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Konjunktur als Nebensache

25. Januar 2017

Die SPD kriegt eine neue Führung, und das hat Auswirkungen auf die Regierung. Sigmar Gabriel, noch Parteichef, verlässt das Wirtschaftsministerium. Er verabschiedete sich mit guten Konjunkturdaten.


Sigmar Gabriel stellt Jahreswirtschaftsbericht vor
Sigmar Gabriel mit dem Jahreswirtschaftsbericht in BerlinBild: Picture-Alliance/dpa/B. Pedersen

Es eine Pflichtveranstaltung für den jeweiligen Bundeswirtschaftsminister. Am Anfang eines jeden Jahres stellt er den Jahreswirtschaftsbericht vor, der einen Ausblick auf den zu erwartenden Konjunkturverlauf gibt und das wirtschaftspolitische Szenario für die kommenden Monate umreißt. "Für inklusives Wachstum in Deutschland und Europa", so ist der Bericht für 2017 überschrieben, den Sigmar Gabriel in Berlin an diesem Mittwoch im Kabinett und im zuständigen Bundestagsausschuss vorgelegt hat.

Bei der anschließenden Präsentation in der Bundespressekonferenz gab sich Gabriel betont routiniert und bemüht, die Konjunkturaussichten im Mittelpunkt zu halten. Eine nicht ganz leichte Übung, hatte der noch amtierende Wirtschaftsminister mit seiner Entscheidung, auf die SPD-Kanzlerkandidatur zu verzichten und als Konsequenz daraus auch den Parteivorsitz abzugeben, doch für eine handfeste Überraschung und einen turbulenten Dienstag gesorgt.

Brigitte Zypries folgt nach

Bereits am Freitag will der 57-Jährige, der den Posten des Vizekanzlers behalten will, vom Wirtschaftsministerium ins Außenministerium wechseln. Neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, wie das Amt vollständig heißt, soll die SPD-Politikerin Brigitte Zypries werden, die von 2002 bis 2009 Bundesjustizministerin war. Erst im Kabinett Gerhard Schröders, dann unter Angela Merkel. Derzeit ist die 63 Jahre alte SPD-Politikerin Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Ihre Zuständigkeiten: Digitalpolitik, Außenwirtschaft, Gründerförderung sowie Industriepolitik und Luft- und Raumfahrt.

Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Ein Personalwechsel, der auf den ersten Blick nicht ganz einfach nachzuvollziehen ist, da Gabriel mit seinen Aufgaben bislang durchaus zufrieden schien. Sein Wechsel ins Außenamt ergebe sich allein aus der Notwendigkeit, dass der Posten neu besetzt werden müsse, argumentiert Gabriel. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier soll am 12. Februar zum neuen Bundespräsidenten gewählt werden. Im Wirtschaftsministerium werde sich in den noch verbleibenden acht Monaten bis zur Bundestagswahl nicht viel ändern. "Meine Nachfolgerin wird für Kontinuität sorgen", so Gabriel.

Wirtschaft und Gemeinwohl

Mit welchem Gefühl er nach mehr als drei Jahren aus dem Amt scheide, wird der Wirtschaftsminister gefragt. Der antwortet ganz abgeklärt, in der Politik gebe es immer Veränderung und jeder Abschied sei mit der Freude auf etwas Neues verbunden. "Das ist bei mir auch so." Im Rückblick hat er das Gefühl, in den gut drei Jahren als Wirtschaftsminister durchaus etwas erreicht zu haben. Wichtig war für den langjährigen SPD-Chef, sein Haus zu einem "Ministerium der Sozialpartner" zu machen, betont Gabriel. "Wir haben das Wirtschaftsministerium endlich wieder zu dem gemacht, was es sein sollte, nämlich das Ministerium der deutschen Wirtschaft und zu der gehören Unternehmen wie Gewerkschaften."

Als bestes Beispiel für den Versuch, Gemeinwohlgedanken in die Entscheidungen eines Wirtschaftsministers einfließen zu lassen, erinnert Gabriel den Streit um die Übernahme der Supermarktkette Kaiser's/Tengelmann. "Eine meiner wichtigsten Entscheidungen war, 15.000 Arbeitsplätze bei Tengelmann zu sichern." Der Erhalt von Arbeitsplätzen sei in diesem Fall zum ersten Mal Grundlage einer Ministererlaubnis gewesen. "Das gab es vorher noch nicht."

