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Krieg, Folter und Familie

Gudrun Heise27. Februar 2016

"Menschen aus den dunkelsten Orten der Welt verstehen und behandeln": Flüchtlinge und ihre Traumata stehen im Mittelpunkt eines Treffens von Psychotherapeuten in Berlin. Was muss, was kann getan werden?

Symbolbild Trauma Flüchtlinge (Foto: DW)

"Das Thema Traumatisierung ist spätestens seit der Flüchtlingsbewegung im Sommer vergangenen Jahres sehr aktuell geworden", sagt Bernhard Scholten. Er leitete die Planung für den Kongress der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie, DGTV. "Durch die Diskussionen in der Flüchtlingspolitik haben wir jetzt verstärkt einige Themen speziell auf Flüchtlinge hin ausgerichtet", sagt der Psychotherapeut im DW-Interview.

Flüchtlinge verstehen und therapieren - eine große Herausforderung. Die Flüchtlinge haben ihre Heimat verlassen, haben Schlimmes erlebt, sind vielleicht sogar gefoltert worden. Standards gebe es für die Behandlung nicht, so Scholten. "Natürlich muss sich die Methode am kulturellen und sozialen Hintergrund jedes einzelnen Menschen orientieren." Die unterschiedlichen Biografien seien zu berücksichtigen, auch die oft unbeschreiblich furchtbaren Erlebnisse, die bei vielen Flüchtlingen zu schlimmen Traumata geführt haben. Die Therapien orientierten sich immer an den Leiden der Menschen - und die seien äußerst individuell.

Der Kongress für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Beratung findet diese Woche an der Freien Universität Berlin statt. Das Motto: "The Dark Side of the Moon. Krisen, Traumata... - verlorene Sicherheit zurückgewinnen".

Zu wenige Psychotherapeuten

Es gibt lediglich etwa 4000 Plätze an den spezialisierten Zentren für Folteropfer und Kriegsflüchtlinge in Deutschland. Bezogen auf die Zahl der Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr in Deutschland ankamen, schätzen Experten aber, dass rund 200.000 Menschen dringend behandelt werden müssten: Etwa 20 bis 40 Prozent der Erwachsenen und 20 bis 30 Prozent der Kinder leiden an Folgestörungen ihrer Traumata.

"Die Arbeit mit hochtraumatisierten Menschen ist eine andere als mit Menschen, die eine Angststörung entwickelt haben, oder mit Menschen, die an einer depressiven Episode leiden oder andere Zwangserkrankungen haben", erläutert Scholten. Bei der klassischen Angstbehandlung gehe man erst einmal mit Entspannungstraining, mit Desensibilisierung an den Fall heran. Bei einer Traumatisierung geht es um weitere und um andere Fragen, sagt Scholten: "Was hat das Trauma ausgelöst? Was macht dieses Trauma mit dem Menschen? Welche Gedanken hat diese Person, wenn es zu einer erneuten, zu einer Re-Traumatisierung kommt?"

Flüchtlinge helfen Flüchtlingen

Eines von vielen Problemen ist oft die Sprachbarriere. Daher gibt es Überlegungen, Flüchtlinge und Migranten, die schon länger in Deutschland sind, bei Therapien helfen zu lassen, weil sie einen ähnlichen Hintergrund wie die Neuankömmlinge haben und die gleiche Sprache sprechen. Nach Ansicht von Scholten könnten diese "Laientherapeuten" durchaus Teil einer Traumatherapie sein. "Diese Menschen müssen natürlich seelisch gesund sein und stabil, um sich erfolgreich in solche Prozesse einbringen zu können."

Es sei keinesfalls eine einfache Lösung, fügt Scholten hinzu. "Da muss fachlich intensiv daran gearbeitet werden." Auch müsste es eine Sonderreglung geben: Laut Gesetz dürfen nämlich nur ausgebildete Psychotherapeuten eine Psychotherapie durchführen.

Behandlung tut Not

Therapeuten, die die Methoden einer guten Traumatherapie zu nutzen wissen, seien unabdingbar - aber nicht nur das. "Man braucht natürlich finanzielle und räumliche Voraussetzungen, um das auch leisten zu können", sagt Scholten.

Das Schwierigste sei, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, das es ermöglicht, diese Menschen aufzunehmen. Das helfe zu verhindern, dass es zu Re-Traumatisierungen kommt - wie in Sachsen. Wenn Menschen, die traumatisiert sind, aus Bussen aussteigen und nicht empfangen, sondern verlacht werden und - wenn auch nur seelisch - erneut Misshandlungen erfahren, dann ist das nicht hilfreich.

Malen kann dabei helfen, ein Trauma zu bewältigenBild: Desmazes//AFP/Getty Images

Werden die Traumata der Flüchtlinge nicht behandelt, kann es zu Folgereaktionen kommen. Während sich manche Menschen zurückziehen, Depressionen und Selbstmordgedanken entwickeln und diese Gedanken vielleicht sogar realisieren, führt eine Re-Traumatisierung bei anderen zu Aggressionen. "In all diesen Fällen wird es sehr schwer sein, sie in die Gesellschaft zu integrieren, denn sie sind noch sehr stark mit sich und ihrem Leiden beschäftigt", erläutert Scholten.

Therapie für Kinder

Auch viele Kinder sind stark traumatisiert, haben Furchtbares erlebt - in ihrem Heimatland und auf der Flucht. Auch um sie geht es auf dem Berliner Kongress: Wie kann man sie erreichen? Da kommen dann beispielsweise Eltern und vertraute Personen ins Spiel. Eine kindgerechte Kommunikation sei nötig, und die könne auf verschiedene Arten erreicht werden, führt Scholten aus. "Über Bilder, über Zeichnen, über Malen, über Bewegen, über Tanz, über all diese Prozesse."

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