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PolitikIrak

Krieg in Nahost: Welche Rolle spielen pro-iranische Milizen?

Cathrin Schaer
26. Oktober 2023

Angriffe auf US-Basen im Irak und in Syrien haben die Sorge verstärkt, dass sich der Krieg zwischen Israel und Hamas ausweiten könnte. Inwieweit stellen pro-iranische Gruppen im Irak und im Jemen eine Bedrohung dar?

Demonstration in Bagdad gegen Israels Militäreinsatz im Gazastreifen
Demonstration in der irakischen Hauptstadt Bagdad gegen Israels Militäreinsatz im Gazastreifen am 13.10.2023Bild: Ahmad Al-Rubaye/AFP/Getty Images

Die Botschaft wirkte unmissverständlich: Die Raketen und Drohnen, die in der vergangenen Woche auf US-Stützpunkte im Irak und in Syrien abgefeuert wurden, sollten zeigen, dass die pro-iranischen Milizen im Irak und die ebenfalls vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen die US-Unterstützung für Israel kategorisch ablehnen und die USA als militärischen Gegner betrachten.

Seit den Terroranschlägen der militant-islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober bombardiert das israelische Militär den dicht besiedelten Gazastreifen und verhindert teilweise, dass Lebensmittel, Wasser, Treibstoff und medizinische Hilfsgüter in das Gebiet gelangen - mit Ausnahme weniger humanitärer Lieferungen über Ägypten. Nach der Machtergreifung der Hamas im Gazastreifen 2007 hatte Israel eine Blockade verhängt, Einfuhren in die Region werden seither eingeschränkt und die meisten Menschen dürfen den Gazastreifen nicht in Richtung Israel verlassen. Auch der Ausgang Richtung Ägypten ist meist verschlossen gewesen. 

Nach Angaben der israelischen Regierung wurden bei dem Terrorangriff der Hamas mehr als 1400 Israelis getötet. Im Gazastreifen sind nach Angaben des dortigen, der Hamas unterstehenden Gesundheitsministeriums seither mehr als 6.000 Menschen durch israelische Vergeltungsangriffe getötet worden. Die genauen Zahlen können nicht von unabhängiger Seite überprüft werden, aber die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen steigt mit Fortsetzung der israelischen Bombardierung und Blockade weiter an.

Dies hat zur Folge, dass auch die Stimmung unter den pro-iranischen Gruppen im Irak und im Jemen höchst angespannt ist - sie betrachten sich als Verbündete der Hamas, und Israel dementsprechend als Feind.

Im Laufe der Zeit sind die irakischen 'Volksmobilisierungskräfte' immer stärker gewordenBild: Hadi Mizban/AP/picture alliance

"Eine stärkere israelische Intervention im Gazastreifen birgt die Gefahr einer Eskalation durch die Verbündeten der Hamas in der sogenannten 'Achse des Widerstands'. Das ist eine vom Iran angeführte regionale Allianz, zu der auch die libanesische Hisbollah, verschiedene irakische paramilitärische Gruppierungen und die Huthi-Bewegung im Jemen gehören", schrieben Analysten der in den USA ansässigen Denkfabrik "The Century Foundation" in einem Kommentar am 16. Oktober.

Welche Gruppen sind beteiligt?

Die Hamas wird von der Europäischen Union und Ländern wie den USA, Deutschland und Großbritannien als terroristische Organisation eingestuft. Die militante Hisbollah im Libanon verfügt nicht nur über eine größere Mannschaftsstärke als Miliz, sondern sie ist zugleich auch eine politische Partei. Auch die libanesische Hisbollah - oder zumindest ihr bewaffneter Flügel - wird von mehreren überwiegend, aber nicht ausschließlich westlichen Ländern als terroristisch eingestuft. Entstanden war sie in den 1980er Jahren im Zusammenhang mit dem libanesischen Bürgerkrieg und dem israelischen Einmarschs im Südlibanon. 

