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Kosovo-Status: Wo bleiben die Standards?

15. Dezember 2005

"Standards vor Status" lautete jahrelang die Verhandlungslinie der UN in Sachen Kosovo. Doch vor dem Hintergrund der anstehenden Status-Gespräche zur Zukunft der Region scheint diese Forderung ins Wanken zu geraten.

Kosovaren verwirrt

Als der Weltsicherheitsrat im November 2003 die demokratischen und rechtstaatlichen Standards für Kosovo beschloss, wurde dies als ein wichtiger Schritt für die Zukunft des Kosovo bezeichnet. Im März 2004 wurde zudem ein Zeitplan für die Umsetzung der Standards verabschiedet, eine Art "Road Map". Auf 80 Seiten wurden ausführlich die notwendigen Schritte festgeschrieben - nach vier Jahren UNMIK-Verwaltung lag nun ein Dokument vor, das als Orientierung auf dem Weg der Demokratisierung des Kosovo dienen sollte.

Von Standards und Kernstandards

Seitdem ist kein wichtiges kosovarisches oder internationales Treffen vergangen, in dem der Fortschritt in Kosovo nicht an der Umsetzung dieser Standards gemessen worden wäre. Dabei beharrte man auf UN-Seite stets auf der Maxime, dass diese Standards die grundsätzliche Voraussetzung für den Beginn von Status-Verhandlungen sein müssten. Die Kosovo-Albaner widersprachen zwar nicht offen, waren davon aber auch nicht wirklich überzeugt. Auch als die UNMIK nicht mehr die Erfüllung aller Standards, sondern nur der "Kernstandards" als Bedingung für Statusgespräche forderte, konnte oder wollte man das in Prishtina nicht verstehen. Ist dieser Unterschied zwischen Standards und Kernstandards klar genug übermittelt worden? Der deutsche Südosteuropa-Experte Franz-Lothar Altmann geht nicht davon aus: "Ich denke nein, insofern als man im Kosovo wirklich annahm, es gibt keine Möglichkeit über den Status zu sprechen, bevor alle Standards erfüllt seien. Man hat allerdings auch von der internationalen Gemeinschaft das nicht so klar ausgedrückt, insofern kann man nicht alleine den Kosovaren die Schuld geben."

Ursprüngliche Forderungen abgeschwächt

In Prishtina hoffte man im Stillen, dass die internationale Gemeinschaft irgendwann einsehen würde, wie wenig effektiv das Festhalten an den Standards für die Lösung der Status-Frage war. Der kosovarische Präsident Ibrahim Rugova sagte kürzlich, die Forderung nach der Erfüllung der Standards hätte im Kosovo eine "schwierige Situation" geschaffen. Man habe sich deswegen nicht auf die Wirtschaft konzentrieren können.

Dass der Zeitplan der internationalen Gemeinschaft möglicherweise zu knapp kalkuliert war, hat auch UNMIK-Chef Sören Jessen Petersen indirekt zugegeben: In mehreren Interviews sagte er, dass es auch für sein Heimatland Dänemark schwer wäre, die im Kosovo geforderten Standards zu erfüllen.

Weiter an Standards festhalten

Südosteuropa-Experte Altmann betont allerdings, dass die internationale Gemeinschaft im Kosovo zu Recht auf den formulierten Standards beharrt hat und auch weiter daran festhalten sollte: "Man kann in so einer schwierigen Situation, wo es um Grundstandards geht, also Wahrung von individuellen Menschenrechten, auch die Wahrung der Minderheitenrechte, da kann man keine Kompromisse eingehen."

Im Kosovo hat man in der Praxis eine eigene Prioritätensetzung bei der Umsetzung der Standards entwickelt: Aus der Liste der Standards hat man diejenigen in Angriff genommen, die im Endeffekt nützlich für einen unabhängigen Staat erschienen. So hat man reguläre Wahlen abgehalten, eine Polizei aufgebaut und im Gerichtswesen und bei der Gesetzgebung Fortschritte gemacht. Was Schwierigkeiten bereitete, blieb auch weitgehend unerfüllt: Es gab kaum Fortschritte bei der Frage der Rückkehr der Flüchtlinge, Mängel beim Schutz der Minderheiten sowie große Probleme in der Frage der Bewegungsfreiheit für die Minderheiten.

In den Hintergrund geraten?

Im Sommer 2005 reiste der UN-Beauftragte Kai Eide nach Kosovo, um festzustellen, ob der Zeitpunkt für den Beginn der Statusgespräche gekommen sei. In seinem Bericht an den Weltsicherheitsrat ging es darum, die Erfüllung der Standards und die allgemeine Lage im Kosovo zu beurteilen. Die Bilanz fiel negativ aus - vor allem vor dem Hintergrund der gewalttätigen Ausschreitungen vom März 2004: Dieser Vorfall, bei dem es Tote und Verletzte gab und zahlreiche serbische Gotteshäuser zerstört worden waren, belegte die Diskrepanz zwischen der Realität im Kosovo und den Wunschvorstellungen.

Aber fast schon kurz vor Eides Reise hieß es aus Washington, die amerikanische Regierung sei der Auffassung, dass die Statusgespräche beginnen sollten - unabhängig davon, ob die Standards für Kosovo erfüllt seien oder nicht. Eide befürwortete schließlich den Beginn der Gespräche: "Aus übergeordneten politischen Gründen" sei er zu diesem Schluss gekommen, und nicht weil die Standards für Kosovo erfüllt seien, so der UN-Beauftragte.

Auron Dodi
DW-RADIO/Albanisch, 12.12.2005, Fokus Ost-Südost

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