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Politik

Das lukrative Geschäft mit EU-Pässen

6. November 2018

In Bulgarien ist ein betrügerischer Staatsbürgerschaftshandel aufgeflogen. Kein Einzelfall in der EU: Sogar offiziell betreiben mehrere europäische Staaten Geschäfte mit Pässen.

Bulgarisch-türkische Grenze
Grenzübergang zwischen Bulgarien und der Türkei Bild: picture-alliance/Joker/est&ost/M. Fejer

EU-Staatsbürgerschaften oder unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen in EU-Ländern gehören zu den weltweit am schwersten erhältlichen, zugleich aber begehrtesten offiziellen Dokumenten. Die hohe Nachfrage hat in den letzten Jahren einen Markt geschaffen, auf dem korrupte Beamte zahlreicher EU-Länder durch Dokumentenfälschung mitverdienen. Doch nicht nur das: Auch offiziell wollen sich viele EU-Staaten lukrative Einnahmequellen nicht entgehen lassen und treiben daher unter dem Namen "Golden Visa" einen milliardenschweren Handel mit Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsgenehmigungen. 

Der jüngste Fall aus dem Bereich dieser Deals spielt in Bulgarien: Anfang letzter Woche wurden dort knapp zwei Dutzend Beamte zeitweise festgenommen, weil sie über Jahre hinweg illegal bulgarische Abstammungsnachweise für Bürger aus Mazedonien, der Republik Moldau und der Ukraine ausgestellt und dafür im Gegenzug jeweils Tausende von Euro kassiert haben sollen.
Wer einen solchen Abstammungsnachweis hat, kann laut Gesetz die bulgarische Staatsbürgerschaft bekommen. Verantwortlich für die Vergabe der Zertifikate ist die Behörde für Bulgaren im Ausland SABA. Ihr am Montag abgesetzter Chef Petar Haralampiev, ein notorischer nationalistischer Politiker, gehört zu den Festgenommenen: Er soll der Kopf des korrupten Netzwerkes sein.

Bulgarien: Machtkämpfe in der Regierung 

Eigentlich ist der Fall seit Jahren bekannt. Bereits 2012 berichtete die Bulgarische Redaktion der Deutsche Welle als eines der ersten Medien über die missbräuchliche Vergabe von Abstammungsnachweisen durch SABA. Seit 2013 wandte sich die Juristin Katja Mateva, ehemals Leiterin der Abteilung Bulgarische Staatsbürgerschaft im Justizministerium, mehrfach mit entsprechenden Informationen an Vorgesetzte in der Regierung. 2014 verfasste der damalige stellvertretende Justizminister Petko Petkov ein Memorandum zu diesem Thema an den Interims-Regierungschef Georgi Blisnaschki. Doch es passierte nichts.

Katja Mateva sagt im Gespräch mit der Deutschen Welle, sie sei von Politikern jahrelang unter Druck gesetzt und im Justizministerium kaltgestellt worden. Im September 2017 wurde sie schließlich aus dem Ministerium entlassen. Petkov wiederum musste sich von Politikerkollegen anhören, er sei ein Vaterlandsverräter. Sowohl Mateva als auch Petkov sagen im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass es bislang offenbar keinen politischen Willen gegeben habe, das korrupte Staatsbürgerschaftsgeschäft zu beenden.

Dass in der Affäre nun dennoch Verantwortliche verhaftet wurden, könnte in erster Linie an Machtkämpfen innerhalb der Regierung liegen. Diese spielen sich einerseits zwischen den beiden Koalitionspartnern ab, der Partei GERB des Ministerpräsidenten Bojko Borissow und der nationalistisch-rechtsextremen Parteienallianz Vereinigte Patrioten, anderseits innerhalb der zerstrittenen Vereinigten Patrioten selbst. Einige Beobachter mutmaßen, dass Borissow mit der Verhaftung von Beamten der SABA, die von den Vereinigten Patrioten kontrolliert wird, ein Warnsignal an seine Koalitionspartner senden will.

