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Konkurrenz aus dem Osten für Airbus und Boeing

Andreas Spaeth
17. Januar 2022

Der Angriff auf das Duopol westlicher Flugzeughersteller hat begonnen: Russlands Konkurrent MC-21 wurde jetzt zugelassen, auch China drängt auf den Markt. Wie gefährlich wird das für Boeing und Airbus?

Maschine vom Typ C191 - hier beim ersten Flug 2017
Maschine vom Typ C191 - hier beim ersten Flug 2017Bild: Imago/Xinhua

Sie heißen MC-21 und C919, und sie wollen Airbus und Boeing und ihre seit Jahrzehnten etablierten Flugzeug-Bestseller herausfordern. Beides sind zweistrahlige Schmalrumpf-Passagierflugzeuge, die MC-212 kommt aus Russland, die C919 aus China. Beide sind Jahre verzögert in ihrer Entwicklung und hatten bisher für eher wenig graue Haare bei den westlichen Platzhirschen gesorgt.

Doch nach vielen Ankündigungen und Verschiebungen ist es jetzt soweit: Die MC-21 wurde im Dezember 2021 für den Passagierverkehr zugelassen und soll in diesem Jahr erstmals in Russland im Liniendienst fliegen. Die Chinesen wollten ihre C919 bereits zum gleichen Zeitpunkt an die erste Kunden-Fluggesellschaft ausliefern, doch das verzögert sich nun auch wegen eines zeitweiligen Lockdowns an der Testbasis Xi'an. Ob die Inbetriebnahme überhaupt noch 2022 erfolgen kann, ist ungewiss.

Die russische MC-21 auf der Dubai Air Show im November 2021Bild: Marina Lystseva/TASS/dpa/picture alliance

Kommt jetzt eine Zeitenwende?

Klar ist aber: Der Zeitpunkt ist gekommen, wo es neue Flugzeuge im extrem lukrativen Hauptsegment des Marktes gibt, die Airbus und Boeing ernst nehmen müssen. Zumal zumindest die MC-21 in Teilbereichen nach Experten-Einschätzung den gängigen Modellen von Airbus und Boeing überlegen sein könnte. Was im übrigen kein Wunder ist, denn die beiden Platzhirsche aus Amerika und Europa ruhen sich quasi seit vielen Jahrzehnten auf ihren Lorbeeren aus: Die Boeing 737 stammt in ihrer Urform von 1967, der Airbus A320 von 1987.

Im Gegensatz zu China verfügt Russland bereits lange über eine zivile Luftfahrtindustrie, die allerdings seit dem Ende des Kommunismus bisher stets ein Schatten ihrer früheren Bedeutung zu Sowjetzeiten geblieben war. Obwohl fast alle alten Standorte in dem Riesenland noch existieren, wurden im ganzen Jahr 2020 in Russland gerade mal 14 Zivilflugzeuge gebaut. Das schafft Airbus in guten Zeiten in seinen verschiedenen Werken innerhalb weniger Tage.

Einige traditionsreiche russische Konstruktionsbüros wie Tupolew oder Iljuschin haben seit 30 Jahren keinen einzigen zivilen Entwurf herausgebracht. Bis zur Typenzulassung der Irkut MC-21-300 als Basismodell am 28. Dezember 2021 durch die russische Luftfahrtbehörde war es ein langer, dornenreicher Prozess, der Erstflug fand bereits am 28. Mai 2017 statt, danach absolvierten vier Prototypen das Testflugprogramm.

Rumpf einer neuen MC-21 auf der Air Show 2021 in DubaiBild: Andreas Spaeth/DW

Bessere Wirtschaftlichkeit?

Die auf 163 Sitze in zwei Klassen ausgelegte Standardversion der MC-21 kann bei Kapazität und Reichweite nach derzeitiger Brancheneinschätzung durchaus mithalten. "Auf dem Papier hätte die MC-21 bessere Flugleistungen als der neueste Airbus A320neo", sagt Nico Buchholz, langjähriger oberster Flotteneinkäufer der Lufthansa und mit den neuen Flugzeugkonzepten vertraut. Experten wie er halten es für gut möglich, dass die MC-21 eine bessere Wirtschaftlichkeit aufweist als ihre westlichen Konkurrenten. Ob das bei Effizienz, Zuverlässigkeit und Leistung auch gilt, muss sich allerdings erst im Flugbetrieb erweisen, der noch in diesem Sommer bei der Aeroflot-Tochter Rossiya beginnen soll.

