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Kricket macht Freunde

Rafael Heiling20. März 2004

Indien und Pakistan sind in den letzten Jahren mehrmals knapp an einem Krieg vorbeigeschrammt. Jetzt stehen sie sich wieder gegenüber - beim Kricket. Erstmals seit 14 Jahren wird gegeneinander gespielt, nicht gewettert.

Indiens Premier Vajpayee hat sein Team zum Versöhnungsspiel nach Pakistan geschicktBild: AP

Indien und Pakistan sind sich wieder ein Stück näher gekommen - sie haben eine gemeinsame Leidenschaft wiederbelebt, die seit dem letzten Beziehungskrach brachlag: Kricket, der beiderseits der Grenze heißblütig geliebte Nationalsport, soll alles wieder kitten. Zum ersten Mal seit der Saison 1989/90 ist ein indisches Team auf einer insgesamt fünfwöchigen Tour durch Pakistan, und zehntausende Fans reisen trotz strenger Visa-Bestimmungen und sprunghaft gestiegener Hotelpreise mit. Dass Indien nach dem ersten Match in Karachi am Samstag (13. März 2004) vorne lag - egal. Gewonnen haben irgendwie alle.

Tumulte um Tickets

Die groß inszenierte Versöhnung begann zunächst mit Tumulten. Kricket bewegt auf dem Subkontinent die Massen, und weil in Karachi die Ticketschalter nicht mit dem Ansturm der Zuschauer fertig wurden, musste die Polizei mehrfach einschreiten. Einige energische Fans sollen sogar in den Hungerstreik getreten sein, um an Eintrittskarten zu kommen.

Sicherheitskontrollen vorm Cricketspiel Indien - PakistanBild: AP

Die Sicherheitsvorkehrungen in Pakistan wären jedem Staatsbesuch würdig - ein Anschlag militanter Islamisten auf das indische Team um Superstar Sachin Tendulkar würde die Annäherung zwischen Indien und Pakistan schnell und gründlich beenden. Schon Tage vor dem Spiel sind neben mehreren tausend Sicherheitskräften Sprengstoff-Spürhunde in den Stadien im Einsatz, vor und während des Spiels kreisen Hubschrauber über der Arena. Die Spieler beider Teams leben sicherheitshalber abgeschottet in Hotels und fahren mit Polizei-Eskorte zu den Spielen; die Zuschauer müssen weit entfernt vom Stadion parken und mehrere Kontroll-Ringe passieren. Die Vorkehrungen sind gründlich, immerhin entkam Pakistans Präsident Pervez Musharraf im Dezember 2003 nur knapp zwei Attentaten - und nicht alle wollen versöhnt werden. Sowohl in Indien als auch in Pakistan gibt es von radikalen Gruppen Widerstand gegen die Aufnahme der Kricket-Diplomatie.

Friedlich und dramatisch

Das erste Spiel ging jedoch zur allgemeinen Erleichterung problemlos über die Bühne: Die Zuschauer applaudierten beiden Teams, es gab keine Gewalt - aber großen Sport. Indien legte in einem "epischen Match" (BBC) zunächst vor, Pakistan startete eine furiose Aufholjagd. Am Ende siegte Indien mit dem letzten Ball knapp mit 349 Runs - nur fünf mehr als Pakistan.

Diplomatie mit Ball und Schläger

Doch kann Kricket wirklich entscheidend die Aussöhnung zwischen den vermeintlichen Erzfeinden Indien und Pakistan voranbringen? Immerhin streiten sich Pakistan und Indien schon seit 1947 um die Kaschmir-Region, und schrecken dabei auch vor Kriegen nicht zurück. "Es trägt zur Entspannung bei, das war schon mehrmals so", bestätigt Karsten Frey, Dozent am Südasien-Institut der Universität Heidelberg. Er verweist auch auf die "Ping-Pong-Diplomatie" zwischen China und den USA in den 1970er Jahren. "Aber es ist nicht wesentlich. Es ist ein Gradmesser." Und an diesem liest der Experte in diesem Fall ab: Die Bedingungen für eine Aussöhnung "sind sicher günstig".

Das liege aber nicht so sehr am Sport - viele seien den Konflikt einfach leid, sagt Frey im Gespräch mit DW-WORLD: "Es ist eine gewisse Müdigkeit zu erkennen, vor allem in Pakistan. Auch aus wirtschaftlichen Gründen."

Der Verkehr fließt schon wieder

Dabei sind sich die beiden Kulturen so unähnlich nicht - vor allem, wenn es um Kricket geht. "Wenn einer der Staaten zum Beispiel gegen England spielt, dann ist immer Pakistan für Indien und umgekehrt", berichtet Frey - dann geht es nämlich gegen den gemeinsamen Kolonialherren von einst.

Es gibt aber auch außerhalb des Platzes deutliche Zeichen für politische Entspannung. Es fahren beispielsweise schon wieder Busse zwischen den Ländern, (Verkehrs-)Flugzeuge überfliegen die Grenze; am Kaschmir schweigen die Waffen - und beide Seiten verdienen an der Kricket-Diplomatie Millionen von Dollar an Werbeeinnahmen. Der indisch-pakistanische Konflikt ist damit natürlich noch nicht gelöst - aber vielleicht braucht es dafür bloß Zeit. Das ist beim Kricket auch nicht anders: Indien und Pakistan tragen noch drei Viertages-Spiele und vier "One-Dayers" aus.

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