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PolitikUganda

Kongo und Uganda: Straßen als Kriegsentschädigung?

Simone Schlindwein in Kampala
1. September 2023

Mit ugandischen Steuergeldern werden im Nachbarland Kongo Straßen gebaut. Doch warum? Und hat dies etwas mit den ugandischen Entschädigungszahlungen nach dem Zweiten Kongo-Krieg zu tun? Die DW ist dem nachgegangen.

Kongo | Bulldozer in Beni, DRC
Ende 2021 schickte Uganda Bulldozer in die DR Kongo - um Straßen zu bauenBild: Alain Uaykani/Xinhua/picture alliance

Als Ugandas Armee Ende November 2021 an Kongos Grenze aufmarschierte, staunten die Kongolesen nicht schlecht. Denn zwischen dem Kriegsgerät kamen Schaufelbagger, Bulldozer und Asphaltmaschinen angerückt. Es wurde gejubelt und geklatscht, denn deren Anblick ist im Kriegsbiet des Ostkongos mit seinen matschigen Schlaglochpisten eine Seltenheit.

Nur wenige Kilometer jenseits der Grenze kam jedoch der ganze Tross ins Stocken. Die einzige, löchrige Holzbrücke über den Semliki-Fluss war für schwere Fahrzeuge nicht passierbar. Also rückten unter Schutz der Soldaten die Straßenbaumaschinen vor, um diese instand zu setzen.

Es ist fast 25 Jahre her, dass ugandische Truppen schon einmal dieselbe Grenze überquert hatten. Damals, während des Zweiten Kongo-Krieges von 1998 bis 2003, waren sie unerlaubt einmarschiert, um Rohstoffe wie Gold und Diamanten zu plündern. Als die Ugander nach fünf Jahren wieder abzogen, war von den Straßen und Brücken nicht mehr viel übrig. 

Dieses Mal kommen Ugandas Soldaten auf Einladung der Demokratischen Republik Kongo. Gemeinsam, so das erklärte Ziel, wollen die Streitkräfte die ugandischen, islamistischen ADF-Rebellen zerschlagen, die sich seit 2007 im unwegsamen Grenzgebiet verschanzt halten. Und dieses Mal wollen die Ugander nicht Kongos Infrastruktur zerstören, sondern sie wieder aufbauen. "Die Straßen zu reparieren ist ein wesentlicher Teil der Militäroperation", bestätigt ein beteiligter Oberst der ugandischen Armee gegenüber der DW.

25 Jahre nach dem Zweiten Kongo-Krieg kämpfen Soldaten beider Länder Seite an Seite (Archiv)Bild: Alain Uaykani/Xinhua/picture alliance

Sicherheit lasse sich in Ostkongos Kriegsgebieten nur durch bessere Straßen herstellen, erklärt Analyst Kristof Titeca. Der Politikprofessor an der Universität in Antwerpen sagt: "Straßensperren sind für die Milizen im Kongo eine wichtige Einnahmequelle." Diese werden meist an baufälligen Brücken oder tiefen Schlaglöchern errichtet, wo sich Lkws nur langsam durchwuchten lassen. Mit besseren Straßen könne man also einerseits den Milizen den Geldhahn zudrehen. Gleichzeitig werde "ein effektives Eingreifen der Streitkräfte in schwer erreichbare Gebiete" ermöglicht, so Titeca.  

Bessere Straßen im Kongo seien auch für Ugandas Wirtschaft vorteilhaft, erklärt Susan Kataike, Sprecherin des ugandischen Transportministeriums. Denn die meisten der Lastwagen auf Kongos holprigen Pisten seien mittlerweile von ugandischen Logistikfirmen, die oft verderbliche Waren wie Kochbananen nach Uganda exportieren. Kataike: "Wir können keine Geschäfte machen, wenn wir nicht sicher sind." Bessere Straßen garantieren zudem, so Kataike, dass die Kochbananen nicht überreif in Uganda ankommen.

Alte Feinde - neue Freunde?

