1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Selbstbewusstes Polen

Andrea Rönsberg6. Dezember 2012

"Blockierer", das ist das Wort, das bei der Klimakonferenz in Doha in Verbindung mit Polen am häufigsten genannt wird. Im DW-Interview begründet der polnische Umweltminister die Haltung seines Landes.

Marcin Korolec, polnischer Umweltminister auf dem Klimagipfel in Doha (Deutsche Welle, Andrea Rönsberg)
Marcin KorolecBild: DW/A. Rönsberg

Deutsche Welle: Die Europäische Union hat ihr Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren, bereits jetzt so gut wie erreicht. Umweltaktivisten sind nicht allein darin, die EU aufzufordern, dieses Ziel in Doha auf 30 Prozent anzuheben. Warum blockiert Polen diese Entscheidung?

Marcin Korolec: Ich glaube wir müssen uns klarmachen, dass hier in Doha die Klimaschutzpolitik der gesamten Welt verhandelt wird. Die EU ist aber nur noch für 14 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich und wenn man globale Probleme lösen will, braucht man am Ende des Tages ein globales Abkommen. Die Konferenz hier ist eine gute Brücke zwischen der Situation, in der wir uns jetzt befinden und dem Beginn des neuen weltweiten Abkommens, das 2020 in Kraft treten soll.

Angeblich ist es das polnische Parlament, das die Unterstützung für ein ambitionierteres Klimaschutzziel der EU von 30 Prozent verweigert. Warum?

Nun, zunächst mal würde ich sagen, dass wir in Polen bereits Fortschritte gemacht haben. Infolge der Klimaverhandlungen haben wir ein Klima-Energie-Paket verabschiedet und wir haben unsere Ziele für Emissions-Reduktionen bis 2020 vorgelegt. Und kein anderes Land, beziehungsweise keine Gruppe von Ländern, hat so ehrgeizige Klimaschutzziele und Mechanismen, um diese Ziele zu erreichen. Wir sind also bereits sehr ambitioniert in der Hinsicht.

Polens Energieversorgung hängt zum großen Teil von der Kohleindustrie ab - ein Grund dafür, dass Polen seine Emissionsrechte nicht aufgeben möchteBild: Getty Images

Der deutsche Umweltminister Peter Altmaier hat letzte Woche in einem Fernsehinterview gesagt, "wir wären auch ohne Polen imstande als Europäer, uns zu dem 30-Prozent-Ziel in Doha zu bekennen." Was haben Sie gedacht, als Sie diese Aussage gehört haben?

Wir pflegen eine enge Zusammenarbeit mit dem deutschen Umweltminister und treffen uns häufig. Und ich denke, dass wir - wenn wir ein europäisches Ziel haben - auch europäische Mittel und Wege finden, dieses zu erreichen. Aber die EU hat die Position, dass wir uns ein 30-Prozent-Ziel nur dann setzen, wenn das weltweite Abkommen kommt. Bei der Verlängerung des Kyoto-Protokolls geht es allerdings nicht um ein weltweites Abkommen, denn es wird nur die EU, Australien, Norwegen und vielleicht noch zwei andere Länder beinhalten. Wir brauchen aber ein weltweites Abkommen. Wenn wir das haben, können wir darüber diskutieren, welche neuen Ziele wir in Europa setzen sollten.

Was die Verlängerung des Kyoto-Protokoll angeht, gibt es ja bereits die nächste Auseinandersetzung. Da geht es um Emissionsrechte, die Polen und andere Länder in der ersten sogenannten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls nicht aufgebraucht haben - rund 13 Milliarden Tonnen Kohlendioxid - und die sie deshalb jetzt in eine zweite Verpflichtungsperiode mitnehmen wollen. Warum ist es Polen so wichtig, diese Emissionsrechte zu behalten?

Polen hatte sich für die erste Verpflichtungsperiode das Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen um sechs Prozent zu reduzieren. Tatsächlich aber haben wir die Emissionen um 30 Prozent reduziert. Es gibt nicht viele EU-Mitglieder, die so viel erreicht haben wie Polen. Diese Emissionsrechte stehen uns zu und ich sehe nicht, warum wir dieses Recht aufgeben sollten.

Aber soweit ich die rechtliche Situation verstanden habe, könnte Polen diese Emissionsrechte in der zweiten Verpflichtungsperiode gar nicht nutzen.

Im nächsten Jahr findet der Klimagipfel in Polen statt, Korolec hält dies für den perfekten Ort für ein TreffenBild: Getty Images

Das ist doch alles nebensächlich. Wir konzentrieren uns hier darauf, die Verhandlungen über die Verlängerung des Kyoto-Protokolls abzuschließen und da geht es in erster Linie um die Dauer dieser zweiten Verpflichtungsperiode. Außerdem geht es auf dieser Klimakonferenz nicht nur um das Kyoto-Protokoll, es geht auch um Fortschritt auf dem Weg zu dem neuen globalen Klimaabkommen ab 2020 und um die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern. Und da müssen vor allem die großen Schwellenländer liefern.

Nun, gestern hat der brasilianische Chefunterhändler Luiz Alberto Figueiredo gesagt, die Verlängerung des Kyoto-Protokolls sei der Schlüssel zu allem anderem, und wenn das nicht verlängert werde, gebe es bei den anderen Themen keinen Fortschritt. Wie soll diese verfahrene Situation gelöst werden?

Das weiß ich auch nicht. Es kann sein, dass unsere brasilianischen Kollegen meinen, das Kyoto-Protokoll sei der Schlüssel zu allem anderen, aber sie unterschreiben dieses Protokoll ja auch nicht.

Polen wird nächstes Jahr die Klimakonferenz ausrichten. Warum führt das nicht zu einer positiveren Haltung Polens, was ehrgeizigere Klimaziele der EU angeht?

Polen ist ein perfekter Ort für ein Treffen von Entwicklungs- und Industrieländern. Wir haben die erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls als Entwicklungsland begonnen und wir verhandeln jetzt über die Verlängerung dieses Protokolls als Industrieland, als EU-Mitglied, das seine Emissionen um 30 Prozent reduziert hat und gleichzeitig das Bruttoinlandsprodukt um 150 Prozent gesteigert hat. Wir wissen also, wie es geht, und Warschau ist ein guter Ort, um diese Verhandlungen zu führen.

Lassen Sie mich noch einmal nachhaken bei diesen 30 Prozent, um die Polen seine Emissionen reduziert hat. Der Hauptgrund dafür, dass das möglich war, besteht ja wohl darin, dass Polens Wirtschaft nach der Wende eingebrochen ist und deshalb wenige Emissionen ausgestoßen worden sind.

Das lässt sich so leicht sagen. Aber gehen Sie doch mal in die Länder, die heute wirtschaftlich am Boden liegen und fragen die, wie sie CO2-Emissionen reduzieren und gleichzeitig wirtschaftlich wachsen wollen. Es gibt ja genügend EU-Mitglieder, die derzeit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, da können Sie die fragen, wie das gehen soll.

Marcin Korolec ist der polnische Umweltminister.

Das Interview führte Andrea Rönsberg auf dem Klimagipfel in Doha.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen