Keine überraschenden Änderungen im Europaparlament
7. Juni 2009Konservative und Sozialisten haben im Europäischen Parlament bislang oft in einer Art informellen großen Koalition die Mehrheiten für die Gesetze beschafft. Das wird auch nach dieser siebten europäischen Direktwahl so bleiben. Wahrscheinlich werden die Liberalen als Mehrheitsbeschaffer eine größere Rolle spielen. Je schwächer Sozialdemokraten und Sozialisten werden, desto wichtiger werden die Liberalen. Nachdem in Deutschland, Österreich, Bulgarien und Großbritannien die Sozialdemokraten verloren haben, dürfte die Gesamtzahl der Sitze der sozialistischen Fraktion im Europaparlament sinken.
Die Zahl der Abgeordneten von europafeindlichen und rechtsextremen Parteien dürfte steigen. Ob es den Europafeinden und Europaskeptikern jedoch gelingt eine Fraktion zu bilden, ist fraglich. Der letzte Versuch scheiterte schon nach wenigen Monaten. Auf politische Entscheidungen haben die europafeindlichen und rechtsextremen Kräfte wenig Einfluss. Ihre Gesamtsitzzahl kam im Parlament, das von 785 auf 736 Sitze verkleinert wird, nicht über 10 Prozent hinaus.
Der Trend, amtierende Regierungen abzustrafen, wurde nur in einigen Staaten durchbrochen. Die niedrige Wahlbeteiligung führt aber dazu, dass große Parteien insgesamt verlieren und kleinere Partei zulegen. Die geringe Wahlbeteiligung - in einigen Staaten lag sie nur bei 20 Prozent - muss die Europapolitiker erschrecken. Wieder ist es ihnen nicht gelungen, die Menschen von der Bedeutung Europas zu überzeugen.
27 Wahlkämpfe in 27 Mitgliedsstaaten
Die Gründe für die Wahlergebnisse in den 27 Mitgliedsstaaten sind sehr unterschiedlich. In Großbritannien wurde die Regierungspartei wegen eines Spesenskandals abgestraft. Die Europagegner konnten zulegen, obwohl auch sie in Brüssel in Spesenskandale verwickelt waren. In Bulgarien, Ungarn, Slowenien, Lettland, Irland, Griechenland und auf Malta gewann die nationale Opposition. In Deutschland, Italien und Frankreich konnten sich die regierenden Konservativen als stärkste Kraft behaupten. Es gibt aber auch Ausnahmen: In der Slowakei gewannen die regierenden Sozialdemokraten die meisten Stimmen bei der Europawahl.
Barroso bleibt Kommissionspräsident
Erfreulich ist, dass rechtsextreme und ausländerfeindliche Bewegungen in Tschechien und Ungarn weniger Stimmen bekommen haben als befürchtet. Erschreckend ist andererseits, dass die Kräfte in Österreich verteilt auf mehrere Parteien fast ein Drittel der Stimmen erringen konnten.
Mit der Stärkung der konservativen und liberalen Kräfte haben die europäischen Wählerinnen und Wähler auch eine Personalentscheidung getroffen. Sie bestätigten indirekt den EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso im Amt. Der stand zwar nicht zur Wahl, aber die Konservativen hatten sich dafür ausgesprochen, Barroso für weitere fünf Jahre mit der Führung der EU-Verwaltung in Brüssel zu betrauen. Üblicherweise hat der Kommissionspräsident die politische Farbe der größten Parlamentsfraktion. Er wird aber von den Staats- und Regierungschefs der EU ernannt, nicht vom Parlament gewählt.
Deutschland im Trend
Im größten EU-Mitgliedsland Deutschland spiegelt sich der europäische Trend wider: Die Sozialdemokraten haben es schwer, und die Konservativen können ihre Position behaupten. In Deutschland, wo Konservative und Sozialdemokraten in einer großen Koalition regieren, wird Ende September das nationale Parlament neu gewählt. Die Europawahl war weithin als Test für die Wahlen zum Bundestag gesehen worden. Für SPD-Kanzlerkandidat und Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier dürfte es jetzt schwer oder gar unmöglich werden, die konservative Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Kanzleramt zu vertreiben. Die strebt eine Koalition mit den Liberalen an, die stark zugelegt haben. Weniger Proteststimmen als erwartet konnten die Sozialisten in der Partei die Linke auf sich vereinigen. Auch das könnte ein Signal für die Bundestagswahl sein.
Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Mareike Röwekamp