Im Irak hingegen handelt es sich bei den Milizen um Gruppen, die sich erst 2014 gegründet haben, als sich Einheimische - in diesem Falle Schiiten - freiwillig zum Kampf gegen die radikale, sunnitisch geprägte Terrororganisation "Islamischer Staat" meldeten. Aus diesem Grund sind sie allgemein als 'Volksmobilisierungskräfte' (Popular Mobilization Forces, PMF) bekannt. Die Ideologien der Milizen unterscheiden sich, und einige haben inzwischen politische Flügel, die im irakischen Parlament sitzen. Andere sind stärker militant. Was viele von ihnen aber gemeinsam haben, ist, dass sie finanziell und taktisch vom Iran unterstützt werden.

Am 13. Oktober haben hunderttausende Iraker in Bagdad bei einer der wahrscheinlich größten pro-palästinensischen Demonstrationen der Welt demonstriertBild: Murtadha J. A. Al-sudani/AA/picture alliance

Führende Mitglieder von zwei der größten irakischen Milizen haben sich beim Thema Gaza eindeutig positioniert: "Wenn Amerika direkt in diesen Kampf eingreift, werden wir alle Amerikaner als legitime Ziele betrachten", sagte Hadi Al-Amiri, Führer der so genannten Badr-Organisation, in einer Presseerklärung am 9. Oktober.

"Die Amerikaner sind wesentliche Partner bei der Tötung der Menschen in Gaza und müssen daher die Konsequenzen tragen", erklärte Jaafar al Hussein, Sprecher der irakischen 'Kataib Hisbollah', am 18. Oktober auf der Nachrichtenplattform Telegram. Die Huthis im Jemen veröffentlichten ein ähnliches Statement.

Mehr Angriffe seit Krankenhaus-Explosion 

Schon vor dem Ausbruch des aktuellen Konflikts hatten die Feindseligkeiten zwischen den USA und den irakischen Milizen abgenommen. Es war auch in der Vergangenheit immer wieder zu Angriffen auf US-Stützpunkte gekommen.

Seit dem Raketenbeschuss auf das Al-Ahli-Krankenhaus im Gazastreifen am 17. Oktober haben diese Angriffe wieder zugenommen. Milizen haben sich zu elf Drohnen- oder Raketenangriffen auf US-Basen im Irak und in Syrien bekannt. Ein US-Soldat starb an den Folgen eines Herzinfarkts, den er bei einem der Angriffe erlitten hatte, andere wurden leicht verletzt.

Auch im Irak berichteten lokale Medien über militärische Aktionen auf dem Berg Sindschar, von dem aus 1991 der ehemalige Diktator des Landes, Saddam Hussein, Raketen auf Israel abgefeuert hatte. Führende Milizionäre von dort wurden im Libanon und in Syrien gesichtet - Ländern, die geografisch näher an Israel liegen als der Irak und der Jemen.

Am vergangenen Wochenende gelang es einem Zerstörer der amerikanischen Marine, der USS Carney, drei Raketen und mehrere Drohnen im Roten Meer abzufangen. Sie wurden offenbar von den Huthi-Rebellen im Jemen abgefeuert, wobei das US-Militär erklärt hat, dass das genaue Ziel unklar gewesen sei.

Wann kommt Hilfe für Zivilisten im Gazastreifen?

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Experten halten die Chancen, dass der Iran selbst in den Krieg zieht, für gering. Aber die Stellvertreter des Iran - und dazu zählen neben der hoch gerüsteten Hisbollah im Südlibanon vor allem die Milizen im Irak und im Jemen - könnten möglicherweise im Auftrag oder zumindest im Interesse Teherans handeln, ohne eine unmittelbare größere internationale Eskalation auszulösen. 

Forscher des Washingtoner Instituts für Nahostpolitik haben am 20. Oktober berichtet, dass mehrere irakische Milizen eine neue Dachorganisation namens "Islamischer Widerstand im Irak" gegründet haben.

