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Politik

Krieg in Syrien: Wasser als Waffe

6. Januar 2017

Seit Tagen ist der Großraum Damaskus von der Wasserversorgung abgeschnitten. Der Mangel geht auf Kämpfe um die Versorgungsquelle zurück. Das Recherchenetzwerk Bellingcat hat die Zerstörungen dokumentiert.

Syrien Kampf um Wasser in Wadi Barada
Eine Aufnahme eines undatierten Angriffs auf das Barada-Tal, veröffentlicht von der oppositionsnahen "Step News Agency"Bild: picture alliance/dpa/Step News Agency/AP

Es geht um das wichtigste Lebensmittel überhaupt. Seit Tagen liefern sich die syrische Armee und dschihadistische Rebellen erbitterte Kämpfe rund um die Ain Al-Fidscha-Quellen in Barada-Tal, einer Region nordwestlich von Damaskus. Die Quellen spenden einen Großteil - rund zwei Drittel - des Trinkwassers der syrischen Hauptstadt. Wer sie kontrolliert, kontrolliert indirekt auch das Leben in der Millionen-Metropole.

Bereits vor mehreren Monaten hatten Rebellen das Gebiet rund um die Quellen erobert und halten es seitdem besetzt. Seit einigen Wochen sind die Pumpen des Wasserwerks im Barada-Tal beschädigt. Zudem ist das spärliche von dort noch fließende Wasser durch Dieseltreibstoff verseucht. Die Bewohner von Damaskus sind darum zum großen Teil auf eine alternative Wasserversorgung angewiesen. Nach UN-Angaben sind im Großraum Damaskus fünfeinhalb Millionen Menschen von der Wasserversorgung ganz oder teilweise abgeschnitten. Der Preis für Wasserflaschen hat sich Angaben von Bewohnern zufolge inzwischen verdreifacht.

Plastikflaschen sind ein teures Gut in DamaskusBild: Getty Images/AFP/L. Beshara

Kämpfe oder Sabotage

Die Schäden könnten auf "Kämpfe oder Sabotageakte oder beides" zurückgehen, erklärte Jan Egeland, der UN-Hilfskoordinator für Syrien. Wer dafür die Verantwortung trägt, lässt sich Egeland zufolge schwer sagen.

Regierung und Rebellen bestreiten gleichermaßen, die Infrastruktur rund um die Quellen zerstört zu haben. Stattdessen machen sie sich gegenseitig verantwortlich.

Recherche über das Internet

Eine Dokumentation der Zerstörungen - und damit auch der Verantwortlichkeiten - hat nun das Recherchenetzwerk Bellingcat vorgelegt. Das Netz um den Blogger und Internetjournalisten Eliot Higgins ist bekannt, da es als erstes den Einsatz von Streubomben und Giftgas in Syrien aufdeckte. Außerdem analysierte es den Absturz der Passagiermaschine MH-17 über der Ostukraine im Juli 2014.

Damaskus von Quelle abgeschnitten

01:17

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Bei der Schadensdokumentation rund um die Al-Fidscha-Quellen stützt sich das Netzwerk vor allem auf die Analyse der zahlreichen im Internet kursierenden Videos. Diese wurden überwiegend von Augenzeugen hochgeladen. Die Vielzahl der Video-Dokumente erlaubt es, diese miteinander abzugleichen und Fehldeutungen zu vermeiden.

Nach den Recherchen ergibt sich folgendes Bild: Am 23. Dezember wurde die Wasserzufuhr nach Damaskus unterbrochen. An diesem Tag versuchte die syrische Armee, das Tal von dschihadistischen Rebellen zurückzuerobern, die es zu jenem Zeitpunkt bereits seit Monaten unter ihrer Kontrolle hatten.

In gewisser Weise waren die Rebellen seit dieser Zeit unangreifbar: Sie hatten das Wasserwerk vielfach vermint. Für den Fall, dass sie ernsthaft angegriffen würden, hatten sie damit gedroht, die Quellen zu zerstören oder zu vergiften. Beides hätte für die Bewohner von Damaskus dramatische Konsequenzen. Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, hatten die Rebellen die Wasserversorgung wiederholt gekappt - auch im Juli des vergangenen Jahres, als Damaskus über Tage von der Wasserversorgung abgeschnitten war.

Die Unterbrechung war als Drohgebärde gemeint. Weiter konnten die Rebellen nicht gehen, denn die Kontrolle der Quellen schützte sie nur so lange gegen mögliche Angriffe der Armee, wie diese intakt waren. Wäre die gesamte Anlage zerstört, hätte die Armee keinerlei Grund mehr, sich zurückzuhalten.

Die zerstörte Anlage im Barada-TalBild: picture alliance/dpa/AP Photo

Bellingcat: Schäden gehen auf die syrische Armee zurück

Nach den Recherchen von Bellingcat deutet vieles darauf hin, dass die Anlage von der syrischen Armee zerstört wurde. Denn vor den Angriffen vom 23. Dezember hochgeladene Videos zeigen diese in unversehrtem Zustand. Aufnahmen nach jenem Datum hingegen dokumentieren die Schäden. EIn anderes Video zeigt einen Bombeneinschlag nur rund 80 Meter von der Quelle entfernt. Allerdings lässt sich das Datum des Hochladens dieser Aufnahme nicht zweifelsfrei verifizieren. Ein zweites Video zeigt einen weiteren Angriff, der Teile des Wasserwerks unmittelbar trifft.

"Je nach Zünder explodierte die Bombe wahrscheinlich irgendwo innerhalb der Anlage", heißt es bei Bellingcat. "Dadurch kam es zu dem weitflächigen Schaden in der Mitte des Dachs der Anlage." Dabei wurden offenbar auch die mit Diesel angetriebenen Generatoren der Anlage getroffen, was die Vergiftung des Wassers mit dem Treibstoff erklärt.

Zwar luden die Rebellen am 25. Dezember ihrerseits ein Video hoch, in dem sie die Zerstörung der Wasserleitung nach Damaskus ankündigten. Es finden sich im Netz allerdings keine weiteren Hinweise, dass sie das tatsächlich getan haben.

Für die Rechercheure von Bellingcat stellt es sich so dar, als seien die Schäden des Wasserwerks tatsächlich durch den Angriff der Armee um den 23. Dezember verursacht worden. "Das wahrscheinlichste Szenario ist jenes, wonach das Regime für die Schäden an der Quelle verantwortlich ist. Das Bombardement ist zudem der wahrscheinlichste Grund dafür, dass Dieseltreibstoff in die Anlage trat, sei es von einem zerstörten Tank, einem Generator oder von einer weiteren Quelle."

Ein Junge trägt einen Wasserkanister nahe Damaskus. Die Aufnahme stammt aus dem Juni 2016Bild: Getty Images/AFP/S. Al-Doumy

Die Diskussion geht weiter

Nicht alle User sind von der Bellingcat-Recherche überzeugt. Auf der Seite der Gruppe können sie Argumente gegen oder für das Rechercheergebnis präsentieren. Diese Möglichkeit wird genutzt: Zwei Tage nach Präsentation der Dokumentation am 4. Januar beteiligten sich bereits zahlreiche User mit über 70 Einträgen an der Erörterung der These. So erklären sie etwa, dass es rund um die Al-Fidscha-Quellen gar keine Generatoren gebe, da die höher gelegenen Quellen seit jeher die Gravitationskraft nützten. Wo aber keine Generatoren stünden, könnten auch keine beschädigt worden sein. Die Diskussion dauert an. Um die Quellen wird derweil weiter gekämpft.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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