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Zu sparsam?

27. Juli 2010

Die Ungleichgewichte in der Eurozone haben Deutschland auf die Anklagebank gebracht. Der Vorwurf: Die Deutschen konsumieren zu wenig und sparen zu viel.

Eine junge Frau nimmt in einem Supermarkt in Düsseldorf Tiefkühlpizza aus der Kühltruhe (Foto: dpa)
Hauptsache sparen: Service und Auswahl sind weniger wichtigBild: dpa

Aus dem Ausland kommen gelegentlich Vorwürfe, Deutschland sei zu stark und zu einseitig auf seine Exporterfolge fixiert und vernachlässige dabei die private Binnennachfrage sträflich. Nicht nur die südlichen Staaten der Eurozone hätten über ihre Verhältnisse gelebt - auch Deutschland trage Mitschuld an den Ungleichgewichten in den Handels- und Leistungsbilanzen in Europa.

Konsumieren die Deutschen zu wenig oder sind sie zu recht sparsam? "Getting Germans to open their wallets is hard", kabelte kürzlich der Deutschland-Korrespondent des 'Economist' in die Zentrale nach London: Den Deutschen das Portemonnaie zu öffnen, sei ein hartes Geschäft.

Auch Claudia Schiffer hebt den Umsatz bei Metro nichtBild: AP

Sie würden lieber auf Service und ein vielfältiges Warenangebot verzichten, wenn sie damit ein paar Euro sparen könnten. Mit 45 Prozent sei der Marktanteil der Discounter wie Lidl oder Aldi nirgendwo so hoch wie hierzulande, in Großbritannien brächten es die Discounter gerade mal auf sieben Prozent.

Die Deutschen und ihr privater Konsum, das ist so eine Sache. Ein Aufschwung folgt eigentlich immer einem klassischen Muster: Erst zieht die Nachfrage aus dem Ausland an, dann die Investitionen, und dann der private Konsum.

Doch dieser letzte Schritt hat schon beim letzten Aufschwung in Deutschland gefehlt, sagt Professor Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln: "Der Export kam in Schwung, die Investitionstätigkeit und vor allem der Arbeitsmarkt kamen in Schwung, aber wir hatten Probleme an der Konsumfront."

Ursache, so Grömling, seien einige Sondereffekte gewesen: "Zum einen die stark verteuerten Rohstoffpreise, der Ölpreis, das war ein gewaltiger Schlag in das Kontor der privaten Konsumenten." Zudem hätten die Bürger die Mehrwertsteuererhöhung im Jahr 2007 verkraften müssen, "und sicherlich liegt die Konsumschwäche auch ein kleines Stück weit am Sparverhalten der Deutschen."

Hohe Sparquote

IW-Experte Grömling: "Die anderen sparen zu wenig"Bild: IW Köln

Ja ja, das Sparverhalten der Deutschen. Fast 13 Prozent ihres verfügbaren Einkommens legen sie im Schnitt auf die hohe Kante. Nur noch einige Länder Ostasiens weisen eine höhere Sparquote auf - was sich aber damit erklären lässt, dass man dort kein System zur Alterssicherung kennt.

"Da stellt sich die Frage: Ist unsere Sparquote zu hoch oder die anderer Länder zu niedrig?" - sagt IW-Experte Grömling, der eher zu Letzterem neigt: "In Deutschland wird gut Geld auf die hohe Kante gelegt, um sich für die demografischen Anpassungslasten, die sich in relativ kurzer Zeit stellen werden, besser zu wappnen." Andere Länder hätten möglicherweise diese Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Und ein Teil der Krise hänge auch damit zusammen, dass andere Länder über ihre Verhältnisse gelebt und zu wenig gespart hätten.

Zwei Konjunkturpakete hat die Regierung geschnürt, um die Folgen der Krise zu lindern. Doch bis auf eine kleine Sonderkonjunktur in der Automobilindustrie durch die Abwrackprämie hat das nicht viel gebracht. Und jetzt ist Haushaltskonsolidierung angesagt, die Regierung hat ein Sparpaket beschlossen - und wieder stehen die Chancen für eine Steigerung der privaten Binnennachfrage schlecht.

"Wenn die Haushaltskonsolidierung über höhere Steuern vollzogen wird, geht das sicherlich zu Lasten des privaten Konsums", ist Grömling überzeugt. "Der Staat kann aber auch an seinen eigenen Ausgaben sparen. Und das muss nicht unbedingt zu Lasten der privaten Konsumenten gehen." Für die privaten Konsumausgaben sei zunächst die Erholung am Arbeitsmarkt relevant, und da sei man ja "eigentlich auf ganz gutem Wege".

Expansive Lohnpolitik?

"Mehr Geld!" Kundgebung der Gewerkschaften am 1. Mai 2010 in BerlinBild: dpa

Wenn der Aufschwung in Deutschland jedes Mal am letzten Schritt an der Binnennachfrage scheitert, sollten die Gewerkschaften ihre Bescheidenheit aufgeben und eine expansivere Lohnpolitik betreiben, lautet ein Argument.

Aber es ist schon klar, was der Repräsentant eines arbeitgebernahen Wirtschaftsforschungsinstituts auf einen solchen Vorschlag antworten wird: "Die Versuche gab es ja immer wieder, über eine expansive Lohnpolitik den Konsum in Fahrt zu bringen. Nur: Löhne sind auch Kostenfaktoren für Unternehmen. Und es steht zu befürchten, dass mit übermäßigen Lohnsteigerungen Arbeitsplatzverluste einhergehen."

Unter dem Strich, das hätten viele Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt, leide das Masseneinkommen und damit letztlich auch der private Konsum. Beschäftigungsorientierte Lohnabschlüsse seien deshalb auch in der Krise das Gebot der Stunde.

Der Korrespondent des "Economist" hat also recht: Es ist verdammt schwer, den Deutschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und das gilt besonders für deutsche Arbeitgeber.

Autor: Rolf Wenkel

Redaktion: Andreas Becker

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