Kongo baut neue Wege für den Rohstoffhunger des Westens
8. Februar 2024Auf einer Strecke von mehr als zehn Kilometern reiht sich ein LKW an den anderen. Planen überdecken die wertvollen Güter, die sie geladen haben: schwere Kupferplatten und Säcke gefüllt mit Kobalt. Wieder einmal geht im kongolesischen Kasumbalesa an der Grenze zu Sambia nichts voran.
Tito Mandela hat den Motor abgestellt und wartet in der Fahrerkabine seines Mercedes-Trucks. "Heute haben wir nur 500 Meter zurückgelegt. Der Tag ist fast vorbei und wir haben immer noch nicht die Grenze erreicht. Eigentlich sollten wir heute am Zoll ankommen. Aber ich weiß nicht, ob wir das schaffen", sagt der 52-Jährige.
Mandela ist Fahrer für eine südafrikanische Spedition, die Rohstoffe aus den Bergbauprovinzen im Süden der Demokratischen Republik Kongo bis nach Durban transportiert. Dort werden sie auf Schiffe verladen, die sie nach Asien bringen, insbesondere nach China.
Korridor durch den Kupfergürtel
Der Hunger nach Rohstoffen für die Energiewende wächst in vielen Ländern. Kongo stemmt mehr als zwei Drittel der weltweiten Förderung von Kobalt - einem Erz, das vor allem in Lithium-Ionen-Batterien Verwendung findet. LKW-Fahrer Mandela hat schon bis zu 50 Kilometer lange Staus erlebt: "Es kann ein, zwei Wochen dauern, bis man die Grenze erreicht", klagt er.
Eine Alternative muss her. Darauf haben sich vor rund einem Jahr Kongo und Sambia verständigt. Sie wollen eine Eisenbahnlinie wiederbeleben, die von den Bergbaugebieten des Kupfergürtels bis zu jener südangolanischen Hafenstadt führt, die dem Wirtschaftskorridor seinen Namen gibt: Lobito.
Ende Oktober 2023 unterzeichneten die USA und die EU eine Erklärung, das Infrastrukturprojekt zu unterstützen - und bei der Suche nach Investoren zu helfen. Von Kosten in Höhe von mehr als einer Milliarde US-Dollar sprechen US-Regierungsvertreter. Mit der Atlantikanbindung wollen sie im Wettkampf mit China punkten. Bislang dominiert die Volksrepublik die strategischen Lieferketten für die Energiewende.
Im Kongo sind die Erwartungen groß: "Das könnte dem Wirtschaftswachstum einen Schub geben", sagt Roger Te-Biasu, der Koordinator von CEPCOR, einer ans kongolesische Transportministerium angedockten Behörde, die sich um Wirtschaftskorridore kümmert. "Im Vergleich zu den anderen Transportwegen der Region ist der Lobito-Korridor der beste." Allein die Transportwege legen dies nahe: Rund 1600 Kilometer sind es von der Minen-Metropole Kolwezi nach Lobito, ins südafrikanische Durban ist es doppelt so weit.
Schiene schlägt Straße
Geringere Distanzen und ein klimaschonender Transport auf der Schiene - das macht das Projekt auch aus ökologischer Sicht interessant. Hinzu kommt: Die Eisenbahntrasse wird keine Schneise in unberührte Natur schlagen, sondern eine historische Trasse wiederbeleben.
Die belgischen und portugiesischen Kolonialregierungen ließen sie zwischen den Jahren 1902 und 1929 durch Kongo und Angola bauen, um Kupfer nach Europa zu exportieren. Auf Angolas Unabhängigkeit im Jahr 1975 folgte ein Bürgerkrieg und die Transportroute brach zusammen.
Nun wird sie wiederbelebt. "Auf angolanischer Seite ist bereits alles fertig", sagt Te-Biasu. "Die Zugtrasse von 1348 Kilometern zwischen Lobito und Luao ist bereits komplett gebaut. Die Straßen sind fertig, der internationale Flughafen in Lobito, das Terminal für die Rohstoffe, der Trockenhafen."
Im kongolesischen Kolwezi gleicht der Bahnhof jedoch noch einem Freilichtmuseum. Jugendliche spielen neben den Gleisen Basketball. Für den Lobito-Korridor ist die kongolesische Seite der "wahre Flaschenhals", wie Te-Biasu es formuliert: "Der Zustand der Eisenbahn auf kongolesischer Seite lässt zu wünschen übrig. Es gibt immer noch keine Investition durch die kongolesische Regierung."
Geld geben und mitreden
Immerhin gibt es bereits einen Betreiber des Transportwegs: Ein Konsortium um den Schweizer Rohstoffhändler Trafigura hat unter dem Namen "Lobito Atlantic Railway" die Nutzungsrechte über einen Zeitraum von 30 Jahren gesichert. Etwa eine halbe Milliarde US-Dollar wollen sie unter anderem in Lokomotiven, Wagons und zusätzliche Infrastruktur investieren. Bis 2035 will das Konsortium den Import und Export auf der Linie auf jährlich drei Millionen Tonnen hochfahren. Nur acht Tage soll die Fahrt zukünftig dauern - gegenüber etwa einem Monat, die ein LKW nach Durban braucht.
Das Konsortium würde kein Monopol zulassen, betont der Rohstoffhändler Trafigura. Was das auch bedeutet: Chinesische Minenbetreiber können ebenfalls über den Korridor exportieren. Das werden sie auch, glaubt Christian Géraud Neema, der für das China Global South Projekt vor allem Chinas Präsenz im französischsprachigen Afrika analysiert: "Langfristig und rein wirtschaftlich betrachtet öffnet bereits der Zugang zum Meer neue Chancen für chinesische Unternehmen."
Auch wenn der Korridor die Distanz zu China verlängert, ist die Schiene am Ende immer noch günstiger als die mühsame LKW-Route. Auf angolanischer Seite hat die China Railways Group mehr als eine Milliarde Dollar in die Eisenbahnlinie investiert. Am portugiesischen Unternehmen Mota-Engil – einer der Partner des Konsortiums – ist eine chinesische Firma mit 30 Prozent beteiligt.
Wettbewerb schafft Wertschöpfung
Dennoch ist der Lobito-Korridor für die USA und Europa von geostrategischer Bedeutung, sagt Neema: "Das ist der erste Schritt: Es braucht überhaupt einen Transportweg. Zum Zweiten stellt sich die Frage, ob man Zugang zu den Rohstoffen hat, die man möchte. Wer einen Blick auf die Karte wirft, der stellt schnell fest, dass es viele chinesische Minenprojekte im Kongo und in Sambia gibt".
Westliche Firmen wie Glencore aus der Schweiz sind da die Ausnahme. Und überhaupt: Derzeit verkaufen die meisten Bergbauunternehmen nach China, wo im Jahr 2022 mehr als drei Viertel des weltweit geförderten Kobalt weiterverarbeitet wurden. Es werde nicht ausreichen, wenn Europa seine Kapazitäten ausbaue, sagt Neema: "An diesem Punkt sollte man sich vielleicht dafür aussprechen, dass die DR Kongo selbst damit beginnt, die eigenen Rohstoffe bis zu einem gewissen Grad vor Ort zu verarbeiten."
Genau das wollen Sambia und die DR Kongo. Sie lassen die Machbarkeit einer gemeinsamen Pilotfabrik für Batterie-Vorprodukte ermitteln. Unterstützung für mehr lokale Wertschöpfung - das ist eine weitere Karte, die im neuen Wettkampf um Afrikas Rohstoffe gezogen werden könnte.