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Politik

Sturz mit dem Segen der USA

27. März 2020

Zwei Wochen nach dem Ausbruch  der Corona-Krise führt die Elite des Kosovo einen erbitterten Kampf gegen sich selbst. Die Regierung wurde mit dem Segen der USA gestürzt. Die Appelle der EU blieben wirkungslos.

Premierminister Albin Kurti
Der geschasste Premierminister Albin KurtiBild: Getty Images/AFP/A. Nimani

Seinen Sturz vom Mittwochabend nahm der kosovarische Noch-Premier Albin Kurti sportlich. Am Donnerstag schrieb der 45-Jährige auf Facebook: ”Das war ein notwendiger Sturz für einen notwendigen Aufstieg!" Denn Kurti denkt nicht an Aufgabe, nachdem das Parlament ihm nach einer Marathon-Sitzung das Vertrauen abgesprochen hatte. Alle Parteien mit Ausnahme seiner Vetëvendosja (Selbstbestimmung, kurz VV) stimmten gegen ihn.

Anlass für das Misstrauensvotum war die Entlassung des Innenministers, der dem Koalitionspartner LDK angehört. Dieser hatte sich im Rahmen der Corona-Krisenbewältigung öffentlich für die Ausrufung des Ausnahmezustands ausgesprochen, während Premier Kurti nur Ausgangsbeschränkungen befürwortete. Kurti war gegen den Vorschlag,  weil er befürchtete, dass dahinter mehr als nur eine Vorbeugungsmaßnahme steckte: ”Es wird der Ausnahmezustand gefordert, damit  Zwischenfälle im Norden Kosovos provoziert werden und danach ein neues Abkommen mit Serbien erreicht werde", so Kurti im Parlament. Er warf seinem Koalitionspartner geheime Deals mit den USA und Staatspräsident Hashim Thaci vor.

MSC 2020: US-Botschafter Grenell (Bildmitte), Hashim Thaci (links, stehend) und der serbische Präsident Aleksandar Vucic (rechts, stehend) Bild: Reuters/M. Dalder

Geheime Deals

In der Tat drängen die USA seit Monaten darauf, dass Kosovo die Zölle auf Waren aus Serbien und Bosnien-Herzegowina aufheben soll. Dies ist auch die Bedingung Serbiens für die Fortsetzung des Dialogs mit Kosovo. Die hundertprozentigen Zolltarife hatte 2018 der damalige Kosovo-Premier Ramush Haradinaj (AAK) als Protest gegen Serbiens aktive Politik gegen die Mitgliedschaft Kosovos in internationalen Organisationen erhoben. Doch schon damals ging es um mehr: Haradinaj wollte einen möglichen Deal mit Serbien mit der Folge eines Gebietstauschs zwischen Kosovo und Serbien verhindern. Laut dem US-Sicherheitsexperten Daniel Serwer gibt es jetzt wieder den Vorschlag für einen  ähnlichen Deal, der einen Gebietstausch beinhalten soll, aber keine Mitgliedschaft Kosovos in der UNO, so Serwer in einem Gespräch mit der investigativen kosovarischen Journalistin Jeta Xharra.

Am Donnerstag dementierte die Trump-Administration die Existenz solcher geheimer Pläne: Der Balkan-Sondergesandte Mathew Palmer, der Trump-Sondergesandte für den Dialog zwischen Serbien und Kosovo, Botschaftr Richard Grenell, und der US-Amerikanische Botschafter in Prishtina, Philipp Kosnett, erklärten in einer Pressemitteilung: "Wir möchten klarstellen, dass es keinen geheimen Plan für einen Gebietstausch zwischen Kosovo und Serbien gibt, wie einige spekuliert haben. Der Sondergesandte des Präsidenten, Richard Grenell, habe einen solchen Plan noch nie gesehen oder diskutiert", hieß es dort.

Mit Segen der USA?

Auch wenn es keinen Plan geben sollte, sind viele Beobachter der Meinung, dass die USA  gerade die Corona-Krise nutzt, um den ihnen nicht bequemen Kurti zu stürzen. Dazu passt auch, dass der US-Botschafter in Kosovo, Philipp Kosnett, am Abend vor dem Misstrauensvotum twitterte: "Ich freue mich, dass das Parlament morgen eine Sitzung zum Misstrauensvotum abhalten wird. Wie ich heute dem Premierminister gesagt habe, ist es wichtig, dass das Parlament und die  kosovarischen Institutionen die Verfassung respektieren."

