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Abschied von Muhammad Ali im Kongo

Saleh Mwanamilongo (Kinshasa), Julia Hahn9. Juni 2016

In Kinshasa hat Muhammad Ali Geschichte geschrieben: "Rumble in the Jungle", 1974. Sein Sieg war auch ein Sieg für das afrikanische Selbstbewusstsein. Ein Besuch an dem Ort, an dem Ali zur Legende wurde.

Junge Boxer in im Muhammad Ali Club in Kinshasa Foto: DW/S. Mwanamilongo
Bild: DW/S. Mwanamilongo

Die Erben von Muhammad Ali im Kongo

01:25

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Sie trainieren im Freien, etwa 20 Männer und Frauen gemeinsam. Groß ist ihr Box-Klub nicht, aber groß ist die Geschichte. Die jungen Sportler trainieren genau dort, wo sich Muhammad Ali am 30. Oktober 1974 unsterblich gemacht hat: im Stadion "Tata Raphael", im Norden von Kinshasa, im Herzen Afrikas.

Was in der Nacht im Ring passierte, wird Jiress Tshibanda Wata nie vergessen: Zwei afro-amerikanische Boxer, vielleicht die besten aller Zeiten: Muhammad Ali, ein abgehalfterter Ex-Champ, gegen George Foreman, den jungen Weltmeister. "Ali, boma ye!", brüllen die Fans: "Ali, töte ihn!" Das Stadion bebt, 100.000 Zuschauer wollen den Kampf der Giganten sehen. "Ich war damals noch sehr jung, gerade mal 18 Jahre alt", erinnert sich Tshibanda Wata."Wir waren schon nachmittags gegen 14 Uhr da, Miriam Makeba und James Brown haben gespielt."

Damals hieß die Demokratische Republik Kongo noch Zaire. Ex-Diktator Mobuto hatte das Sportereignis samt Musikfestival eingefädelt, um seinem Regime eine friedliche Fassade zu geben.

Tshibanda Wata entdeckte damals seine Leidenschaft fürs Boxen. Heute ist er 60 Jahre alt und Coach in dem kleinen Klub im Stadion. Die Handschuhe und Schutzpolster seiner Boxer haben schon bessere Zeiten gesehen, aber das kümmert hier niemanden. Was zählt, sind Wille und Ausdauer. Das hat schon Muhammad Ali vorgemacht.

Box-Trainer Jiress Tshibanda WataBild: DW

Held eines Kontinents

Nicht nur sportlich imponiert der vorlaute Boxer aus Arizona den Afrikanern: Er gilt als einer, der sich gegen die weißen Eliten der USA auflehnt. Schon 1964 reist er durch Ägypten und Nigeria, trifft Kwame Nkrumah, den ersten Präsidenten des unabhängigen Ghana. 1965 konvertiert er zum Islam - aus Cassius Marcellus Clay wird Muhammad Ali. Spätestens mit seinem Nein zum Kriegsdienst in Vietnam avanciert er endgültig zur Protestfigur. Viele Afrikaner sehen in ihm den schwarzen Helden, den Heimkehrer. "Als wir gehört haben, dass Ali gestorben ist, hat uns das sehr getroffen. Für uns ist er unsterblich!", sagt Tshibanda Wata. "Jedes Jahr am 30. Oktober feiern wir den Jahrestag dieses Jahrhundertkampfes."

Und diesen Kampf kennen der Coach und seine Boxer in- und auswendig: Der sieben Jahre jüngere "Big George" Foreman gilt damals als unschlagbar, dem 32 Jahre alten Ali prophezeien viele ein schnelles K.O. und das Ende seiner Karriere. Doch dann kommt alles ganz anders: In den ersten Runden sorgt Ali für Überraschungen. Foreman verausgabt sich, während Ali die wütenden Schläge an den Seilen abfedert und seinen Gegner immer wieder fragt: "Ist das alles, George?" Ende der achten Runde geht Foreman endgültig zu Boden. Ali holt sich in Kinshasa den Weltmeister-Titel zurück, sieben Jahre, nachdem er ihn verloren hat.

Vorbild für den Nachwuchs

Auch Modestine Munga - pinkfarbene Boxhandschuhe, Tattoos auf dem linken Oberarm - hat schon einige Titel geholt. Seit fünf Jahren trainiert die 22-Jährige in der kleinen Box-Schule. 2013 war sie afrikanische Vizemeisterin. Als sie geboren wurde, war Alis Karriere längst vorbei. "Ich fühle mich wie seine Enkelin. Klar, ich habe ihn nie erlebt, aber unsere Trainer erzählen oft von ihm", sagt sie. "Er ist der größte Boxer aller Zeiten und ich träume davon, einmal so zu werden wie er."

Boxerin Modestine MungaBild: DW/S. Mwanamilongo

Viele hier hätten sich gewünscht, Ali wäre nach 1974 einmal persönlich vorbei gekommen, um Kinshasa und die Boxschule zu besuchen. 2009 kam zumindest seine Tochter Khalia - und hat dem Klub auch gleich einen neuen Namen verpasst: "La tête haute de Muhammad Ali", was so viel bedeutet wie: "Das erhobene Haupt von Muhammad Ali".

Inspiration für Kongos Boxer

Der neue Name prangt jetzt in rot auf einem Plakat am Eingang der Schule. Der Stolz ist vielen hier deutlich anzuhören. "Ali hat viele Boxer hier im Kongo inspiriert und daran wird auch sein Tod nichts ändern", sagt ein Coach, der sich als Coeur de Lion Tshibanda, als "Löwenherz" vorstellt. Er trainiert Kongos beste Boxer und sagt, er habe Ali kurz vor dem großen Kampf 1974 sogar persönlich getroffen. Damals war er gerade einmal zehn Jahre alt. "Unsere Regierung fördert das Boxen nicht besonders, aber wir denken: der Sport und Muhammad Ali haben ein Denkmal verdient. Das würde auch den Tourismus ankurbeln."

Seit 2009 trägt der Klub Muhammad Alis NamenBild: DW/S. Mwanamilongo

Wenn Ali am Freitag in seiner Heimat USA beigesetzt wird, wollen die Kongolosen noch einmal für ihr Idol in den Ring steigen: Mehrere Kämpfe sollen zu seinen Ehren stattfinden, in dem berühmten Stadion im Norden von Kinshasa. Im Herzen Afrikas.

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