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"Diese Berlinale sucht das Glück"

Hans Christoph von Bock5. Februar 2016

In wenigen Tagen beginnt die 66. Ausgabe der Berlinale. Dieter Kosslick ist seit 2001 Festival-Direktor. Im DW-Interview erklärt er das diesjährige Motto. Es lautet: "Das Recht auf Glück".

Deutschland Dieter Kosslick Berlinale 2016 PK
Bild: Getty Images/AFP/O. Andersen

DW: Herr Kosslick, am 11. Februar beginnt die 66. Ausgabe der Berlinale. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Dieter Kosslick: Ich freue mich am meisten, wenn die Eröffnung ohne jegliche Pannen zu Ende geht. Denn das ist ein ziemlicher Aufschlag. Und wenn das rum ist, dann geht die Berlinale richtig los.

Es gab bei der Berlinale immer wieder große emotionale Momente. Ich erinnere an die Rolling Stones auf dem Roten Teppich, aber auch an die ehemaligen Gefangenen aus Guantanamo, als der Dokumentarfilm "Road to Guantanamo" gezeigt wurde. Was sind denn dieses Mal Ihre Highlights?

Leider muss man sich an diesen Film "Road to Guantanamo" wegen des Themas erinnern. So etwas haben wir in diesem Jahr wieder im Programm. Wir haben bei der Berlinale viele Filme, die sich mit dem Thema Migration und Verlust der Heimat beschäftigen und das Oberthema verifizieren - es heißt: 'Das Recht auf Glück'.

Die Berlinale und das Glück

'Das Recht auf Glück', wie ist das zu verstehen?

Das ist sehr unterschiedlich. Ein Beispiel: In dem deutschen Wettbewerbsbeitrag "24 Wochen" sucht ein Paar sein Glück in der Familie. Sie bekommen ein zweites Kind und diskutieren darüber, was das bedeutet. Und dann gibt es gewisse Schwierigkeiten und dann wird die Diskussion intensiver. Es geht aber darum: Wie werden wir glücklich als Familie? Wie werden wir glücklich mit diesem neu ankommenden Kind?

Und wenn man dann die Kamera aufzieht und das große Bild anschaut, dann kann man ja auch sagen: Eigentlich sind alle Leute, die migrieren oder die in der Welt weglaufen aus ihrer Heimat oder von da, wo sie leben, auf der Suche nach dem Glück. Denn sonst würden sie ja da bleiben. Niemand verlässt seine Heimat, wenn er nicht muss. Und das verbindet, glaube ich, diese ganzen 435 Filme, die wir dieses Jahr auf der Berlinale in den offiziellen Sektionen zeigen.

Die Verantwortung von Kino und Kultur

Und da zeigt sich auch wieder das Motto, unter dem Sie seinerzeit angetreten sind, nämlich, dass das Kino eine gesellschaftliche Verantwortung hat.

Jeder kulturelle Event hat eine gesellschaftliche Verantwortung. Kultur ist gesellschaftliche Verantwortung! Das ist vielleicht sogar mehr denn je notwendig, weil die Ökonomie versagt hat. Denn dieses Desaster, was wir derzeit haben, ist ja nicht nur ein Religionskrieg. Das ist es vielleicht auch, so wie die Kreuzritter, die früher in fremde Länder gezogen sind, um unsere Religionen dort zu verbreiten. Aber das Desaster heute ist ja auch eine Antwort auf die ungezügelte ökonomische Globalisierung in der Welt. Die Leute sind verarmt, die Leute sterben daran, die Leute arbeiten unter unfassbaren Umständen. Und wir tragen die T-Shirts für einen Euro und machen uns keinen Kopf, wer die eigentlich herstellt oder und unter welchen Umständen die hergestellt werden.

Jeder, der schon mal hier war, weiß, dass die Berlinale ganz schön anstrengend sein kann. Für Sie als Festivalchef heißt das: Zehn Tage lang Totalstress, 24 Stunden lang. Gibt es auch Freude? Oder ist das nur Stress?

Vorfreude auf "schöne französische Filme"

Ne, ne, es ist Stress, aber es macht natürlich auch Spaß. Und zweitens: ein Filmfestival ist selbstverständlich auch ein Fest des Films. Wir haben natürlich auch Komödien. Wir haben den guten Depardieu hier. Wir haben sehr, sehr schöne französische Filme - übrigens vier Stück im offiziellen Programm- wo man großen Spaß haben kann, weil mit großer Leichtigkeit auch gesellschaftliche Probleme inszeniert werden. Dominik Moll zum Beispiel mit einer großartigen Komödie.

Man muss diesen Spagat aushalten. Denn dieser Spagat ist ja nichts anderes als der, den wir jeden Tag machen in der Welt. Wir können ja auch nicht dauernd rumlaufen und sagen: Ich möchte hier nicht mehr leben, weil es alles so schlimm ist. Wir möchten auch glücklich sein, und das muss man bei so einem Event bedenken. Deshalb ist es ja auch keine Flüchtlings-Berlinale, sondern eine Berlinale, wo wir nach Glück suchen. Da sind die Flüchtlinge natürlich ein großer Teil, aber eben nur ein Teil.

Flüchtlinge auf dem Weg nach Lampedusa (Archivbild) - Eine Dokumentation läuft in Berlin als WettbewerbsfilmBild: picture-alliance/dpa/Italian Navy

Dieter Kosslick, 1948 in Pforheim geboren, ist seit dem 1. Mai 2001 Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Er gilt als überaus kenntnisreiches Kommunikationstalent mit Humor und Schlagfertigkeit. Sein Vertrag wurde 2014 um fünf weitere Jahre bis 2019 verlängert.

Auch die neue Ausgabe von KINO blickt auf die 66. Berlinale. Wir wagen einen ersten Blick auf den Eröffnungsfilm "Heil Caesar!". Wir gehen der Frage nach, wer ins Rennen um die Bären geht, beschäftigen uns schon mal mit Michael Moores neuem Film "Where to invade next" und fragen, welche Rolle das deutsche Kino bei der Berlinale spielt. Außerdem gibt es ein Porträt der Jury-Präsidentin Meryl Streep und Dieter Kosslick im Gespräch.

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