Krieg der Nerven
3. August 2007Meist geht es darum zu erreichen, dass die Geiselnehmer von ihren politischen Forderungen abrücken und sich auf einen andersartigen Tauschhandel einlassen. Denn ein Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan - wie in den Fällen des im Irak verschleppten Sinan Krause und des in Afghanistan entführten Rudolf B. gefordert - ist für den Staat natürlich keine Option. Auf der anderen Seite hat der Staat aber auch eine Verantwortung für das Leben der Geiseln. Ein schwieriger Balanceakt ist das für die verantwortlichen Politiker und den Krisenstab im Auswärtigen Amt. Und ein Job, der viel Erfahrung, Verhandlungsgeschick und harte Nerven erfordert.
Propaganda und Psychologie
Zunächst gilt es, so viele Informationen wie möglich über die Entführer zu sammeln, damit man sich ein genaues Bild über die wahren Beweggründe für deren Tat machen kann. Grundsätzlich gilt: Sind die Entführer politische Überzeugungstäter, dann wird man es ganz, ganz schwer haben. Handelt es sich um gewöhnliche Kriminelle, dann lässt sich unter Umständen (ver-)handeln. Im Fall Rudolf B. hieß es zunächst, er und sein später getöteter Arbeitskollege seien in den Händen der Taliban. Die sind bekannt für zweierlei: für ihre islamistische Prinzipientreue und für ihre Brutalität. Tatsächlich aber weiß man mittlerweile, dass die Talibangeschichte nur ein Mittel der Propaganda, der psychologischen Kriegsführung war. Die Geiselnehmer wollten damit ihre Position stärken.
Spuren und Indizien
Das gilt auch für das Geiselvideo, das vor wenigen Tagen auftauchte. Das Video ist aber auch voll mit hilfreichen Hinweisen. Zum Beispiel war klar zu erkennen: Da sind Stümper am Werk. Die Kamera wackelt, die Aufnahmen sind hastig gemacht - offenbar in einer Pause während eines Gewaltmarsches durch die Berge. Taliban-Videos sind da schon ein gutes Stück professioneller und meist in geschlossenen Räumen gedreht. Man weiß mittlerweile, dass ein gewisser Mullah Nissam, ein paschtunischer Warlord aus der Provinz Ghasni, Drahtzieher der Entführung ist. Der hat zwar Kontakte zu den Taliban, gilt aber auch als autonomer Kopf, der machtpolitisch gerne sein eigenes Süppchen kocht. Mit dem kann man reden.
Deals und Tricks
Als nächstes gilt es zu klären, wie wahrscheinlich es ist, dass die Geisel während der Verhandlungen getötet wird. Immerhin: Eine Geisel hat ja schon ihr Leben verloren. Da Rudolf B. allerdings jetzt der einzig verbliebene Faustpfand ist, sind seine Überlebenschancen gut. Wie gesagt: Wenn sich die Entführer auf einen anderen als den politischen Deal einlassen. Einfach nur einen Koffer voller Geld versprechen geht aber auch dann nicht. Denn man ermuntert damit nur weitere Gauner auf dieser Welt, Ausländer zu entführen. Und nebenbei finanziert man damit Waffen, mit denen möglicherweise auf ISAF-Soldaten geschossen wird. Aber auch für das Umgehen direkter Lösegeldzahlungen gibt es eine große Trickkiste im Krisenstab von Berlin. Sie wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Man will ja das Leben der Geiseln nicht gefährden, heißt es dazu. Stimmt, aber der Staat schützt sich damit auch selbst.