All dies sollte sich nun rasch ändern - spätestens, seit der Kongo im April 2022 der ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft EAC beitrat und deren Territorium damit auf einen Schlag verdoppelte. Der Kongo ist ein wirtschaftliches Schwergewicht für die Region: Er ist zum einen ein gigantischer Absatzmarkt, da dort fast gar nichts selbst produziert wird.

Zum anderen ist er reich an Rohstoffen wie seltene Erden, die durch die Nachbarländer hindurch auf den Weltmarkt müssen. Entlang der Grenze zu Uganda schlummern zudem Ölreserven, die, sollte der Plan aufgehen, durch die nun im Bau befindliche Ostafrikanische Pipeline auf den Weltmarkt gepumpt werden sollen. Von all dem erwarten sich die EAC-Staaten wirtschaftlichen Aufstieg.

Doch es gibt ein Hindernis: Der gewaltige Kongo, immerhin so groß wie Westeuropa, verfügt über ein asphaltiertes Straßennetz von gerade einmal rund 3000 Kilometern - ein Hauptfaktor, warum der Handel nicht in Schwung kommt. Uganda hat deswegen dem Kongo Hilfe beim Straßenbau zugesagt. Nicht zuletzt hofft die Regierung in Kampala, das "strategische" Projekt werde zu einer Verdoppelung der eigenen Exporte in den Kongo beitragen.

Kongolesisches Gold gelangt heute oft auf illegalem Weg auf den Markt - bessere Infrastruktur könnte auch das verändernBild: Alexis Huguet/AFP/Getty Images

Unsere Recherchen haben nun ergeben: Das Straßenbauprojekt ist Teil eines größeren Vorhabens. Der DW liegt ein Partnerschaftsabkommen vom November 2020 vor. Darin bekennen sich die ugandische Straßenbaufirma Dott Services, die die Pisten im Ostkongo teeren soll, und das kongolesische staatliche Minenunternehmen SAKIMA zu einem Joint-Venture namens "Punia Kasese Mining", kurz: PKM, bei welchem Dott Services 70 Prozent der Anteile halten soll.

Dies gibt der ugandischen Firma Zugang zu lukrativen Minenkonzessionen in Kongos Provinz Maniema aber auch in Ituri, direkt an der Grenze zu Uganda, also dort, wo die ugandischen Truppen während des Zweiten Kongo-Krieges gewütet haben, reich an seltenen Erden wie Zinn und Tantalum.

Wie aus dem Dokument hervorgeht, liefert die ugandische Firma Dott Services dafür nicht nur neue Bergbaumaschinen, sondern teert auch das lokale Flugfeld in den Minengebieten. Parallel zu den neuen Straßen sollen Hochspannungsleitungen errichtet werden, um mit ugandischem Strom den industriellen Bergbau im Ostkongo in Schwung bringen. Dabei klagen die Ugander zu Hause selbst über mangelnde Energieversorgung.

325 Millionen Dollar Entschädigung

Dass nun mit Ugandas Steuergeldern Kongos Infrastruktur ausgebaut wird, hat auf beiden Seiten der Grenze Fragen aufgeworfen. Ugandas Regierung hat im August erneut die Weltbank um einen Kredit von über 500 Millionen Euro gebeten, um die maroden Straßen in der Hauptstadt Kampala zu reparieren. Ugandas Parlament hat darüber lange debattiert, immerhin ist die Staatsverschuldung ohnehin zu hoch.

Warum investiert also Uganda seine Steuergelder in Kongos Straßen und nicht in seine eigenen? Gerüchte von einem "umstrittenen Deal" machen überall die Runde. Die DW ist diesen nachgegangen. 

Hintergrund ist: Uganda schuldet dem Kongo Geld - sehr viel Geld. Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag, der Streitigkeiten zwischen Staaten regelt, hatte Uganda bereits 2005 verpflichtet, Entschädigungen für während des Zweiten Kongo-Krieges geplündertes Gold, Diamanten und Tropenholz an Kinshasa zu zahlen.

