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Politik

"Konstruktive", aber erfolglose Gespräche

20. Februar 2019

Theresa May wollte die EU von Zugeständnissen in Sachen Brexit überzeugen. Doch viel erreichte sie beim Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nicht. Noch diesen Monat wollen sich beide erneut treffen.

Belgien May trifft Juncker auf Suche nach Brexit-Durchbruch in Brüssel
May in Brüssel: Das Gespräch mit Kommissionspräsident Juncker kam zu keinem neuen ErgebnisBild: Getty Images/T. Monasse

Nachdem das britische Unterhaus ihren mit der EU ausgehandelten Brexit-Deal im Januar abgelehnt hatte, setzte die britische Premierministerin auf Nachverhandlungen mit Brüssel. Die EU lehnte das strikt ab. Das Gespräch mit EU-Kommissionschef Juncker am Mittwochabend sollte diesbezüglich Fortschritte bringen. Doch mehr als Absichtserklärungen gab es am Ende nicht. Juncker hatte bereits vor dem Gespräch gesagt, man werde freundlich miteinander reden, aber er erwarte eher keinen Durchbruch.

Harte Grenze auf der irischen Insel vermeiden

"Die beiden Spitzenpolitiker waren sich einig, dass die Gespräche konstruktiv verliefen, und sie wiesen ihre beiden Teams an, die Optionen in einem positiven Geist zu prüfen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. In den nächsten Tagen werde man erneut Bilanz ziehen. Der Zeitplan sei eng, und es sei von historischer Bedeutung, "die EU und Großbritannien auf einen Weg hin zu einer tiefen und einzigartigen künftigen Partnerschaft zu führen". May und Juncker bekräftigten ihre Zusage, eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland zu vermeiden und die Integrität des EU-Binnenmarktes sowie des Vereinigten Königreiches zu wahren. Man habe zudem über Alternativen gesprochen, die in der Zukunft den sogenannten Backstop  - die Auffanglösung für Nordirland - ersetzen könnten. Beide Seiten hätten zugesichert, dass der Backstop nur vorübergehend gelten solle. Außerdem hätten May und Juncker darüber diskutiert, ob Ergänzungen oder Änderungen am Austrittsvertrag möglich seien, die sowohl mit der Position der EU als auch mit der Großbritanniens übereinstimmten. Beide wollen noch diesen Monat erneut zu einem Gespräch zusammenkommen.

Dauerstreit um Backstop-Lösung

Der Backstop ist seit Monaten Haupt-Streitpunkt zwischen Großbritannien und der EU. Das ist eine von der EU geforderte Garantie, dass die EU-Außengrenze zwischen dem Mitgliedsland Irland und dem britischen Nordirland offen bleibt. Wenn keine andere Lösung gefunden wird, soll das Vereinigts Königreich in einer Zollunion mit der EU bleiben. Für Nordirland sollen zudem einige Regeln des Binnenmarkts gelten. Brexit-Befürworter befürchten, das binde Großbritannien auf Dauer zu eng an die EU und halte Nordirland in einem Sonderstatus. Kommt der Vertrag nicht zustande, würden die vereinbarte Übergangsfrist bis Ende 2020 und die Eckpunkte für eine enge Handels- und Sicherheitspartnerschaft entfallen. Die Wirtschaft befürchtet für diesen Fall Verwerfungen. Beide Seiten wollen das unbedingt vermeiden. Die EU-Kommission bekräftigte aber am Mittwoch, die EU sei inzwischen gut gewappnet für alle denkbaren Szenarien.

Hunt: "Wollen beste Freunde bleiben"

Während May in Brüssel versuchte, Überzeugungsarbeit zu leisten, putzte ihr Außenminister Jeremy Hunt in Berlin die Klinken: Er hielt zunächst eine Rede bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Darin rief er die EU-Staaten dazu auf, die künftige Zusammenarbeit nicht mit einem ungeordneten Brexit zu riskieren. "Jetzt schlägt die Stunde einer großzügigen und weitsichtigen Führung", sagte er. Deutschland und Großbritannien müssten Seite an Seite bleiben, auch bei der Vorbeugung vor Terror. "Wir sind entschlossen, die besten Freunde zu bleiben", sagte Hunt.

Beste Freunde? Jeremy Hunt und Heiko Maas Bild: picture-alliance/A. Hosbas

Maas: "Die Zeit läuft uns davon"

Nach einem Treffen mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) betonte Hunt, beide Seiten seien sich einig, dass es "eine Katastrophe"  wäre, wenn der Brexit ohne Abkommen ablaufe. Einen Aufschub des Brexit-Datums lehnte der britische Außenminister ab. Dies würde nur zu einer politischen "Lähmung"  führen, sagte er. Sollte die EU dagegen Kompromissbereitschaft beim Backstop zeigen, sei er zuversichtlich, dass seine Regierung das Brexit-Abkommen durch das Parlament bringen könne. Nach seiner Überzeugung sei es "mit politischem Willen und Kreativität absolut möglich", zu einer Einigung zwischen Großbritannien und der EU in dieser Frage zu kommen. Maas betonte, alle Seiten suchten derzeit  nach Möglichkeiten, einen harten Brexit zu verhindern. "Doch so langsam beginnt uns die Zeit wegzulaufen". Er begrüße es, dass die Vorstellungen nun konkreter würden, wie eine Annäherung aussehen könne.

Hunt traf sich außerdem mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dobrindt rief die EU danach zu weiteren Verhandlungen mit London über einen geordneten Brexit auf. Man müsse weiter zu konstruktiven Gesprächen bereit sein. "Ein harter Brexit wäre ein harter Schlag für uns alle. Dazu darf es nicht kommen". Man wolle eine möglichst enge Partnerschaft mit den Briten, "eine Partnerschaft Doppelplus".

Sarah Wollaston, eine der Abgeordneten, die den Tories und damit May den Rücken kehrtenBild: picture alliance/dpa/W. Szymanowicz

May war geschwächt angereist: Kurz vor dem Abflug hatte sie weiter Rückhalt in den eigenen Reihen verloren. Die drei Tory-Abgeordneten Heidi Allen, Sarah Wollaston und Anna Soubry traten unter Protest aus ihrer konservativen Regierungspartei aus und schlossen sich der neu gebildeten "Unabhängigen Gruppe" von Brexit-Gegnern an, die erst Anfang der Woche von Ex-Labour-Abgeordneten gegründet worden war.

Nächste Woche soll May dem Unterhaus Bericht erstatten. Dann könnte eine neue Abstimmungsrunde folgen. Die Ausgangslage wird nicht nur mit dem Fraktionsaustritt der drei Abgeordneten noch unübersichtlicher - sollten sich EU und Großbritannien bis zur Abstimmung nicht auf einen Deal einigen können, wollen Medienberichten zufolge 15 Minister und Ministerinnen der britischen Regierung gegen einen EU-Austritt stimmen.

Am Donnerstag wird Jeremy Corbyn, Chef der oppositionellen Labour-Partei, in Brüssel zu Gesprächen mit EU-Verhandlungsführer Michel Barnier erwartet. 

cvo/qu (dpa, ap, rtr)