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Konfrontation am Checkpoint Charlie

26. Oktober 2011

Am 27. Oktober 1961 hielt die Welt den Atem an: In Berlin standen sich am innerstädtischen Grenzübergang Friedrichstraße amerikanische und sowjetische Panzer direkt gegenüber - beide Seiten waren bereit, zu schießen.

Ein amerikanischer Panzer im Vordergrung und im Hintergrund sowjetische Panzer am Sektorengrenzübergang für Diplomaten und Ausländer in der Friedrichstraße, etwa 150 Meter hinter der Grenzlinie in Ostberlin, aufgenommen am 28.10.1961. Am Tag zuvor hatten mehrere amerikanische Panzer unmittelbar an der Grenzlinie zwischen West- und Ostberlin Aufstellung genommen. (Foto:dpa)
Panzer gegen Panzer: Checkpoint CharlieBild: picture alliance/dpa

Der sowjetische KPdSU-Generalsekretär Nikita Chruschtschow hatte mehrere Monate lang mit dem neuen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy verhandelt, ohne sein Ziel zu erreichen: Er wollte Berlin als "freie Stadt" aus der gemeinsamen Verantwortung der alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs herauslösen. Allmählich – so der Plan – sollten die Westsektoren der geteilten Millionenmetropole dann in die DDR "integriert" werden.

August 1961: Mauerbau

Anfang Juni 1961: Chruschtschow und Kennedy bei Verhandlungen in WienBild: AP

Kennedy lehnte ab - und Chruschtschow gab der DDR-Führung das Okay zum Bau der Berliner Mauer. Am Morgen des 13. August 1961 begannen Bauarbeiter der DDR, die - wie es im Jargon der Ost-Berliner SED-Führung hieß - "Hauptstadt der DDR" vom Westteil Berlins abzugrenzen. Der "kalte Krieg" steuerte auf einen neuen Höhepunkt zu, gleichwohl gingen die Reaktionen des Westens nicht über die diplomatische Empörung hinaus. Eine Woche später besuchte der amerikanische Vizepräsident Lyndon B. Johnson die geteilte Stadt und versprach den West-Berlinern, dass ihre Freiheit durch die USA geschützt werde. Aber mit der Mauer – so fuhr er fort – werde man in Berlin wohl leben müssen.

Der Checkpoint Charlie - in den 80er JahrenBild: picture-alliance / akg-images

Zur gleichen Zeit legten die alliierten Stadtkommandanten Grenzübergänge fest, an denen westliches Militärpersonal und ausländische Diplomaten ohne Kontrolle die Sperranlagen passieren konnten, um nach Westdeutschland oder auch in den Ostteil der Stadt zu kommen.

Einer dieser Übergänge wurde an der Kreuzung der Friedrichstraße mit der Zimmerstraße eingerichtet. Wenige Tage später begannen amerikanische Soldaten mit dem Bau eines Bretterverschlages mitten auf der Friedrichstraße – nicht größer als eine Würstchenbude.

Checkpoint Charlie

Hier konnten fortan Militärs und Diplomaten die Grenze zwischen den Berliner Westsektoren und dem sowjetischen Ostsektor passieren, ohne der östlichen Kontrolle durch Militär und Geheimdienst zu unterliegen. Die Bedeutung dieses "Checkpoint Charlie" genannten Überganges nahm zu, nachdem der DDR-Innenminister bei den westlichen Alliierten durchgesetzt hatte, dass ausländische Diplomaten und Militärs ausschließlich diesen Kontrollpunkt benutzen mussten, wenn sie ohne Kontrolle von West nach Ost wollten.

Der nächste Eskalationsschritt folgte wenige Wochen später: Die DDR-Führung wollte erreichen, dass auch am Checkpoint Charlie Grenzkontrollen durchgeführt werden. Als ein amerikanischer Offizier zu einem Theaterbesuch nach Ost-Berlin reisen wollte, wurde er von DDR-Grenzern festgehalten. Sie wollten ein Exempel statuieren und gleichzeitig herausfinden, mit welchen Gegenmaßnahmen durch den Westen zu rechnen ist. Die Antwort kam prompt: Eine eilig herbeigeholte bewaffnete Eskorte erzwang den Grenzübertritt des amerikanischen Offiziers.

Panzer gegen Panzer

Mitten in Berlin: Sowjetische Panzer rollen auf den Checkpoint Charlie zuBild: picture-alliance / UPI

Der persönliche Berater des amerikanischen Präsidenten, General Lucius Clay, ordnete wegen dieser Verschärfung der Lage an, dass Panzer an der westlichen Seite des Checkpoints Stellung beziehen sollten. Das Zeichen für die Sowjetunion sollte unübersehbar ein: Bis hierhin und nicht weiter, die Freiheit West-Berlins wird garantiert.

Angesichts dieser – wie er meinte – imperialistischen Provokation schickte der Kremlchef Nikita Chruschtschow ebenfalls Panzer an den Checkpoint. Nun standen sich mitten in Berlin mehr als 30 aufmunitionierte Panzer der beiden Hauptakteure des "kalten Kriegs" gegenüber. Ihre Mannschaften waren bereit zu schießen, wie beteiligte Soldaten später zu Protokoll gaben. Weder die westdeutsche Regierung in Bonn noch die SED-Regierung in Ost-Berlin waren an den Entscheidungen der kommenden Stunden beteiligt – alles lag in den Händen der Supermächte UdSSR und USA. Der damalige Sowjet-General Anatoly Gribkov erinnerte sich später in einer TV-Dokumentation der ARD daran, dass die Situation im sowjetischen Oberkommando als "gefährlich eingestuft" wurde. Man sollte – so die Anweisung aus dem Kreml – "keinen Grund für Provokationen“ geben.

Zehn Meter zurück

Die Lösung der Situation kam schließlich nach einem Telefonat zwischen Nikita Chruschtschow und dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy. Es war die erste Bewährungsprobe des sogenannten "roten Telefons", das eine störungsfreie und direkte Leitung zwischen Moskau und Washington sicherstellte.

Auch Tage nach dem Konflikt wurde der Checkpoint Charlie schwer bewacht: US-Einheit mit PanzerfaustBild: AP

Zwar hatten beide Politiker ihre jeweiligen Truppenkommandanten zunächst angewiesen, Gewalt mit Gegengewalt zu beantworten. Dennoch hatten weder Chruschtschow, noch Kennedy ein Interesse daran, die Konfrontation zu einer kriegerischen Auseinandersetzung ausufern zu lassen.

Kennedy fragte den Kremlchef, der über eine Direktleitung ständig mit dem sowjetischen Oberkommando in Ost-Berlin verbunden war, ob er seine Panzer ein Stück zurückziehen könnte. Dann könnte er die amerikanischen Panzer ohne Gesichtsverlust ebenfalls zurückfahren lassen. Chruschtschow erklärte sich einverstanden. Und unmittelbar danach spielte sich am Checkpoint Charlie eine gespenstische Szene ab:

Wie von Geisterhand gezogen, fuhren erst die sowjetischen, dann die amerikanischen Panzer zehn Meter rückwärts, um dort stehen zu bleiben. Zwar waren immer noch ihre Rohre aufeinander gerichtet, aber die Gefahr, dass sie wirklich schießen würden, war gebannt.

Autor: Matthias von Hellfeld

Redaktion: Hartmut Lüning

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