1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Korruption ist der Krebs Lateinamerikas

José Ospina-Valencia
28. August 2018

In den meisten lateinamerikanischen Ländern auf fast allen Ebenen präsent, wird der "Krebs der Korruption" kaum als solcher erkannt. Die Frage ist, ob man ihn bekämpfen kann, bevor der Patient ihm erliegt.

Kolumbien Proteste in Bogota
Bild: picture-alliance/Photoshot/Xinhua/J. Paz

Mit "Ja" oder "Nein" konnten die Kolumbianer am vergangenen Wochenende in einem Referendum über die Senkung der Gehälter von Parlamentariern, höhere Strafen für Korruption und eine Begrenzung der Amtszeiten abstimmen. Die Initiative ging von der oppositionellen "Grünen Allianz" aus, angeführt von der Ex-Parlamentarierin Claudia López, der Abgeordneten Angelica Lozano und mehreren Bürgerinitiativen. Das Referendum scheiterte knapp an einer zu geringen Wahlbeteiligung.

Doch unabhängig vom Ergebnis "zeigt dieses Referendum, dass in Lateinamerika, in diesem Fall in Kolumbien, zumindest das wahre Übel identifiziert wird", sagt James Bargent, britischer Forscher für InSight Crime, einer Stiftung, die sich der Erforschung der organisierten Kriminalität in Lateinamerika widmet.

Realität versus Wahrnehmung

Denisse Rodríguez Olivari, promovierte Politikwissenschaftlerin an der Humboldt-Universität Berlin ist skeptisch: "Trotz guter Absichten ist es in Lateinamerika, Afrika und Asien nicht wirklich gelungen, die Korruption zu reduzieren", sagte sie der DW. Rodríguez Olivari erklärt, dass zwei Dinge analysiert werden müssen, um die Dimensionen der Korruption besser zu verstehen: "Was die Menschen unter Korruption verstehen und was sie wirklich ist."

James Bargent: "Regierungen verhalten sich zunehmend wie kriminelle Netzwerke"Bild: privat

Fast alle Länder Lateinamerikas und der Karibik gelten nach wie vor als dier korruptesten der Welt. Laut "Transparency International's Corruption Perceptions Index 2017" haben Venezuela und Guatemala den höchsten Grad an wahrgenommener Korruption, während Uruguay und Barbados die niedrigsten Werte aufweisen. Der Index setzt sich aus vielen verschiedenen Faktoren und Fragestellungen zusammen.

Bargent zufolge hat "Lateinamerika trotz einiger Fortschritte weiterhin Schwierigkeiten, die Korruption effektiv zu bekämpfen" und Rodríguez Olivari hebt dabei speziell die "permanenten Mängel der Anti-Korruptionsprogramme" hervor. Die peruanische Akademikerin weist darauf hin, dass bei den großen Fällen - wie dem gigantischen Petrobras-Skandal in Brasilien - die Merkmale der Korruption besser analysiert werden können als bei den alltäglichen kleinen Bestechungen. Im Bestechungsskandal "Odebrecht" in Peru beispielsweise sind die verhängten Strafen trotz transparenter öffentlicher Maßnahmen recht unterschiedlich. Ein Umstand der, so Rodríguez Olivari, die Anti-Korruptions-Maßnahmen unterminiert und letztendlich kontraproduktiv ist, da einige Täter bestraft werden, andere aber nicht.

Die Grafik zeigt die Prozentteile der Leute, die ein Bestechungsgeld für den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen gezahlt haben. Diese Umfrage wurde im Rahmen des globalen Korruptionsbarometers von Transparency Interternational erstellt.

Regierungen handeln wie kriminelle Netzwerke

Und Bargent warnt vor einer weiteren Bedrohung: "Das Verhalten krimineller Netzwerke ähnelt zunehmend der offiziellen oder staatlichen Korruption: Die Regierungen von Venezuela und Guatemala zum Beispiel handeln wie eine Mafia, die öffentliche Gelder zu ihrem eigenen Nutzen einbehält."

Denisse Rodríguez Olivari: "Menschen verlieren das Vertrauen in die Demokratie"Bild: privat

"Was in Venezuela mit der Zahlung von Bestechungsgeldern begann, um Drogenlieferungen zu schmuggeln, hat sich zu einem System weiterentwickelt, bei dem Staatsbeamte selbst zu Drogenhändlern wurden und das sogenannte 'Kartell der Sonnen' (Cartel de los Soles) bilden", erklärt James Bargent und fügt hinzu: "Die Regierung von (Präsident) Maduro ist nicht daran interessiert, die korrupten Sicherheitskräfte zu untersuchen, weil sie mehr an Loyalität als an Rechtschaffenheit interessiert ist."

In Guatemala sitzen ein ehemaliger Präsident und sein Vize wegen Korruption im Gefängnis, es sei aber "sehr bedenklich, dass der derzeitige Präsident Jimmy Morales alles tut, um die Arbeit der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG), einem Organ der Vereinten Nationen, zu torpedieren.

Gegen Korruption antanzen

Die Korruption in Lateinamerika stellt für beide Experten eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratien der Region dar. "In einem Land, in dem der Respekt vor den Institutionen verlorengeht, weil die Beamten korrupt sind, geht auch das Vertrauen in die Demokratie verloren", meint die Politikwissenschaftlerin Rodríguez Olivari von der Humboldt-Universität zu Berlin. James Bargent fügt hinzu: "Ein Beamter, der öffentliche Gelder für den Schulbau veruntreut, bestiehlt die Zukunft und die Entwicklung seines eigenen Landes."

Das einzige, was Bargent optimistisch stimmt, ist, dass "Lateinamerika sich der durch Korruption verursachten Schäden bewusst wird". In Kolumbien sangen und tanzten Politiker kurz vor dem Referendum in einem auf YouTube verbreiteten Video zu den Klängen des karibischen Reggaeton gegen die Korruption an. "Nie wusste ich, was ich mehr hasste, den verdammten Reggaeton, oder den Krebs, der Kolumbien im Griff hat, die Korruption", heißt die erste Zeile des Songs. Der witzige Clip kam bei der Jugend an und ging viral.