlauf des Jordan-FlussesBild: cc-by:David Bjorgen-sa

Negativbeispiel Jordan

Doch noch immer ginge zuviel Wasser verloren. Der Jordan sei ein Paradebeispiel für eine unbedachte Wasserpolitik, sagt die Umweltorganisation "Friends of the Earth Middle East". Die Aktivisten der Organisation stammen aus Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Sie kritisieren den Zustand des Jordan-Flusses, der an der syrischen Grenze entspringt und über Israel durch den See Genezareth in die palästinensischen Gebiete fließt. 1964 bauten israelische Ingenieure ohne Zustimmung der Nachbarländer einen Damm, der den Abfluss des Sees kontrolliert. Zudem zapft Syrien über Pipelines große Mengen Wasser ab. "Unterhalb des Sees Genezareth ist der Jordan in einem furchtbaren Zustand", sagt Munqeth Mehyar, der Direktor von "Friends of the Earth Middle East". "Riesige Mengen Wasser werden aus dem See und den syrischen Quellflüssen umgeleitet." Weniger als ein Zehntel des Wassers aus dem See wird in den unter Flusslauf weitergeleitet. "Und die Hälfte davon ist stark verunreinigt durch Abwässer von Industrie und Landwirtschaft", so Mehyar.

Munqeth Mehyar von "Friends of the Middle Earth"Bild: PD

Hoffnungsvolle Kooperation

Doch obwohl sich die Politiker des Nahen Ostens häufig intensiv über Wasserfragen streiten, gibt es auch hoffnungsvolle Beispiele für Zusammenarbeit. So diskutieren Israel und Jordanien seit Jahren über die von Israel besetzten, wasserreichen Golan-Höhen. Trotzdem arbeiten beide Länder beim Wassermanagement zusammen: So ermöglicht Israel den Jordaniern, gesammeltes Regenwasser in den See Genezareth umzuleiten, und leitet es im regenarmen Sommer über einen Kanal wieder zurück. Der Chef der palästinensischen Wasserbehörde Attili hat auch Hoffnung für das Westjordanland und Gaza. Vor allem aufgrund des technischen Fortschritts und der menschlichen Vernunft: "Die Türkei bietet an, Wasser nach Gaza zu verschiffen. Pipelines könnten Palästina und Israel versorgen. Mit der Entsalzung können wir Meerwasser verfügbar machen", zählt Atilli verschiedene Möglichkeiten auf. Seiner Meinung nach wird es keine Kriege um Wasser geben. "Aber wir werden wohl einen höheren Preis für unser Wasser zahlen müssen."

See Genezareth in IsraelBild: Getty Images