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Gesellschaft

Geld oder Sex für gute Noten

Kossivi Tiassou
26. Oktober 2018

Eltern, die dem Lehrer Geld zustecken. Lehrer, die Schülerinnen zum Sex drängen. Nötigung und Korruption im Schulwesen sind große Probleme in der Demokratischen Republik Kongo. Doch es gibt Widerstand.

Symbolbild:  Schule im Kongo
Bild: picture-alliance/dpa/W. Langenstrassen

Ihren richtigen Namen möchte Lydia nicht nennen. Nachdem sie in einem Kurs an ihrer Schule nicht gut abgeschnitten hatte, habe ihr der Lehrer ganz klar zu verstehen gegeben, was sie tun solle: "Er hat verlangt, dass ich mit ihm schlafe, um die Punkte zu bekommen, die ich brauchte", erzählt sie. "Ich war in seinem Büro. Er sagte: 'Du könntest mir ein Hemd kaufen, aber dann wirst du allen davon erzählen. Du könntest mir eine Hose kaufen, das wäre dasselbe. Aber wenn ich mit dir schlafe, wirst du es niemandem sagen, weil es um deine Würde geht.' Er hat mich gezwungen, es zu tun. Und das ist nicht nur mir passiert", erzählt die junge Frau.

Jeanne heißt ebenfalls anders. Die Schülerin, die eine weiterführende Schule im Kongo besucht, berichtet: "Ich war nicht gut in Geografie. Da bot mir der Lehrer eine sexuelle Beziehung an - für bessere Noten." Sie erzählte ihren Eltern davon, die Druck bei der Schule machten - bis der Lehrer entlassen wurde. So erzählt es die Schülerin.

Bessere Noten ohne Kondom

Henri Mutombo kennt solche Geschichten. Er leitet die Nichtregierungsorganisation "Pour construire", die über diese Praktiken aufklärt und dagegen ankämpft. "Das ist eine Schande!", empört er sich. "Ein Lehrer, der eigentlich ein Vorbild sein sollte, sagt dann: 'Mit Kondom gebe ich dir 12 von 20 Punkten, ohne Kondom vielleicht 18 oder 20.'" Zu den schlimmen Folgen für die Schülerinnen komme das Risiko, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken.

Henri Mutombo warnt, dass Korruption in Schulen auf Dauer dem ganzen Land schadeBild: DW/K. Tiassou

Und das Problem reiche noch weiter, sagt Mutombo: "Lehrer unterrichten nicht mehr angemessen, weil sie wissen, was sie erreichen können, wenn sie den Unterricht komplizierter machen: Die Mädchen geben ihnen ihre Körper, oder die Eltern schicken ihnen Geld. Das ist eine Verkettung, die letztendlich den ganzen Staat zugrunde richten kann. Das prangern wir an, das muss aufhören."

Überfüllte Klassen, unterbezahlte Lehrer

Die Schule sei schließlich der Ort, an dem eine Nation aufgebaut werde, sagt Mutombo. "Wenn schon Schüler durch Bestechung lernen, werden sie vielleicht auch später Korruption zum eigenen Vorteil akzeptieren. Das ist ein Teufelskreis, den wir aufbrechen müssen." Mutombo plant mit seiner Organisation eine Reise durch das ganze Land, um über Bestechung an Schulen und Universitäten aufzuklären.

Doch das Problem sitzt tief, das Bildungswesen ist schwer angeschlagen - vor allem durch die vielen politischen Krisen, die das Land erlebt hat. Schulen sind häufig schlecht ausgerüstet, Klassen sind überfüllt, die Lehrer schlecht bezahlt - ein Nährboden für Korruption.

"Wir machen da nicht mit!"

"Das ist Alltag. Wer nicht aufpasst, kann schnell hineingeraten", sagt Lucienne Munono, Schulleiterin der Accademia-Schule in der Hauptstadt Kinshasa. Sie hat sich dem Kampf gegen Korruption im Schulwesen verschrieben - und ist wachsam. Erst kürzlich habe sie zufällig gesehen, wie ein Lehrer den Vater eines Schülers begrüßte und verdächtig lang dessen Hand hielt. "Ich habe ihn sofort zu mir gerufen", erzählt sie. In der Hand habe er 20 Dollar gehabt. "Das ist moralische Korruption", sagt Munono. "Ich fragte ihn: 'Wirst du nicht bei der nächsten Klassenarbeit versucht sein, diesem Schüler eine bessere Note zu geben, wenn er nicht so gut abschneidet?'" Das Geld habe der Lehrer schließlich in die Schulkasse eingezahlt.

Die Schulleiterin Lucienne Munon kämpft gegen Korruption in ihrer SchuleBild: DW/K. Tiassou

Der harte Kurs der Schulleiterin kommt nicht überall gut an - zum Beispiel, wenn es um die Abschlussprüfungen für die Oberstufe geht. Zur gängigen Praxis gehört, dass Schulleiter oder auch Eltern den zuständigen Beamten Geld dafür geben, damit die Kinder bestehen. "Bei unserer Sitzung mit dem Elternrat sagte ein Elternteil, dass wir alles tun müssten, damit die Kinder ihre Abschlüsse bekämen", empört sie sich. Sie lebe wohl auf einem anderen Planeten und wolle die Zukunft der Kinder riskieren, habe der Mann ihr vorgeworfen. Und gefordert, dass sie wie alle anderen Schulen auch einen Geld-Umschlag für die Beamten vorbereite. Doch Munono bleibt ihren Prinzipien treu und will ihre Schule weiter frei von Bestechung halten: "Wir stellen uns der Herausforderung, wir sagen: Bei Korruption machen wir nicht mit. So einfach ist das." 

Dieser Artikel ist der erste Teil unserer Reportagereihe zum Kongo vor den Wahlen. Weitere Beiträge finden Sie unter unten stehendem Link.

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