Die ehemalige Balkan-Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, Doris Pack, (CDU), reagierte nach dem Sturz Kurtis empört: "Mitten in der Coronakrise stürzt  Kosovo ins Chaos. Dass führende LDK-Politiker das perfide Spiel von Thaci und Grenell mitspielten, ist unverzeihlich." 

In Berlin beobachte man die Einmischung der USA mit Besorgnis, heißt es aus Regierungskreisen. Der stellvertretende Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul, sowie die beiden Kosovo-Berichterstatter, Peter Beyer und  Christian Schmidt, hoben  in einer Presseerklärung die Wichtigkeit eines EU-geführten Dialogs mit Serbien hervor. "Nur die EU bietet diesen Ländern eine seriöse und verantwortungsbewusste Zukunftsperspektive an und habe gezeigt, dass sie auch tatkräftig dazu bereit ist" ,so die Politiker.

EU machtlos

Doch die Appelle der EU verhallen in Prishtina: Sowohl der EU-Botschafter als auch die Botschafter Frankreichs und Deutschlands hatten im Vorfeld des Misstrauensvotums versucht, dieses angesichts der Corona-Krise zu stoppen. Auch der Europa-Minister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, formulierte am Abend vor dem Misstrauensvotum in der DW einen Aufruf an Kosovo, sich auf die Bewältigung der Pandemie zu konzentrieren. "Corona schert sich nicht um innenpolitische Querelen und Befindlichkeiten! Jetzt gilt es, Verantwortung zu übernehmen, zusammenzustehen und die Bevölkerung zu schützen", sagte der SPD-Politiker. Doch all diese Bemühungen wurden von den Politikern in Kosovo ignoriert.

Michael Roth: "Jetzt gilt es, Verantwortung zu übernehmen!"Bild: DW/A. Shuka

Ignoriert wurde von den Betreibern des Misstrauensvotums auch die Position der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zuletzt am Montag mit Kurti telefoniert hatte und auch damit ihm Rückendeckung gab. "Die Bundeskanzlerin und der kosovarische Ministerpräsident befürworteten eine baldige Fortführung des Normalisierungsdialogs durch die Regierung der Republik Kosovo", hieß es in der Mitteilung der Bundesregierung. Merkel unterstützt auch die schrittweise Aufhebung der Zölle sowie den EU-geführten Dialog für die Beseitigung anderer nicht-tarifärer Handelsbarrieren zwischen den beiden Ländern.

Nicht "USA das Feld überlassen"

Doch ob es zu solchen Gesprächen kommt, ist offen. Nun wird wahrscheinlich der kosovarische Präsident Hashim Thaci, dem Kurti Korruption und Serbien Kriegsverbrechen vorwerfen, wieder die Geschicke des Landes in die Hand nehmen. Und Thaci setzt mehr auf US-Botschafter Grenell als auf die leisen und nicht immer einigen Töne der EU. Laut der FDP-Bundestagsabgeordneten Renata Alt  will Grenell "mit einem 'quick fix' der Trump-Administration zu einem außenpolitischen Erfolg verhelfen, statt zu einer wirklichen Lösung des Konflikts zwischen Serbien und Kosovo beizutragen." Und sie ruft die EU dazu auf, "im Dialog zwischen Kosovo und Serbien endlich wieder eine tragende Rolle zu spielen, statt das Feld den USA zu überlassen."

Um Grenell entgegenzuwirken, hat die EU einen eigenen Sonderbeauftragten ernannt, den ehemaligen Außenminister der Slowakei, Miroslav Lajcak. Allerdings reagierte Thaci auf diese Nachricht alles andere als erfreut. Laut ihm habe Lajcak nicht die nötige Glaubwürdigkeit, um zwischen Kosovo und Serbien zu vermitteln. Und auch die EU habe für ihn an Glaubwürdigkeit verloren, wie er es vor kurzem bei einer Pressekonferenz in Prishtina ausdrückte: "Die EU sollte zunächst das Visa-Regime liberalisieren und sich dann Gedanken machen, ob sie fähig ist, irgendeinen Beitrag in dem Dialog zu leisten", so Thaci.

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