1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kopf-an-Kopf-Rennen - Parlamentswahl in Kroatien

24. November 2003

Bonn, 24.11.2003, DW-radio, Klaus Dahmann

Bei der Parlamentswahl in Kroatien zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der jetzigen sozial-liberalen Regierungs-Koalition und der national-konservativen Opposition ab. Bisher sind alle kroatischen Wahlkreise ausgezählt. Wie viele Sitze allerdings über die Diaspora-Liste hinzu kommen, ist derzeit noch unklar. Fest steht: Stärkste Partei im Parlament ist erneut die oppositionelle Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) von Partei-Chef Ivo Sanader, die deutlich Stimmen gewann. Hingegen verlor die größte Regierungs-Partei, die Sozialdemokratische Partei (SDP) von Ministerpräsident Ivica Racan. Allerdings hat die SDP stärkere potenzielle Koalitions-Partner als die HDZ.

Viele Beobachter hatten der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) nach dem Tod ihrer Führungs-Figur Franjo Tudjman Ende 1999 den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit prophezeit. Bei der folgenden Wahl wurde sie zwar noch knapp stärkste Kraft im Parlament. Doch die Regierungsgeschäfte übernahm eine Mehr-Parteien-Koalition mit dem Sozialdemokraten Ivica Racan an der Spitze. Ein Teil der HDZ spaltete sich ab.

Vier Jahre später meldet sich die Partei zurück: Bei der Parlamentwahl am Sonntag (23.11.) konnte sie deutlich hinzugewinnen. Über die Wahlkreise in Kroatien kommt sie auf 62 Sitze im Parlament. Über die Diaspora-Liste könnten voraussichtlich noch drei weitere Sitze hinzu kommen. Von der dortigen Wahlbeteiligung hängt auch ab, wie viele Abgeordnete insgesamt ins Parlament einziehen werden. Inoffizielle Schätzungen gehen von 152 bis 155 Sitzen aus.

HDZ-Spitzenkandidat Ivo Sanader erklärte sich bereits früh zum Sieger der Wahl. Er sei sicher, dass Staatspräsident Stipe Mesic ihm den Auftrag zur Regierungs-Bildung geben werde:

"Es ist logisch, dass der Präsident sich zunächst mit der stärksten Partei Gespräche aufnehmen wird. Ich erwarte, dass wir sehr bald miteinander sprechen werden. Denn das ist das, was die Wähler wollen. Ich glaube, dass wir über das Mandat schnell einig werden. Und dann werde ich mit potenziellen Koalitions-Partnern Kontakt aufnehmen."

In Frage kommen dafür die nationalistische HSP, die Sozial-Liberalen (HSLS) und das Demokratische Zentrum (DC), das sich vor vier Jahren von der HDZ abgespalten hatte. Für eine regierungsfähige Mehrheit würde das derzeit noch nicht reichen.

Aber auch die jetzige Koalition hat im Moment noch nicht genügend Stimmen, um eine Regierung bilden zu können: Nach den derzeitigen Ergebnissen kämen die Sozialdemokraten zusammen mit ihren derzeit sicheren Koalitionären auf gerade einmal 54 Sitze. Hinzu kommen möglicherweise weitere 9 Sitze der Bauern-Partei (HSS), die sich jedoch noch alle Optionen offen halten will.

Von Optimismus, doch noch eine regierungsfähige Mehrheit zusammen zu bekommen, war bei Ministerpräsident Ivica Racan nicht viel zu spüren, als er in Zagreb vor die Kameras trat:

"Sollten sich diese Ergebnisse am Ende bestätigen, dann bedeutet das, dass wir nicht genügend Stimmen haben, um eine Regierungs-Koalition zu bilden. In diesem Falle werde ich, im Namen der Sozialdemokraten, jenen gratulieren, die wahrscheinlich die Regierung bilden werden. Und dann wünsche ich den kroatischen Bürgern Glück und Erfolg mit der neuen Regierung - falls sich diese Ergebnisse als endgültig erweisen sollten."

Am Ende müssen die vielen kleinen Parteien den Ausschlag geben: Da sind zum einen die acht Minderheiten-Vertreter, die eher zum sozial-liberalen Lager um Racan hin tendieren. Weitere drei Sitze entfallen, nach derzeitigem Stand der Dinge, auf die Rentner-Partei. Sie ist eine von zahlreichen Kleinst-Parteien, von denen noch unklar ist, für welches politische Lager sie sich entscheiden.

Im Stimmen-Verlust der Regierungs-Koalition spiegelt sich der Unmut der Bevölkerung über die nach wie vor schlechte wirtschaftliche Lage wider. Hinzu kommt, dass sich die HDZ unter Sanader einen demokratischeren Anstrich gegeben hat als zu Tudjmans Zeiten und einen schnellen EU-Beitritt verspricht. Somit hat sie sich dem Programm der Sozialdemokraten weitgehend angenähert, die in den vergangenen vier Jahren zwar außenpolitische Erfolge feierten, wirtschaftlich aber kaum vorzeigbare Fortschritte erreicht haben.

Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 69 Prozent, das sind nur zwei Prozent weniger als vor vier Jahren. (fp)