Krieg im Sudan: Fakten und Hintergründe zum Konflikt
27. März 2025
Der Krieg im Sudan hat mehrere Akteure. Wer kämpft gegen wen und aus welchen Gründen? Wie steht es um die humanitäre Lage, und wie stehen die Chancen, den Krieg zu beenden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wer kämpft gegen wen?
Der Konflikt geht zurück auf das Ende der Herrschaft des autoritär regierenden Staatspräsidenten Omar al-Baschir im Jahr 2019. Er gründete seine Macht auf die offizielle Armee: die Sudanesischen Streitkräfte (SAF), heute unter dem Kommando von General und Sudans De-facto-Machthaber Abdel Fattah al-Burhan. Zugleich verließ er sich aber auch auf mehrere Milizengruppen, unter anderem die sogenannten Rapid Support Forces (RSF), geführt von Mohamed Hamdan Daglo, genannt "Hemeti". Zwar integrierten sich sowohl die Armee als auch die RSF nach dem Sturz al-Baschirs in einen zivil geführten Übergangsrat. Doch im Oktober 2021 putschten sie gemeinsam, Hemeti wurde al-Burhans Stellvertreter. Dann aber gerieten die beiden Kommandanten über Aufbau und Hierarchie einer gemeinsamen Armee in Streit. Hemeti lehnte es ab, seine Miliz in die nationale Armee zu integrieren. Im April 2023 führte dies zum offenen Machtkampf zwischen beiden, der in einen den ganzen Sudan erfassenden Krieg mündete.
Welche internationalen Akteure sind beteiligt?
Hemeti und al-Burhan kämpfen nicht isoliert gegeneinander. Sie werden durch internationale Partner unterstützt, die wirtschaftliche oder strategische Interessen in dem Land haben. So knüpfte Militärchef al-Burhan im Herbst vergangenen Jahres sogar Kontakte in den Iran. Von diesem erhielt er unter anderem Kampfdrohnen, die seinen Gegner erheblich unter Druck setzen. Ebenfalls an der Seite al-Burhans steht Ägypten. Verbunden ist es al-Burhan durch eine eher konservative Weltsicht. "Die Regierung in Ägypten arbeitet schon deshalb nicht mit den RSF zusammen, weil diese kein staatlicher Akteur sind", sagt die Politologin und Sudan-Expertin Hager Ali vom Hamburger GIGA-Institut über Sudans gewichtigen Nachbarn am Nil.
RSF-Chef Hemeti hingegen wird nach Meinung vieler internationaler Experten von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt, die dies freilich dementieren. Die VAE dürften nicht zuletzt an den Goldminen des Landes interessiert sein, die zum Großteil in den von Hemeti kontrollierten Gebieten liegen. Auch hinsichtlich der Landwirtschaft setzen die VAE auf Hemeti: Der Sudan war bis zum Kriegsbeginn ein wichtiger Nahrungsmittelexporteur für die VAE. Militärische Verbindungen haben die VAE und die Milizen auch, seit Hemeti zahlreiche seiner Milizen in den von Saudi-Arabien und den Emiraten angeführten Krieg gegen die Huthi-Milizen im Jemen schickte.
Eine neue Position hat Russland eingenommen. Nachdem Moskau, ebenfalls mit Blick auf die sudanesischen Goldvorkommen, zunächst Hemeti unterstützt hatte, wendet es sich seit mehreren Monaten stärker Armeechef al-Burhan zu. Hintergrund ist ein logistisches Zentrum in der von den SAF kontrollierten Hafenstadt Port Sudan, das langfristig zu einer Marinebasis ausgebaut werden soll. Die Basis wäre für Russland ein Sprungbrett Richtung Afrika, zudem wäre es am Roten Meer präsent, einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt.
Wie ist die humanitäre Lage?
Der Machtkampf zwischen Hemeti und al-Burhan hat den Sudan in die weltweit wohl größte humanitäre Krise gestürzt: 8,8 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen sind der UN-Flüchtlingshilfe zufolge als Binnenvertriebene aus ihrer Heimat geflohen, über drei Millionen Menschen haben Schutz in Nachbarländer gesucht. 70 Prozent der Vertriebenen sind Kinder, weite Teile der Bevölkerung sind von Hungersnot bedroht. Das geht auch auf den Umstand zurück, dass insbesondere die RSF-Milizen Ackerflächen systematisch niederbrennen, um sich die dort lebende Bevölkerung gefügig zu machen. Insgesamt ist die für den Sudan lebenswichtige Infrastruktur weitgehend zerstört. Zudem leidet die Bevölkerung unter Gewalt und Willkür der Machthaber. "Eine Epidemie von sexueller Gewalt wütet. Kinder werden getötet und verletzt. Das Leid ist entsetzlich", erklärte im Februar dieses Jahres der UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator Tom Fletcher. Kriegsverbrechen werden beiden Seiten vorgeworfen. Sogar sexuelle Gewalt gegen Kleinkinder komme oft vor, beklagt das UN-Kinderhilfswerk Unicef.
Ist ein Ende des Konflikts absehbar?
Es gab bereits mehrere Versuche, den Konflikt zu beenden, die alle gescheitert sind. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Rivalen Hemeti und al-Burhan weiterhin unversöhnlich gegenüberstehen. "Jede Seite hofft, sich als 'legitime Macht' im Land zu positionieren", sagte die Politologin Leena Badri vom britischen Think Tank Chatham House im März 2025 der DW. Die SAF mache vor Friedensverhandlungen zur Bedingung, dass sich die RSF zurückziehen und entwaffnen. Die RSF ihrerseits hofften, durch die Bildung einer Regierung Zugang zu formellen Waffenimporten zu erhalten, so Badri. Beide Seiten ließen keine Bereitschaft erkennen, die Kämpfe zu beenden. Beachtliche Geländegewinne konnten zuletzt die SAF erzielen, die die Hauptstadt Khartum zurückeroberte, doch dass ihre Gegner nun aufgeben, scheint unwahrscheinlich.
Doch selbst wenn beide Seiten sich auf einen Waffenstillstand verständigten, dürfte dieser nicht leicht zu erreichen sein. Denn sowohl die RSF als auch die SAF haben sich mit zahlreichen lokalen Gruppen und Milizen verbündet, die in dem Krieg auch ihre eigenen Interessen verfolgen. Solange die Gewalt ihren eigenen Zielen dient, dürften sie an einem Waffenstillstand wenig Interesse haben.
Wohin könnte der Konflikt führen?
Der Sudan ist bereits jetzt ein massiv geschwächter Staat. Der Versuch Russlands, in Port Sudan eine Marienbasis zu etablieren, deutet an, dass das Land mehr und mehr zum Spielball fremder Interessen wird, denen es wenig entgegenzusetzen hat. In dieser Hinsicht erinnert Sudan an die Situation Syriens während des dortigen Kriegs. Zudem könnte das Land in mehrere Teile zerfallen. Den Anstoß dazu gaben Ende Februar die RSF: Sie unterzeichneten eine Charta zur Bildung einer "Regierung des Friedens und der Einheit" in den von ihnen beherrschten Gebieten. Dieser Schritt schürt Befürchtungen, das Land könne dauerhaft auseinanderfallen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat bereits gewarnt, die Erklärung könne den anhaltenden Konflikt im Sudan verschärfen, das Land fragmentieren und die ohnehin schon dramatische humanitäre Lage zusätzlich verschlechtern.