1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

AKK und die neue Rolle der Bundeswehr

7. November 2019

Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen wagt sie sich damit auf ein heikles Feld deutscher Außenpolitik.

Deutschland l Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) - Manfred-Wörner-Medaille
Annegret Kramp-Karrenbauer spricht zur Verleihung der Manfred-Wörner-Medaille (6.11.)Bild: picture alliance/dpa

Eine ganze Seite füllt das Interview, das Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer der "Süddeutschen Zeitung " gegeben hat. Aus ihrem Umfeld ist zu hören, das Interview sei quasi der Auftakt, die Einstimmung auf die Grundsatzrede, in der sich die Ministerin in der Universität der Bundeswehr in Neubiberg für mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr ausspricht. Sie wird gefragt, ob Deutschland nicht schon genug im Ausland engagiert sei, in Afghanistan etwa oder in Mali. 

Kramp-Karrenbauer antwortet: "Wir können voller Stolz sagen, dass wir bisher unsere Beiträge geliefert haben, ob das nun in Afghanistan, Mali oder an vielen anderen Stellen der Welt ist. Wir müssen aber künftig auch offen damit umgehen, dass wir – so wie jedes andere Land der Welt – eigene strategische Interessen haben." Und die, so die CDU-Vorsitzende in ihrer Rede, würden durch Deutschlands Rolle als weltführende Exportnation bestimmt.

Deutsche Interessen benennen - und offensiv verteidigen

Offen spricht sie aus, dass Deutschland bereit sein muss, Handelswege offensiv zu schützen: "In einer Zeit, in der sich die Vereinigten Staaten ein Stück weit zurückziehen, sind wir stärker gefordert. Wir sind zu Einsätzen dazu gekommen, wenn wir gefragt worden sind – mal haben wir uns stärker beteiligt, mal weniger. Deutschland muss aber selbst die Initiative ergreifen, Impulse setzen, Optionen aufzeigen."

In ihrer Rede an der Bundeswehr-Universität klingt das so: "Ein Land unsere Größe und unserer wirtschaftlichen und technologischen Kraft, ein Land unserer geostrategischen Lage und mit unseren globalen Interessen, das kann nicht nur einfach am Rande stehen und zuschauen!"

Annegret-Kramp-Karrenbauer im August diesen Jahres bei deutsche Soldaten im Norden des IrakBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Und wo Deutschland aktiv werden könnte, fasst die CDU-Vorsitzende viel weiter als bisher alle deutschen Politiker: "Deutschland hat Sicherheitspartner nicht nur im euro-atlantischen Raum, sondern weltweit." So könne sie sich auch eine tiefere Zusammenarbeit mit dem Indo-Pazifik-Raum vorstellen, also mit Südkorea, Japan, Australien, aber auch mit Indien.

Außerdem will Kramp-Karrenbauer ihre Zusammenarbeit mit Frankreich und Großbritannien verstetigen und intensivieren. Das wird sicher nicht bei allen NATO-Partnern gut ankommen und vielleicht auch als eine Art von Konkurrenz-Klub gesehen werden. Eine Idee, die auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisch sieht. Europäische Einigkeit könne transatlantische Einigkeit nicht ersetzen, sagte Stoltenberg, der zeitgleich zur Rede Kramp-Karrenbauers bei einer Veranstaltung der Körber-Stiftung in Berlin sprach. "Deutschland ist ein hoch geschätzter NATO-Partner mit wichtigen Beiträgen vom Kosovo bis Afghanistan", so Stoltenberg weiter. "Europas größte Volkswirtschaft muss auch in Zukunft eine führende Rolle in der Allianz spielen." Deutschland brauche eine starke NATO, so wie die NATO ein starkes Deutschland brauche.

Deutschland soll nicht länger nur am Rande stehen

Darin also scheinen sich die deutsche Verteidigungsministerin und der NATO-Generalsekretär einig. Nicht länger nur am Rande stehen, das klingt wie eine erneute Rechtfertigung für den ersten großen Impuls, den die deutsche Oberbefehlshaberin in Friedenszeiten vor einigen Wochen setzte. Da schlug sie im Interview mit der Deutschen Welle vor, im Norden Syriens eine internationale Schutztruppe aufzustellen.

Unklare deutsche Haltung: Außenminister Heiko Maas bei seinem türkischen Amtskollegen Mevlut Cavusoglu Bild: picture-alliance/AP Photo

Eine Beteiligung von deutschen Soldaten auch am Boden schloss sie dabei jedenfalls nicht aus. Außenminister Heiko Maas von der SPD hatte Kramp-Karrenbauer von diesem Vorschlag nur in sehr groben Zügen vorab informiert. Der reagierte verärgert und kritisierte seine Kabinettskollegin sogar im Ausland dafür, bei einem Besuch in der Türkei.