"Angesichts der Gaza-Krise und des Potenzials für eine regionale Ausweitung des Krieges wollen die vom Iran unterstützten Milizen Einigkeit zeigen, indem sie ihre Aktionen unter einer Marke zusammenfassen und sich im Wesentlichen 'zum Dienst melden'", so die Forscher in dem Bericht.

Wie groß ist die Bedrohung?

Bislang ist unklar, ob es sich bei den zunehmenden Angriffen auf US-Stützpunkte im Irak und in Syrien um mehr als Säbelrasseln handelt. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, hat kürzlich gegenüber Reportern erklärt, die USA wüssten, dass der Iran hinter den Angriffen seiner Stellvertreter stecke.

"Wir wissen, dass der Iran diese Ereignisse genau verfolgt und in einigen Fällen diese Angriffe aktiv unterstützt und andere anspornt, den Konflikt für ihre eigenen Interessen oder die des Irans auszunutzen", so Kirby.

Der Iran hat seinerseits bestritten, dass er hinter den Angriffen steckt und behauptet, die Milizen handelten autonom. Die Drohnenangriffe und die Teilnahme paramilitärischer Anführer an Treffen im Libanon können aber als Demonstration ihrer Haltung betrachtet werden, sagte Hamzeh Hadad, Nahost-Experte und Gastwissenschaftler beim 'European Council on Foreign Relations'.

Die Huthis im Jemen werden auch vom Iran unterstütztBild: Khaled Abdullah/REUTERS

"Es ist wichtig zu verstehen, dass die Iraker - und das gilt für das gesamte Spektrum der politischen und religiösen Führer sowie der Zivilbevölkerung - für die Rechte der Palästinenser einstehen", sagt Hadad im Gespräch mit der DW. "Diese Haltung ist nicht neu und war vor, während und nach Saddam [Hussein] die gleiche. Die Iraker teilen diese Einstellung mit vielen Iranern. Aber das liegt nicht am Iran. Das ist auch die Haltung der Iraker selbst." 

Keine Beweise für Beteiligung an Terrorangriff der Hamas

Auch Drohnenangriffe und anti-amerikanische Stimmung seien keine neuen Phänomene, ergänzt Hadad. "Im Moment senden sie nur eine Botschaft", sagt er. "Aber ja, es könnte schwerwiegendere Folgen haben, wenn es menschliche Opfer geben würde."

Es gebe keine Beweise dafür, dass irakische Milizen oder die Huthis in irgendeiner Weise in den Hamas-Angriff auf Israel verwickelt gewesen seien, schreiben die Analysten der Century Foundation in ihrem Artikel. Sie sagen aber auch: "Wenn Israel im Gazastreifen alles auf eine Karte setzt, wie es israelische Beamte versichert haben, dann ist unwahrscheinlich, dass die militärische Präsenz der USA einen Angriff der vom Iran angeführten 'Achse des Widerstands' verhindern kann. Die Vereinigten Staaten wären dann in der Pflicht, zur Unterstützung Israels einzugreifen. Das wiederum würde Angriffe auf US-Ziele im gesamten Nahen Osten auslösen."

Im schlimmsten Fall könnten irakische Milizen US-Stützpunkte im Irak und in Syrien angreifen, während die Huthis sie in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ins Visier nehmen, so die Analysten. Die Huthis könnten diese beiden Länder, die als traditionelle Verbündete der USA gelten, auch direkt angreifen.

"Die USA unterstützen Israel bei der Verfolgung der Hamas", notieren die Autoren der "Century Foundation" weiter und warnen aus ihrer Sicht: "Das müssen sie aber tun, ohne dass es zu Gräueltaten an der palästinensischen Zivilbevölkerung kommt und ohne einen breiteren Krieg zu entfesseln, der eine Katastrophe für die Vereinigten Staaten und für den Nahen Osten wäre." 

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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