Über Kaiser's/Tengelmann wurde 2015 im Ministerium in großer Runde verhandeltBild: picture-alliance/dpa/Wolfgang Kumm

Auch in der Energiepolitik sei viel verändert worden. "Wir haben die verbindungslosen Zahnräder zu einem Getriebe zusammen gebracht, um die Kraft des Motors auf die Straße zu kriegen."

Auch 2017 ein Konjunkturplus

Ach ja, da war ja noch etwas. Der Jahreswirtschaftsbericht. "Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer sehr guten Verfassung, die wirtschaftspolitische Bilanz der Bundesregierung kann sich, glaube ich, wirklich sehen lassen", gibt Gabriel zu Protokoll. Für das laufende Jahr sei "eine Zunahme des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts um 1,4 Prozent und damit eine Fortsetzung des Wachstumstrends" zu erwarten.

Wichtig sei vor allem, dass das Wachstum bei den Bürgern ankomme. Die Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer sind seit 2013 durchschnittlich um mehr als 1,5 Prozent pro Jahr gestiegen. Mit 6,1 Prozent ist die Arbeitslosigkeit auf dem tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung. Er sei ja normalerweise nicht bekannt dafür, zurückhaltend zu sein, so Gabriel, aber: "Ich möchte nicht wissen, was für ein Feuerwerk meine Vorgänger veranstaltet hätten, wenn sie dieses Niveau der Arbeitslosigkeit auch als Ergebnis der wirtschaftlichen Entwicklung zu verzeichnen hätten."

Donald Trump gefährlich für Deutschland?

"Auf dieser guten Entwicklung dürfen wir uns jedoch nicht ausruhen, sondern müssen die richtigen Weichen für die Zukunft stellen", so Gabriel, der keinen Zweifel daran ließ, dass nach der Personalentscheidung in der SPD der Wahlkampf in Deutschland eröffnet ist. "Wir hatten ja im Vergleich zu früheren Zeiten fast schon goldene Jahre in der wirtschaftlichen Entwicklung und ich glaube nicht, dass die einfach so fortzuschreiben sind."

Donald Trump: Wie groß ist das Risiko für die Weltwirtschaft?Bild: Picture-Alliance/dpa/A. Harnik

Zu einem großen Risiko könnte die wirtschaftliche Entwicklung der USA unter dem neuen Präsidenten Donald Trump werden, so Gabriel. "Wenn es dem Präsidenten gelingt, mit einem großen Investitionsvolumen viele Arbeitsplätze neu zu schaffen, müsste das eigentlich dazu führen, dass die Zinsen in den USA steigen, aber wenn dann jemand in der amerikanischen Zentralbank sitzt, der Diener amerikanischer Politik ist und verhindert, dass die Zinsen steigen, dann wird das massive Auswirkungen für den Rest der Weltwirtschaft und für die Konkurrenzfähigkeit auch Deutschlands haben."

Investieren statt sparen

Die deutsche Wirtschaft habe den Vorteil, dass sie weltweit breit aufgestellt und nicht abhängig von einem Markt sei. Es gebe auch keinen Grund für Panik oder gar Unterwürfigkeit. "Schutzzölle auf Zulieferungen werden eher auch der US-Regierung langfristig schaden, Abschottung macht am Ende alle ärmer", so Gabriel, der mit Blick auf Deutschland mehr Investitionen insbesondere in die digitale Infrastruktur fordert.

Es sei wichtig, nicht nur ans Sparen zu denken, so der Vizekanzler mit einem Seitenhieb gegen den Koalitionspartner CDU/CSU. "Zukunft gewinnen wir nur mit einem großen, massiven und mutigen Investitionspakt." Wenn es finanzielle Spielräume und Haushaltsüberschüsse gebe, dann müsse Vorfahrt für Investitionen gelten. Union und SPD streiten aktuell über die Verwendung des Haushaltsüberschusses von 6,2 Milliarden Euro aus 2016. Gibt es keine Einigung, fließt das Geld automatisch in die Rücklage für Flüchtlingskosten.

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