Kramp-Karrenbauer tritt ab - und mahnt
15. Januar 2021"Eine Volkspartei der Mitte": Die Kanzlerin sagt es, die CDU-Vorsitzende auch. Es klingt bekräftigend, beschwörend. Seit über 20 Jahren stehen zwei Frauen an der Spitze der CDU, die längste Zeit Angela Merkel, dann die letzten 25 Monate Annegret Kramp-Karrenbauer. Am Freitagabend blicken sie zurück. An diesem Samstag folgt die Neuwahl – mit drei männlichen Kandidaten.
Es ist ein digitaler Parteitag, ein volldigitaler Parteitag. Die Vorsitzende Kramp-Karrenbauer, auch hier gelegentlich AKK genannt, ihr Generalsekretär Paul Ziemiak, wenige weitere Akteure befinden sich – ohne Delegierte, ohne Journalistinnen und Journalisten, ohne Gäste – in einer Berliner Messehalle. Die 1001 Delegierten sitzen daheim. "Dieser Parteitag findet in ganz Deutschland statt", sagt Ziemiak.
"Stehen wir zusammen"
Armin Laschet, Friedrich Merz, Norbert Röttgen: Drei CDU-Männer aus Nordrhein-Westfalen wollen auf AKK folgen. Weder Merkel noch Kramp-Karrenbauer haben sich explizit festgelegt in den vergangenen Wochen. Die Parteichefin signalisierte, konkrete Regierungserfahrung sei wichtig. Das klingt nach Laschet.
Merkel und Kramp-Karrenbauer betonen das Festhalten am Anspruch der Volkspartei. Die Kanzlerin, die in knapp 15 Minuten - Merkel-typisch - mit viel Statistik einen raschen Blick über die globale Entwicklung in den 15 Jahren ihrer Kanzlerschaft abspult, sagt nichts zum Rückzug Kramp-Karrenbauers von der Parteispitze, spricht sie zu Beginn lediglich mit dem Vornamen an. Die Rede der scheidenden Vorsitzenden blickt ein wenig mehr auf die Nachfolge-Entscheidung, die auch wenige Stunden vor der Wahl völlig offen ist. "Unterstützen wir geschlossen den neuen Vorsitzenden, stehen wir zusammen", mahnt sie.
Mahnender Blick zurück
Kramp-Karrenbauer blickt zurück auf ihre drei Jahre in Berlin, als Generalsekretärin und Parteivorsitzende. "Wir schauten in den Abgrund", meint sie mit Blick auf den Krach der Schwesterparteien CDU und CSU. Da drohte 2018 die Spaltung. "So etwas darf uns nie wieder passieren."
Die 58-Jährige nennt die Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz Ende 2018 ein "Experiment". Dass es gescheitert sei, sagt sie nicht. Aber sie spricht davon, dass ihr später in schwieriger Zeit - in Thüringen wollten CDU-Abgeordnete mit der AfD einen FDP-Ministerpräsidenten wählen - Autorität und Durchsetzungsvermögen gefehlt habe: "Es ging um die Seele unserer Partei." Die scheidende Chefin nennt dann die Themen Klimaschutz, internationale Verpflichtungen in der Sicherheitspolitik, den Kampf gegen Corona.
Abschied ohne großen Beifall
Ihre Bilanz am Ende: "Viele haben sich mehr von mir erhofft und sind von mir enttäuscht." Da hat sie ein Zittern in der Stimme. Ihre kurze Wegstrecke an der Spitze sei aber "nicht der schlechteste Teil" der Parteigeschichte gewesen. Zum Ende die Mahnung der Stunde: "Unterstützen wir geschlossen den neuen Vorsitzenden, stehen wir zusammen!" Vielleicht sagt sie es so sehr, weil sie diese Geschlossenheit selbst nicht erfahren durfte.
Als Kramp-Karrenbauer zu ihrem Platz zurückschreitet: keine Halle voller Applaus, kein Händedruck, keine Umarmung, keine Blumen. Ein symbolisches Klatschen. Corona. Später spricht ihr Vize Volker Bouffier warme Worte der Würdigung, hat ein Geschenk, in der Sterilität des Studios wirkt das zunächst wie ein Nachruf. Und es dauert, bis AKK mal lächelt, auch lacht. "Wir nehmen heute nicht Abschied, wir sagen danke", sagt Bouffier.
Vielleicht wird nie deutlicher als in diesem Moment, wie weit entfernt eine digitale Zusammenkunft der 1001 Delegierten von einem realen Parteitreffen ist. Parteitage - das sind auch Familientreffen, Lagerbildungen, Freundschaftspflege. Als sich Kramp-Karrenbauer am 7. Dezember 2018 bei einem Parteitag in Hamburg gegen Friedrich Merz durchsetzte, fieberte eine Halle beim Kopf-an-Kopf-Rennen und den Bewerbungsreden der Kandidaten mit. Die Menge wurde ruhiger und still, der Saal wirkte fröstelnd kühler, als Friedrich Merz, damals der Herausforderer, mit einer verkrampft anmutenden Rede nicht zündete. Der sonst so brillante Redner kam nicht in Schwung. Die Halle kochte, als dann AKK gewählt wurde. Mit knapper Mehrheit.
An diesem Samstag nun wird digital gewählt. Zum Ende eines zehnmonatigen Wettlaufs dreier Konkurrenten. "Ein spannendes Projekt", sagt Generalsekretär Paul Ziemiak zur digitalen Wirklichkeit. Eine kochende Halle wie 2018 wird es dieses Mal aber nicht geben.