Die genaue Entschädigungssumme sollte bilateral verhandelt werden. Über zehn Milliarden Dollar verlangte Kongos Regierung zunächst. Uganda argumentierte, eine solch hohe Summe würde das Land ruinieren und weigerte sich. Kongo wandte sich deswegen 2015 erneut nach Den Haag. Im Februar 2022 legte das Gericht 325 Millionen Dollar als neue Entschädigungssumme fest - die höchste in der Geschichte der internationalen Justiz.

Eine ugandische Militärkolonne 2001 im Grenzgebiet zwischen Uganda und der DR KongoBild: PETER BUSOMOKE/AFP

Immerhin: Damit Ugandas Staatshaushalt daran nicht bankrott geht, legte das Gericht fest, dass die Summe in fünf Raten von je 65 Millionen Dollar jährlich beglichen werde. Darin seien enthalten: 225 Millionen Dollar für Personenschäden, 40 Millionen Dollar für Sachschäden sowie 60 Millionen Dollar für die geplünderten Ressourcen.

Diese erste Rate aus Uganda entspricht nun rund dem Anteil, der als kongolesischer Beitrag für das gemeinsame Straßenbauprojekt eingeplant ist. Und die Gesamtsumme der Entschädigung ist fast äquivalent zu den Gesamtkosten für Kongos Straßen. Alles Zufall?

Ugandas Tageszeitung Daily Monitor berichtet in diesem Zusammenhang von einem geheimen Deal, wonach das Entschädigungsgeld letztlich in den Straßenbau investiert werde. Eingefädelt habe diese Vereinbarung, so der Daily Monitor, Caleb Akandwanaho alias Salim Saleh, der Bruder von Ugandas Präsident Yoweri Museveni.

Ausgerechnet er hat laut einem Bericht von UN-Ermittlern als General im Zweiten Kongo-Krieg die großangelegten Plünderungen der ugandischen Truppen kommandiert. Jetzt soll er angeblich dafür gesorgt haben, dass die Entschädigungszahlungen erneut dem eigenen Land zugute kommen?  

Kriegszerstörungen in der kongolesischen Stadt Kisangani, Juli 2000Bild: Hrvoje Hranjski/AP/picture alliance

Pünktlich zum vereinbarten Datum am 1. September 2022 überwies Uganda die erste Rate nach Kinshasa. Kongos Justizministerin Rose Mutombo berstätigt, das Geld sei auf einem Konto des Ministeriums hinterlegt und solle langfristig den Kriegsopfern zugute kommen. Im Kongo wird seit langem über einen Opferfonds diskutiert, der individuelle Leistungen verspricht. Ausbezahlt wurde bislang jedoch nichts. Der IGH in Den Haag "ermutigt" in seinem Urteil Kongos Behörden, das Geld in Projekte zu investieren, die den betroffenen Gemeinden "als Ganzes" zugute kämen. Also beispielsweise in Infrastruktur.

Riskante Straßenprojekte im Kriegsgebiet

Die Firma Dott Services, die nun im Kongo zum Einsatz kommen soll, hat ihren Sitz auf einem der zahlreichen Hügel von Ugandas Hauptstadt Kampala. Sie ist die größte ugandische Straßenbaugesellschaft und hat bereits zuvor in Tansania und im Südsudan Straßen geteert. Dennoch ist der Auftrag im Kongo der bislang teuerste und risikoreichste, gibt der Firmenchef offen zu.

Ein offizielles Interview lehnt der Direktor ab, ist aber bereit, Hintergrundinformationen zu geben, die mit den Gerüchten aufräumen sollen.

Ugandas Medien spekulieren nämlich darüber, wie die Firma an den Auftrag im Gesamtumfang von 335 Millionen Dollar gekommen sei. Über Beziehungen zu Ugandas Präsidentenfamilie wurde gemunkelt, über Korruption. Doch wie sowohl Dott Services als auch Ugandas Transportministerium gegenüber der DW nun bestätigen: Die Firma war während der Corona-Pandemie im November 2020, als ein radikaler Lockdown herrschte und die Wirtschaft am Boden lag, das einzige Unternehmen, das den Ausschreibungsprozess bis zum Ende mitgemacht hat. Es gab also schlichtweg keine Konkurrenz.

