Kreischende Teenies und "Stille Konzerte"
22. Juni 2012 8000 kreischende Mädchen jubeln Tim Bendzko zu. Der Singer/Songwriter, der mit "Nur noch kurz die Welt retten" den Sommerhit des letzten Jahres gelandet hatte, kann sich eigentlich über wachsenden Erfolg nicht beschweren, doch das hier war sein größtes Konzert bisher. Die Begeisterung, die Tim Bendzko beim Eröffnungskonzert der c/o pop am Mittwoch Abend entgegenschlug, überraschte selbst ihn. Dass solche Konzerte im Rahmen der c/o pop stattfinden: Damit hätte wahrscheinlich auch niemand gerechnet, als das Festival im Jahr 2004 zum ersten Mal veranstaltet wurde.
Eigentlich war man vor neun Jahren als Elektronik-Event gestartet, doch der so genannte Indie-Pop hat im Programm über die Jahre immer breiteren Raum gewonnen. Dass auch Mainstream-Pop ins Programm aufgenommen wurde, ist relativ neu. Etwa im letzten Jahr Philip Poisel, oder dieses Jahr Tim Bendzko, der deutsche Pop-Newcomer des Jahres 2011. Solche Konzerte bringen natürlich vor allem Zuschauer und wohl auch finanzielle Sicherheit für die Veranstalter. "Die übrigen Indie- und Elektronik-Fans respektieren diese Zugeständnisse ans Business", sagte c/o pop-Geschäftsführer Norbert Oberhaus. "Denn sie wissen, dass sie beim c/o pop-Festival Qualität geboten bekommen, und dass Köln ein guter Ort ist, aktuelle internationale Pop-Trends aufzuspüren."
Die Tempel von Hochkultur und Tradition
Das c/o pop-Festival hat sich in den letzten Jahren ziemlich ausgebreitet. In Köln werden nicht nur die üblichen Clubs bespielt und beschallt. Musik an Orten zu präsentieren, wo man sie zunächst nicht erwartet, ist Ziel der Programmmacher. In der Kölner Philharmonie finden während der c/o pop schon länger Konzerte statt, auch auf dem Dach des Museums Ludwig oder im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks. In diesem Jahr wurde erstmals ein heiliger Ort Kölscher Tradition einbezogen.
Das Millowitsch-Theater, ja, genau, die persönliche Spielstätte des beliebten verstorbenen Schauspielers Willy Millowitsch und seiner Familie, bietet gleich mehrere avantgardistische Acts wie zum Beispiel die Sängerin Dillon. Norbert Oberhaus erzählte, dass es anfangs in den Tempeln der Hochkultur doch durchaus Vorbehalte gab, dass aber inzwischen die Spielorte sogar anfragen würden, ob man denn bei ihnen wieder Konzerte veranstalten möchte.
Diesseits der Stille
Auch die so genannten Silent Performances haben ihren Weg ins Kölner Milowitsch-Theater gefunden. Im Jahr 2010 gab es erstmals Konzerte mit Kopfhörern bei der c/o pop. Eigentlich war dieses Konzept als aktive Lärmschutzmaßnahme gedacht, doch Silent Concerts entwickeln sich derzeit zu einer eigenständigen Kunstform. An das Publikum werden Funkkopfhörer verteilt, Lautsprecherboxen gibt es nicht. Um die Zuhörer herum herrscht Stille. Der Tradition gemäß, bieten die Silent Performances der c/o pop vor allem Elektronisches, etwa die akustisch musikalische Weltreise der Pachanga Boys.
Pop-musikalische Nachwuchsförderung
Wie kann man sich ein Festival-Publikum erhalten, wenn es in die Jahre kommt und Familien gründet? Hüpfburgen gibt es auf jedem Wiesen-Festival, auch spezielle Kinderprogramme mit Musik und Clowns findet man immer häufiger, doch was die "c/o pänz" macht, ist ungewöhnlich. Hier machen die Kinder selbst Musik. Sie besuchen DJ-Workshops, lernen, wie man scratcht, machen ihre ersten Erfahrungen beim Beats-Basteln am Computer oder tanzen in der Silent Disco. Ob sie deswegen gleich ihre Eltern zum musikalisch eigenwilligen Konzert der Österreicherin Soap&Skin in die Philharmonie begleiten werden, ist zwar eher nicht anzunehmen, aber die Kreativität fördern solche Aktionen allemal und vielleicht entdeckt ja der eine oder andere Nachwuchs-Rapper bei der c/o pänz sein Talent und spielt in 10 Jahren auf dem Festivalprogramm für die Großen.