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PolitikEuropa

Konservative vor Comeback?

Andreas Noll
25. Juni 2021

Jahrzehntelang haben Sozialisten und Konservative das politische Leben in Frankreich bestimmt. Nach dem Wahlsieg von Emmanuel Macron 2017 lagen beide Parteien am Boden. Jetzt feiern sie wieder Erfolge.

Frankreich Xavier Bertrand mit Mitgliedern der Partei "Les Républicains"
Gute Aussichten auf die Präsidentschaftskandidatur: Regionalpräsident Xavier Bertrand (2.v.r.) mit Nicolas Sarkozy (2016)Bild: Philippe Huguen/Pool/dpa/picture alliance

Die politische Landkarte nach der ersten Runde der Regionalwahlen sieht aus wie ein Blick in die Vergangenheit. Kein einziger Kandidat der Präsidentenpartei La République en Marche (LREM), die in der Nationalversammlung die Mehrheit stellt, wird nach der Stichwahl am Sonntag an die Spitze einer Region rücken. Mit ihren häufig beliebten Amtsinhabern machen Konservative und Sozialisten die Herrschaft auf dieser staatlichen Ebene unter sich aus - mit Ausnahme der PACA-Region am Mittelmeer, wo Marine Le Pens Rassemblement National triumphieren könnte. "Frankreich ist in dieser Hinsicht zweigeteilt", analysiert der Politikwissenschaftler Emiliano Grossman von der Sciences Po Paris, "auf der nationalen Ebene dominiert die Präsidentenpartei, auf regionaler und kommunaler Ebene Parteien, die bis 2017 die Politik bestimmt haben". Doch Grossman sagt auch: Für die Präsidentenwahlen im kommenden Frühjahr bedeutet dieser Urnenerfolg wenig - schon wegen der extrem geringen Wahlbeteiligung bei den Regionalwahlen.

Präsidentenpartei ohne Einfluss in der Provinz: Emmanuel Macron bei der ersten Runde der RegionalwahlenBild: Christian Hartmann/Reuters/AFP

In Paris stehen Sozialisten und Konservative weiterhin am politischen Spielfeldrand - haben im Parlament kaum Einfluss. Auch die Parteistrukturen haben gelitten. Die Konservativen, die sich im Mai 2015 von ihrem alten Namen UMP (Union für eine Volksbewegung) getrennt und in "Les Républicains" (LR) umbenannt haben, werden von Christian Jacob geführt. Der 61-Jährige wurde im Oktober 2019 an die Spitze von LR gewählt, "weil er niemanden störte" (Grossman). Unvorstellbar, dass Jacob als Spitzenkandidat der Partei für den Elysée-Palast antreten könnte.

Politikwissenschaftler Emiliano GrossmanBild: Privat

Schwierige Kandidatensuche

Obwohl die Parteistatuten der Konservativen offene Vorwahlen für den Präsidentschaftskandidaten vorsehen, könnte die Entscheidung über den Spitzenkandidaten in diesem Jahr außerhalb der Partei fallen. Von den konservativen Politikern haben die aktuell aussichtsreichsten Kandidaten kein LR-Parteibuch. Weder die Präsidentin der Hauptstadtregion Île-de-France, Valérie Pécresse, noch Xavier Bertrand, der die Region Nordfrankreich (Hauts-de-France) führt, sind derzeit Mitglieder bei Les Républicains. 

Schwacher Parteichef: Christian Jacob führt Les Républicains seit Herbst 2019Bild: Geoffroy Van der Hasselt/AFP

Ein größeres Problem für die Kandidaten ist das aber nicht. Weil der Präsident in Frankreich direkt vom Volk gewählt wird, ist die Unterstützung im Wahlvolk viel wichtiger als eine gute Position in den Parteigremien. "Es ist in Frankreich nicht so, dass eine Partei um ein Programm ringt und eine Wahlkampfstrategie formt, bei dem dann viele Mitglieder ihre Meinung einbringen können. Hier geht es um den einzelnen Politiker, der sich im Alleingang ein überzeugendes Programm erarbeitet", sagt der Parteienforscher Simon Persico von Institut d'études politiques (IEP) in Grenoble. Am Ende wird sich die Partei hinter dem Kandidaten versammeln, der die besten Aussichten hat - ob mit oder ohne Parteibuch.