Laut dem zwischen Uganda und Kongo geschlossenen Vertrag soll Dott Services nun 1200 Kilometer Überlandstraßen entlang dreier wichtiger, grenzüberschreitender Handelsrouten ausbauen. Die Bauarbeiten erfolgen in zwei Phasen: Zunächst sollen die Strecken geebnet und vierspurig ausgebaut werden, in der zweiten Phase kommt dann die Asphaltschicht drauf.

Zwischen den Staaten wurde vereinbart, dass sich beide Länder zu je 20 Prozent an den Gesamtkosten beteiligen, womit die erste Phase beglichen werden soll. Die zweite Phase finanziert Dott Services über Kredite, deren Ausgaben langfristig über ein Maut-System wieder eingefahren werden sollen. Sprich: Die Straßennutzung wird kostenpflichtig.

Schnellstraßen, die über Maut refinanziert werden - das gibt es auch in Uganda. Dort gibt es viel Kritik am von einem chinesischen Konsortium gebauten Kampala-Entebbe Expressway.Bild: Wibke Woyke/Zoonar/picture alliance

Bereits jetzt gibt die Firma gegenüber der DW zu, dass sich die Gesamtkosten auf 500 Millionen Dollar erhöht haben und wahrscheinlich weiter steigen werden. Der Grund: Die Verzögerung auf gewissen Streckenabschnitten.

Die rund 100 Kilometer von der Grenzstadt Bunagana in die Provinzhauptstadt Goma führen mitten durchs Kriegsgebiet. Nur wenige Tage nachdem Dott Services im Juni 2022 ein Dutzend neue Baumaschinen am Grenzposten in Stellung gebracht hatte, eroberten die Rebellen der M23 die Gegend. Die Grenze - und damit der wichtigste Handelsknotenpunkt zwischen Uganda und Kongo - ist seither offiziell geschlossen. Bis heute parken die Bulldozer auf ugandischer Seite des Schlagbaums unbewegt und treiben die Kosten täglich in die Höhe.

Die Grenze in Bunagana ist zu - auch für die im Kongo benötigten BaumaschinenBild: Glody Murhabazi/AFP/Getty Images

Dott Services bestätigt: Für die erste Bauphase hat Ugandas Transportministerium im Oktober 2021 rund 66 Millionen US-Dollar an Dott Services überweisen. Kongos Infrastrukturministerium bezahlte dieselbe Summe aus seinem eigenen Budget. Sprich: Es handelt sich also nicht konkret um genau jenes Geld, das Uganda als Kompensation ans kongolesische Justizministerium überwiesen hat.

Auf Anfrage, ob diese Rate als Teil des Entschädigungssumme betrachtet werde, erklärt Ugandas Transportministerium ausdrücklich: "Das ist eine andere Vereinbarung, mit der Entschädigung hat das überhaupt nichts zu tun", so Sprecherin Kataike.

Ugandas Finanzministerium betont auf Nachfrage der DW allerdings, dass über die "Modalitäten" der Entschädigungszahlungen nach wie vor verhandelt werde. Und immerhin: Kongos Staatshaushalt bekommt aus Uganda 60 Millionen Dollar an Entschädigung und gibt 65 Millionen Dollar für Straßen aus – damit ist der tatsächliche Eigenanteil für Kongos Gesamthaushalt also gering.

Anfang September wird jetzt die zweite Rate der vom IGH festgelegten Summe fällig. "Wir werden unseren Verpflichtungen nachkommen", bestätigt Jim Mugunga, Sprecher des Finanzministeriums der DW. Vor dem Hintergrund der "neuen guten Beziehungen" erhoffe sich Uganda von den Kongolesen allerdings die Bereitschaft, über die "Zahlungsweise" zu verhandeln. Sprich: Uganda erhofft sich offenbar tatsächlich, dass die instand gesetzte Infrastruktur als Teil der Kompensation betrachtet werde.

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