Auslandseinsätze der Bundeswehr heikles und unpopuläres Politikfeld

Jetzt also die nächste inhaltliche Offensive der Frau, die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Dezember letzten Jahres als Vorsitzende der CDU in Deutschland nachfolgte. Ganz neu sind ihre Vorschläge nicht, schon seit vielen Jahren fordern vor allem konservative Politiker in Deutschland mehr eigenes militärisches Engagement Deutschlands. Ähnlich wie jetzt Kramp-Karrenbauer hatte sich etwa wiederholt der frühere Bundespräsident Joachim Gauck geäußert.

Forderte den Schutz von Handelswegen, wurde dafür kritisiert, und trat zurück: Horst Köhler, früherer BundespräsidentBild: picture-alliance/AP Photo/M. Trezzini

Und einer der Vorgänger Gaucks, Horst Köhler, trat gar als Bundespräsident zurück, nachdem er sich zu der heiklen Frage über Bundeswehreinsätze im Ausland geäußert hatte. Nach einem Afghanistan-Besuch hatte Köhler gefordert, Deutschland müsse auch militärisch bereit sein, Handelswege zu schützen. Nachdem er dafür heftig von vielen Politikern kritisiert worden war, die ihm eine Militarisierung der Außenpolitik des Landes vorwarfen, trat Köhler im Mai 2010 tief verletzt zurück.

Ein mutiger Vorstoß in schwieriger Zeit

Zehn Jahre später zeigt sich: Die Frage, ob deutsche Soldaten noch stärker als bisher im Ausland eingesetzt werden sollen, ist immer noch nicht grundsätzlich geklärt. Kramp-Karrenbauer geht deshalb mit ihrer Initiative ein hohes Wagnis ein. Schon die bestehenden Auslandseinsätze finden in der Bevölkerung in Umfragen selten eine Mehrheit. In ihrer Rede betont sie deshalb immer wieder, vom Redemanuskript abweichend, wie wichtig eine öffentliche Debatte um all diese heiklen Fragen sei.

Ostermärsche in Berlin 2019: In Deutschland gibt es eine tiefe Skepsis gegenüber Auslandseinsätzen der Bundeswehr.Bild: Imago Images/epd/C. Ditsch

Nach einigen Ungeschicklichkeiten im Amt ist die neue CDU-Vorsitzende auch in ihrer Partei nicht mehr unumstritten. Ihre Umfragewerte sind schlecht. Auch werden ihr die enttäuschenden Wahlergebnisse bei der Europawahl und zuletzt bei drei Landtagswahlen im Osten Deutschlands angelastet. Ihre Eignung als mögliche Kanzlerin, wenn Angela Merkel 2021 abtritt, wird immer häufiger in Zweifel gezogen.

Ein "Nationaler Sicherheitsrat" für Deutschland?

Aber Kramp-Karrenbauer scheint es mit dem stärkeren Engagement Deutschlands im Ausland ernst zu meinen. Kramp-Karrenbauer sieht diverse Herausforderungen in einer stark veränderten Sicherheitspolitik: die russische Aggression in der Ukraine, den internationalen, islamistischen Terrorismusund auch den Aufstieg Chinas, der mit "einem eigenen Herrschaftsanspruch einhergeht – inzwischen nicht mehr nur in seiner unmittelbaren Nachbarschaft."

Deutsche Soldaten in AfghanistanBild: picture-alliance/JOKER/T. Vog

Kramp-Karrenbauer schlägt deshalb vor, den bislang eher im Verborgenen tagenden Bundessicherheitsrat in einen "Nationalen Sicherheitsrat" umzuwandeln: "Das wäre ein Gremium, das den vernetzten Ansatz wirksam umsetzt, indem es die Instrumente von Diplomatie, Militär, Wirtschaft und Handel, innerer Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit koordiniert."

Ein klares Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel

Wie das konkret gehen soll, dass die Bundeswehr, die schon jetzt oft heillos überfordert wirkt, in noch mehr Einsätze eingebunden wird, ließ Kramp-Karrenbauer zunächst offen. Aber sie versprach, die deutschen Ausgaben für die Verteidigung bis 2031 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern.

"So habe ich 'Made in Germany' immer verstanden, das wir halten, was wir versprechen" sagte die Ministerin. Das wird den US-amerikanischen Außenminister Mike Pompeo freuen, der gerade zu Besuch in Deutschland ist. Denn mehr deutsche Anstrengungen für die Verteidigung fordern die USA schon lange.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen