Die Unabhängigkeit des Kosovo
1. Dezember 2009"Steht die einseitige Unabhängigkeitserklärung durch die vorübergehenden Institutionen der Selbstverwaltung im Kosovo in Einklang mit dem internationalen Recht?" Mit der Klärung dieser sperrigen Frage ist der Internationale Gerichtshof (IGH) seit Oktober 2008 befasst. Am Dienstag (01.12.2009) nun beginnt die öffentliche Debatte in Den Haag, die zehn Tage andauern soll. 29 Staaten haben ihre Anwesenheit angekündigt, auch die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates werden dabei sein.
Jeweils drei Stunden stehen den Delegationen aus dem Kosovo und Serbien zur Verfügung, um die 15 Richter unter dem Vorsitz des Japaners Hisashi Owada von ihren Positionen zu überzeugen. Alle anderen Staaten haben jeweils nur 45 Minuten.
Rivalen geben sich zuversichtlich
Der kosovarische Außenminister Skender Hyseni gibt sich im Vorfeld des Verfahrens kämpferisch und möchte "starke Argumente für das Recht des Kosovo auf Unabhängigkeit und Souveränität" präsentieren. "Wir werden den politischen Willen der Bevölkerung des Kosovo verteidigen", so Hyseni.
Die serbische Regierung ist hingegen überzeugt, dass sich das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs gegen die Unabhängigkeit aussprechen wird. Präsident Boris Tadic betonte, dass die Stellungnahme des Gerichts den Positionen Serbiens ähneln werde. Er hofft, dass sich danach eine Perspektive für neue Verhandlungen zwischen Belgrad und Prishtina bietet. Sein Außenminister Vuk Jeremic begründet diesen Optimismus mit "den sehr sorgfältigen juristische Vorbereitungen unserer Delegation sowie Beratungen mit einer Reihe von wichtigen Ländern, die für unsere Seite argumentieren werden."
Unterstützer und Widersacher
Der Kosovo wurde seit seiner Unabhängigkeitserklärung am 17. Februar 2008 von 63 Ländern anerkannt. Zugunsten der Unabhängigkeit werden 15 Länder auftreten: Albanien, Österreich, Bahrain, Bulgarien, Kroatien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Jordanien, die Niederlande, Norwegen, Saudi-Arabien, Großbritannien und die USA.
Serbien erhofft sich Unterstützung von 14 Ländern: Argentinien, Aserbaidschan, Belarus, Bolivien, Brasilien, Burundi, China, Zypern, Laos, Rumänien, Russland, Spanien, Venezuela und Vietnam. Acht der 15 Richter kommen aus Ländern, die die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt haben. Dennoch bescheinigt Jeremic dem internationalen Gerichtshof "die wahrscheinlich unabhängigste Institution der Welt" zu sein und betont, dass Serbien "ausreichend Gründe hat, um optimistisch zu sein."
Experten erwarten kein eindeutiges Urteil
Der Gerichtshof soll bis zum Frühjahr 2010 ein Gutachten vorbereiten. Allerdings bezweifeln viele Analysten und Experten, dass das Gutachten eine klare Position beziehen wird. So erwartet der kosovarische Völkerrechtler Eqrem Zenelaj, dass das Gericht "eine zweideutige Entscheidung" treffen wird: "Das wird eine Entscheidung, die sowohl in Form, als auch Inhalt beiden Parteien die Möglichkeit lässt, sie so zu interpretieren, wie sie es wollen."
Vor einigen Tagen zitierten Russische Medien auch den verhandelnden Richter Hisashi Owada mit den Worten, das Gutachten werde "neutral" sein. Er erwarte Uneinigkeit unter den Richtern und damit könne niemand vom Gutachten eine klare Antwort wie "ja" oder "nein" erwarten.
Autor: Bahri Cani
Redaktion: Fabian Schmidt / Mareike Röwekamp