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Politik

Kreativer Widerstand gegen AfD-Meldeportal

Kay-Alexander Scholz
24. Oktober 2018

Internetportale, auf denen Schüler AfD-kritische Lehrer melden sollen - das hat für Protest gesorgt. Der geht nun kreative Wege. AfD-Fraktionen in mehreren deutschen Landtagen hatten die Beschwerde-Seiten eingerichtet.

Symbolbild Quereinsteiger
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Die "Alternative für Deutschland" (AfD) lebt politisch wesentlich davon, in die Schlagzeilen zu kommen. Zurzeit schaffen die deutschen Rechtspopulisten das mit einem Beschwerdeportal für Schüler gegen Lehrer. Hier sollen - kurz gefasst - Schüler online eine Beschwerde hinterlassen, wenn Lehrer ihrer Meinung nach schlecht über die AfD reden.

Betreiber sind die AfD-Fraktionen in den Landtagen. Im September fing Hamburg an - siehe Screenshot. Weitere AfD-Fraktionen folgten, zehn insgesamt sind angekündigt.

Bild: afd-fraktion-hamburg.de

Auch die Berliner AfD-Fraktion hat ein Portal "Neutrale Schule" ins Internet gestellt. Das sei nötig, "weil in vielen Schulen von Lehrern nur noch ein einseitiges links-grünes Weltbild verbreitet und geduldet wird", begründete AfD-Fraktions- und Landesparteichef Georg Pazderski den ungewöhnlichen Schritt. So oder so ähnlich klingen auch die Argumente anderer AfD-Politiker.

Wie neutral müssen Lehrer sein?

Angriffspunkt der AfD ist das Neutralitätsgebot für Lehrer und Schulen. Das lautet: Parteien sind zwar Privatsache, aber Lehrer dürfen keinen Einfluss auf die Schüler zum Beispiel im Sinne einer Partei ausüben. Themen müssen ausgewogen besprochen werden. Das steht so in vielen Schulgesetzen der Länder. Außerdem wurde in den 1970er-Jahren der sogenannten Beutelsbacher Konsens mit einem Indoktrinationsverbot vereinbart. Lehrer sollen Schülern also nicht ihre politische Meinung aufzwingen, sondern sie befähigen, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Zugleich sind Lehrer Angestellte des Öffentlichen Dienstes oder sogar Staatsbeamte. Das heißt, sie haben sich zur Treue gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland verpflichtet. Daran erinnerte auch die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres. Die AfD habe das mit der Neutralität falsch verstanden, so die SPD-Politikerin. "Es bedeutet nicht, dass keine Haltung vermittelt wird. Es ist Aufgabe der Schule, die im Grundgesetz und Schulgesetz formulierten Werte wie Demokratie, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln." Die AfD wolle in Wirklichkeit Schulen für ihre Zwecke instrumentalisieren, sagt Scheeres. Das Ziel des Portals sei offensichtlich, "politisch missliebige Lehrkräfte an den Pranger zu stellen".

Kreativer Protest

Scheeres hat deshalb zu "kreativem Protest" aufgerufen. Die Motivation dahinter mag auch sein, dass dem AfD-Vorhaben rechtlich bislang nicht beizukommen ist. Es gibt lediglich Graubereiche wie Fragen des Datenschutzes oder der Finanzierungsregeln für Fraktionen, die der AfD einen Strich durch die Rechnung machen könnten.

Vergleicht die AfD-Meldeportale mit Prangern: Berlins Bildungssenatorin Sandra ScheeresBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Darauf wollten anscheinend nicht alle hoffen, und so haben sich in der Tat kreative Protestformen entwickelt. In Berlin haben sich 30 Lehrer einer Schule in einem linken Stadtteil mit hohen Migrantenanteil einen Brief an die AfD-Fraktion von Berlin geschrieben und sich selbst angezeigt. "Wir legen großen Wert darauf, auf dieser Liste zu stehen", heißt es in dem Brief. "Denn wir werden auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass Schüler und Schülerinnen befähigt werden, sich über den Charakter Ihrer Partei ein Bild zu machen." Man wolle sich "nicht einschüchtern lassen". "Aus der Geschichte wissen wir, dass das, was mit Denunziation und Einschüchterung beginnt, mit der Inhaftierung von Andersdenkenden in Lagern endet."

Aber auch aus einem bürgerlichen Stadtteil kommt Widerstand. Der seit 2014 bestehende Verein "Bildet Berlin! - eine Initiative für Schulqualität", der zuletzt gegen den Ausfall von Unterricht mobilisierte, hat auf seiner Website einen offenen Brief verfasst. Zwei Monate lang sollen nun Unterschriften gesammelt werden. Der Brief ist eine Liste sarkastischer Geständnisse wie: "Wir gestehen, dass wir in unserem Unterricht das komplexe Thema der Migration nicht als Erklärung für alle Probleme in Deutschland haben gelten lassen."

Unterstützung aus dem Netz

Es lassen sich weitere Protest-Aktionen finden. Die Petitionsseite "Change.org" hat eine Solidaritätsplattform für Lehrer gestartet. 50.000 Personen haben schon unterschrieben. Die Piratenpartei in Baden-Würtemberg hat das Portal "Mein Abgeordneter hetzt" eingerichtet, mit dem sich Beschwerdeportale der AfD mit Zitaten von AfD-Abgeordneten füllen lassen. Das führte zu einem solchen Andrang, dass der Server zusammenbrach.

Die für Bildung zuständigen Kultusminister der Länder, Bildung ist in Deutschland Ländersache, haben das Vorgehen der AfD kritisiert. Man wende sich "entschieden gegen Internetportale, in denen Schülerinnen und Schüler ihre Lehrkräfte wegen vermeintlicher parteipolitischer Einflussnahme denunzieren sollen".

Aus Sicht der Lehrer birgt die AfD-Aktion auch Gefahren, weil die Meldungen bei den Schulaufsichtsbehörden landen könnten. Doch Folgen für die Lehrer seien nicht zu befürchten, sagte ein Gewerkschaftsvertreter. Die Meldungen würden schließlich mit der gebotenen Sachlichkeit geprüft.

Derzeit sind in vielen Bundesländern Herbstferien. Für danach - 6. November - hat die Berliner AfD-Fraktion eine Zwischenbilanz angekündigt. Dann wird man sehen, wie erfolgreich aus Sicht der AfD das Vorhaben war. In den Schlagzeilen wird die Partei damit wohl wieder sein, egal, wie sehr ihre "Meldeportale" tatsächlich genutzt werden. 

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