Auch der Passagierkomfort, traditionell keine Stärke sowjetischer und später russischer Verkehrsflugzeuge, soll dabei nicht zu kurz kommen. Schon in der Kabine erwartet die Fluggäste ein großzügigeres Raumgefühl: Die MC-21 wird nicht umsonst als "das breiteste Schmalrumpfflugzeug der Welt" angepriesen - sie ist innen elf Zentimeter breiter als die A320 und bietet sogar 27 Zentimeter mehr Kabinen-Durchmesser als die Boeing 737. Das ist nicht genug für die Airlines, um mehr als sechs Sitze je Reihe einzubauen, aber beschert den Passagieren mehr Ellenbogenfreiheit und einen breiteren Mittelgang, wie ein Besuch in der MC-21 kürzlich auf der Dubai Air Show bewies. Stolz zeigte der Hersteller auch, dass die Fenster der MC-21 bedeutend größer sind als bei der westlichen Konkurrenz.

Willkommen an Bord! Passagierkabine einer MC-21Bild: Andreas Spaeth/DW

Mögliche Sanktionen als Risiko

Allerdings stehen die Zeichen der Zeit gerade nicht auf der Seite russischer Verkehrsflugzeuge, weil sie bisher nicht ohne vielfältige Komponenten westlicher Zulieferer auskamen, vor allem bei Triebwerken und Verbundwerkstoffen. Die MC-21 besteht zu 40 Prozent aus Verbundmaterial (Komposit), ein Rekord in dieser Flugzeugklasse, das aber bisher aus den USA und Japan bezogen wurde. Genau wie die jetzt zugelassene MC-21-300 von den modernen amerikanischen Pratt & Whitney PW1400G-Getriebefans angetrieben wird.

Doch Russland kann sich derzeit nicht darauf verlassen, dass in der angespannten politischen Lage diese Lieferanten weiter zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sieht man in Moskau wichtige Absatzmärkte in Ländern wie dem Iran, denen man ohnehin keine Flugzeuge mit westlichen Bauteilen liefern dürfte. Das in Dubai vorgestellte Flugzeug mit der Typenbezeichnung MC-21-310 ist bisher noch nicht zugelassen, denn es wird von dem neuen russischen Turbofan-Triebwerk Awiadwigatel PD-14 angetrieben. Am 25. Dezember 2021 flog außerdem erstmals ein weiterer Prototyp der MC-21-300 mit neuen Tragflächen aus russischen Polymer-Verbundwerkstoffen, eine patentierte Eigenentwicklung.

Blick ins Copckpit einer MC-21Bild: Andreas Spaeth/DW

Qualität besser als in Hamburg?

Derzeit gibt es für die MC-21 nach Herstellerangaben 175 Festbestellungen ausschließlich russischer Airlines und "mehrere hundert Absichtserklärungen". Das eigene Land bietet dabei einen bedeutenden Absatzmarkt: "Nach den Prognosen werden in den nächsten 20 Jahren allein in Russland 800 Flugzeuge dieser Größe gebraucht", sagt Juri Slyusar, Generaldirektor der United Aircraft Corporation (UAC), der Mutterfirma von Irkut. "Wenn wir die Effizienz des Flugzeugs im Inland bewiesen haben, werden wir uns dem internationalen Markt zuwenden", kündigt Slyusar an.

Eigenbedarf ist auch einer der wichtigsten Aspekte beim Bau der chinesischen C919 für 156 bis 168 Fluggäste. "Der chinesische Flugzeugmarkt allein hat ein Volumen, bei dem sich größere Stückzahlen absetzen lassen, unabhängig von den im Land betriebenen Airbus- und Boeing-Jets", sagt Nico Buchholz.

Außerdem hat China einen Vorsprung gegenüber den Russen, der für den Erfolg der C919 ausschlaggebend sein könnte. "Den Bau eines Flugzeugs zu industrialisieren und in gleicher Qualität Hunderte oder Tausende davon zu bauen, das wird die große Herausforderung", weiß Buchholz. "Weil die Chinesen mehr Erfahrung haben in der industriellen Herstellung auch größerer Stückzahlen von Flugzeugen als die Russen, könnten sie eher zur Konkurrenz für Airbus und Boeing werden. Dazu haben westliche Hersteller selbst beigetragen, die wie Airbus in China eigene Endmontagelinien betreiben. Deren Qualität dort war zeitweise besser als die in Hamburg gefertigten Airbus-Jets", erklärt der frühere Lufthansa-Flugzeugeinkäufer.

 

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