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Politik

Kosovo kommt nicht zur Ruhe

Bahri Cani
3. Februar 2017

Die Spannungen zwischen Kosovo und Serbien wachsen. Verhandlungen in Brüssel endeten diese Woche ohne Ergebnis. Zwischen Belgrad und Pristina werden die Wörter "Waffen" und "Krieg" immer häufiger in den Mund genommen.

Kosovo Prozeste anlässlich der Festnahmen von Ex-Regierungschef Ramush Haradinaj in Pistina
Kosovaren demonstrieren gegen die Festnahme von Ex-Regierungschef Ramush HaradinajBild: picture alliance/dpa/AP Photo/V. Kryeziu

"Ich wiederhole: Es wird keinen neuen Krieg im Kosovo geben", sagte Kosovos Präsident Hashim Thaçi diese Woche in einem gemeinsamen Interview mit dem albanischen Premierminister Edi Rama in Pristina. Auch der serbische Premierminister Aleksandar Vucic betonte in dem kleinem Ort Raska in der Nähe der Grenze zum Kosovo: "Das wichtigste ist, Frieden und Stabilität zu bewahren."

Dennoch sind die jüngsten Nachrichten aus dem Kosovo schlecht. Viele Medien sprechen erstmals seit der Unabhängigkeitserklärung im Jahr 2008 sogar von einer dramatischen Lage. Die heftigen Spannungen fingen Anfang Dezember an, als die Serben im Norden des Kosovo als "Schutzmaßnahme" neben dem Fluss Ibar im Norden der Stadt Mitrovica nachts eine Mauer bauten. In den vier Gemeinden im Norden des Kosovo leben fast ausschließlich Serben, die das Kosovo nie als eigenen Staat anerkannt haben.

Serbien verlangt Auslieferung von Haradinaj

Einen Monat später, am 4. Januar, wurde der ehemalige Premierminister des Kosovo, Ramush Haradinaj, mit Hilfe eines internationalen Haftbefehls von den französischen Behörden auf dem Flughafen von Basel festgesetzt. Ihm werden Kriegsverbrechen während und nach dem Kosovo Krieg (1999) vorgeworfen. Serbien verlangt eine Auslieferung Haradinajs nach Belgrad.

Der ehemalige kosovarische Premier wurde bereits zwei Mal von dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagt und beide Male freigesprochen. Inzwischen hat er in einem Gericht in der französischen Stadt Colmar die neueste Anklage aus Serbien erhalten. "Es gibt nichts Neues, was ich nicht schon gesehen habe", so Haradinaj gegenüber der DW. Am 9. Februar wird entschieden, ob der ehemalige Kommandeur der UCK tatsächlich nach Serbien ausgeliefert wird.

Durchfahrt verboten: Polizeioffiziere in Pristina patroullieren die Gleise. Ein Zug aus Serbien darf auf der Strecke nicht verkehren, weil er mit einem Schriftzug "Kosovo ist serbisch" versehen war Bild: picture alliance/Abaca/M. Halilovic

Provokation auf der Schiene

Nach dem Versuch Serbiens Mitte Januar, einen Zug mit dem Schriftzug "Kosovo ist Serbien" vom Belgrad nach Kosovo zu schicken, haben die Spannungen zwischen beiden Ländern stark zugenommen. Die Regierung im Kosovo reagierte auf die "Provokation" und schickte eine bewaffnete Spezialeinheit der kosovarischen Polizei an die Grenze zu Serbien.

Der serbische Premierminister Aleksandar Vucic entschied dann, "im Namen des Friedens" den Zug in Raska zu stoppen und warnte die kosovarische Regierung vor der Anwendung von Gewalt. Der serbische Präsident Tomislav Nikolic wurde noch deutlicher: "Falls jemand Serben im Kosovo tötet, werde ich die serbische Armee dorthin schicken."

Anfangs bezeichnete die EU-Vermittlerin im Dialog zwischen Kosovo und Serbien, Federica Mogherini, diese Zwischenfälle noch als "bilaterale Probleme". Ganz schnell wurde jedoch klar, dass die Situation außer Kontrolle geraten könnte. Mogherini rief daher für den 24. Januar zu einen Treffen auf höchster Ebene mit den Präsidenten und Premierministern aus Serbien und Kosovo.

Stillschweigen gebrochen

Sie verlangte von ihnen, die Situation zu beruhigen und nicht vor den Medien über den Inhalt des Treffens zu sprechen. Doch Präsident Thaci respektierte das vereinbarte Stillschweigen nicht. Prompt kam die Reaktion aus Brüssel. Mogherini zeigte sich enttäuscht, dass die Seiten die Vereinbarung nicht respektiert und die Inhalte des Gesprächs preisgegeben hätten. Sie lud für den 1. Februar zu einem neuen Treffen - wieder auf höchstem Niveau.

Der Präsident der Republik Kosovo, Hashim Thaci, im DW-InterviewBild: DW/B. Cani

Die Delegation aus Pristina verlangte von Serbien, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen, was Belgrad – wie immer - entschieden ablehnte. Serbien verlangte von Pristina, die Vereinbarung über einen Verbund der mehrheitlich von Serben bewohnten Gemeinden im Kosovo um zu setzen, was die Regierung im Kosovo als ersten Schritt zur Teilung des Kosovo betrachtet.

Der seit 2013 unter EU-Vermittlung begonnene Dialog über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo ist an einem kritischen Punkt angekommen. Die kosovarische Regierung und viele westliche Politiker verlangen immer lauter von Serbien, den Kosovo anzuerkennen.

Die 2008 erklärte Unabhängigkeit des Kosovo wurde von mehr als 110 Länder anerkannt, jedoch nicht von Serbien sowie fünf Mitgliedern der EU (Spanien, Slowakei, Zypern, Rumänien und Griechenland), Russland und China, und noch einigen anderen Länder.

Unversöhnlich und festgefahren 

Belgrad will seine frühere Provinz zurückhaben oder zumindest teilen. "Falls Pristina eine Unabhängigkeit möchte, dann werden wir für den Verbund der serbischen Gemeinden auch eine Unabhängigkeit von Pristina verlangen", so der serbische Präsident Nikolic. Und Premierminister Vucic verkündete der serbischen Öffentlichkeit, er werde "sehr bald" über den Druck seitens Prishtina und EU informieren.

Die jahrelange EU-Vermittlung im Kosovokonflikt hat also offensichtlich einen neuen Rückschlag erlitten. So sind am Mittwochabend in Brüssel die Staats- und Regierungsspitzen Serbiens und des Kosovos ohne Ergebnisse auseinandergegangen. Und in Belgrad und Pristina werden die Wörter "Waffen" und "Krieg" immer häufiger in den Munde genommen.