Ohne Parteibuch, aber mit Unterstützung im Wahlvolk: Valérie Pécresse, Regionalpräsidentin der Île-de-FranceBild: Michel Euler/AP Photo/picture alliance

Dass ein Dreivierteljahr vor den Präsidentenwahlen mehrere politische Schwergewichte der Konservativen um die Spitzenposition kämpfen, ist nicht ungewöhnlich. Doch in diesem Jahr ist noch unklar, wie genau der aussichtsreichste Kandidat ermittelt werden soll. Eine offene Vorwahl wie 2016, als sich François Fillon durchgesetzt und auch den früheren Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy aus dem Rennen geworfen hatte, wird es wohl nicht geben. Man wolle Umfragen in Auftrag geben, welche Person am besten bei der konservativen Wählerschaft ankomme, so Parteienforscher Simon Persico. Sollte es einen klaren Sieger geben, wäre er wohl gesetzt. Ganz vom Tisch ist aber eine begrenzte Vorwahl noch nicht.

Ungeliebter Onkel

Klar ist immerhin, dass die Zeit von Nicolas Sarkozy abläuft. Der heute 66-Jährige hatte 2007 den Elysée-Palst erobert - als bislang letzter Kandidat der Konservativen. Der langjährige frühere Parteichef hat sich zwar bis heute nicht aus der Politik zurückgezogen, aber Sarkozy ist derzeit vor allem mit der Justiz beschäftigt. Im Frühjahr wurde er wegen Korruption von einem Pariser Gericht zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. In einem weiteren Prozess muss sich Sarkozy außerdem wegen illegaler Wahlkampffinanzierung verantworten.

Im Visier der Justiz: Ex-Staatspräsident Nicolas SarkozyBild: Michel Euler/AP Photo/picture alliance

Nicht nur die Aussicht auf einen möglichen Gefängnisaufenthalt lastet auf Sarkozy. Auch in seiner Partei schwindet der Rückhalt. "Mein Gefühl ist, dass er langsam aber sicher die Rolle dieses etwas ungeliebten Onkels einnimmt, den man sonntags zwar immer wieder zum Mittagsessen einlädt, aber auch froh ist, wenn er schnell wieder geht", so Politikwissenschaftler Grossman. Auch zu Präsident Macron ist der Kontakt zuletzt weniger geworden - zu Beginn seiner Präsidentschaft hatte Macron Sarkozy noch regelmäßig zu Beratungen im Elysée-Palast empfangen.

Kaum Bewegungsspielraum

Stand heute, da sind sich Grossman und Persico einig, ist es unwahrscheinlich, dass Sarkozys Partei im kommenden Jahr ihren Kandidaten in die Stichwahl für den Elysée bringt. Simon Persico: "Das Problem der Republikaner ist vor allem, dass sie einen sehr engen politischen Bewegungsspielraum durch die Präsenz von Macron haben. Indem sich der Präsident in seiner Amtszeit klar in Richtung der Konservativen bewegt hat, mit seiner Politik, aber auch mit dem Personal, besetzt er diesen politischen Raum. Macrons Innenminister Gérald Darmanin und Premierminister Jean Castex kommen ja zum Beispiel aus dem Umfeld Sarkozys."

Emiliano Grossman ergänzt: Am wahrscheinlichsten sei weiterhin das Duell Macron gegen Le Pen in der Stichwahl. Die politische Landkarte nach den Präsidentenwahlen im kommenden Frühjahr wird dann wieder ganz anders aussehen.

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