Bulgarien: Staatliche Korruption?

04:20

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Geschäfte mit Abstammungszertifikaten in Rumänien und Ungarn 

Es ist bislang unklar, ob das korrupte Staatsbürgerschaftsgeschäft beendet wird und ob die Verantwortlichen dafür überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden. Dabei ist Bulgarien längst nicht der einzige Fall mit einer derartigen Praxis. In Rumänien und Ungarn berechtigt ein Abstammungsnachweis ebenfalls zum Erhalt der Staatsbürgerschaft. Für Rumänien betrifft das in erster Linie einen Großteil der Bürger aus der Republik Moldau - dort sind zwei Drittel der Bevölkerung rumänischer Abstammung. Außerdem leben in der Ukraine jeweils größere rumänische und ungarische Minderheiten. Wie in Bulgarien sollen nach Recherchen lokaler Medien auch in Rumänien und Ungarn seit Jahren Abstammungszertifikate missbräuchlich vergeben worden sein. Tausende von Russen und Ukrainern sollen auf diese Weise die Staatsbürgerschaft Rumäniens oder Ungarns erhalten haben. 

Kaum geringere Dimensionen hat der offizielle Staatsbürgerschafts- und Residenzhandel in der EU, der unter dem Namen "Golden Visa" praktiziert wird. Dabei können Nicht-EU-Bürger gegen Bezahlung oder gegen Investitionen - zumeist in Millionenhöhe - eine EU-Staatsbürgerschaft oder ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erwerben. Die Hälfte der EU-Länder, darunter Bulgarien, Griechenland, Großbritannien, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Portugal, Spanien, Ungarn und Zypern, boten oder bieten solche Programme an.

NGOs: EU soll Praxis der "Golden Visa" einen Riegel vorschieben 

In den vergangenen zehn Jahren sollen auf diese Weise mindestens 6.000 Staatsbürgerschaften und 100.000 Aufenthaltsberechtigungen verkauft worden sein, wie die NGOs Transparency International und Global Witness in einem Anfang Oktober veröffentlichten Bericht dokumentierten. Die Gesamteinnahmen aus den Programmen sollen demnach mindestens 25 Milliarden Euro betragen haben. Golden-Visa-Programme leisteten der Geldwäsche Vorschub und seien ein Refugium für kriminelle Geschäftsleute, klagen die beiden NGOs an. Die EU müsse dieser Praxis dringend einen Riegel vorschieben. 

Einer der besonders dubiosen Fälle ist das Golden-Visa-Programm Ungarns, das bis 2017 lief und über das offiziell so gut wie keine Angaben verfügbar sind. Mehrfach veröffentlichten jedoch Journalisten des ungarischen Zentrums für Investigativjournalismus Direkt36 Recherchen über Nutznießer des Golden-Visa-Programmes, zuletzt erst vor drei Wochen. Demnach sollen unter anderem russische Politiker, Angehörige hochrangiger russischer Geheimdienstbeamter und Vertraute des syrischen Diktators Assad ungarische Staatsbürgerschaften oder Aufenthaltsberechtigungen erhalten haben. Auch der 2017 verstorbene, von den USA wegen Bankenbetrugs und Geldwäsche gesuchte saudische Geschäftsmann Ghaith Pharaon soll in Ungarn Aufenthaltsgenehmigungen bekommen und eine Staatsbürgerschaft beantragt haben.

"Diese Geschäftspraxis wirft Sicherheitsrisiken auf, nicht nur für Ungarn, sondern für die gesamte Europäischen Union", sagt der Direkt36-Redakteur András Pethö im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Dabei gibt es einen interessanten Widerspruch: Rhetorisch tritt die ungarische Regierung sehr kämpferisch gegen Einwanderung auf. Unterdessen aber werden mit dem Golden-Visa-Programm von außerhalb der EU massenhaft Leute ins Land gelassen, die meistens kaum jemand kontrolliert hat."

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