1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
ReiseEuropa

Wenn russische Touristen der Türkei fernbleiben

Marco Müller
9. Mai 2022

Im vergangenen Jahr kamen die meisten ausländischen Touristen in der Türkei aus Russland, Deutschland und der Ukraine. Zwei der Länder befinden sich im Krieg. Was bedeutet das für den türkischen Tourismus?

Weltweit | Russische Touristen im Urlaub in der Türkei
Ein ganz auf russische Touristen ausgelegtes Hotel in Antalya (Archiv)Bild: Chris McGrath/Getty Images

Krieg und Tourismus passen nicht wirklich zusammen. Wenn Krieg ist, sinkt meist die Reiselust, vor allem natürlich in den am Krieg beteiligten Ländern. Die Türkei ist zwar am Krieg zwischen Russland und der Ukraine nicht beteiligt - wird die Auswirkungen im Tourismusbereich aber mehr als deutlich zu spüren bekommen. Dafür gibt es schon jetzt - weit vor der Sommersaison - deutliche Anzeichen.

Die Türkei gehört zu den beliebtesten Urlaubsländern der Welt. Die meisten internationalen Touristen kommen aus Russland. Im vergangenen Jahr waren es rund 4,7 Millionen. Auf Platz 2 liegt Deutschland mit rund drei Millionen Touristen. Und auf Platz 3 folgt schon die Ukraine. Rund zwei Millionen Menschen aus der Ukraine machten im vergangenen Jahr Urlaub in der Türkei. Bleiben zumindest die russischen und die ukrainischen Touristen in diesem Jahr aus? Jein!

Keine Anfragen, keine Buchungen

Die Sorgen in der Tourismusbranche sind groß. "Die Hotellerie ist von dem Krieg besonders betroffen", sagte Firat Solak, Inhaber einer Reiseagentur im Touristen-Hotspot Antalya, der Deutschen Welle. "Normalerweise müssten wir im Juli und August schon ausgebucht sein. Aber aus Russland gibt es keine Anfragen, keine Buchungen." Das hat vor allem mit den westlichen Sanktionen gegen Russland zu tun. Denn viele russische Fluggesellschaften haben ihre Flugzeuge bei westlichen Unternehmen geleast.

Landet so ein Flugzeug im Ausland, droht die Beschlagnahmung. "Das größte Problem sind die Flüge", sagt Murat Yalcin Yalcinkaya, Vorstand der Reiseführer-Vereinigung in Antalya. "Die Gäste kamen früher mit Charterflugzeugen nach Antalya, das aber geht nicht mehr. Es wird dran gearbeitet, dieses Problem zu lösen. Früher kamen pro Tag 5000 bis 9000 Gäste, aber jetzt werden im Mai pro Tag nur rund 500 erwartet."

Das "Problem"

Deniz Ugur, Geschäftsführer von Bentour ReisenBild: Christian Hauk

Das "Problem" meint: Wie bekommt man russische Touristen ins Land? Früher flogen sie einfach mit russischen Fluggesellschaften in die Türkei und nach dem Urlaub wieder zurück nach Russland. Jetzt soll es umgekehrt laufen, erklärt Deniz Ugur, Geschäftsführer des auf Türkeireisen spezialisierten Reiseveranstalters Bentour. So versucht die türkische Regierung nun mit türkischen Flugzeugen, russische Touristen ins Land zu holen und nach dem Urlaub wieder zurückzubringen. Die Türkei will damit die wichtige Wirtschaftsbranche Tourismus schützen.

Die Frage bleibt, ob das für die westlichen Sanktionen kontraproduktiv ist - und vielleicht Russland sogar noch stärkt. Deniz Ugur sieht das nicht so - im Gegenteil: "Früher war der Umsatz ein russischer, jetzt ist er ein türkischer. Das Modell stärkt die Türkei und schwächt Russland." Die Türkei importiere Kaufkraft. Die Wertschöpfung finde dann im eigenen Land statt, so der Türkei-Reisespezialist Ugur.

Zahlen - aber wie?

Neben dem Problem, wie russische Touristen in die Türkei kommen, stellt sich die Frage, wie sie vor Ort bezahlen können. Kreditkartenanbieter wie Mastercard und Visa haben ihr Russlandgeschäft eingestellt. Damit funktionieren in Russland ausgestellte Karten im Ausland nicht mehr. Die Sberbank, die größte Bank Russlands, hatte allerdings angekündigt, dass die Geldkarten, die mit dem Logo "Mir" - "Mir" ist ein Zahlungssystem der russischen Zentralbank - versehen sind, auch weiter in der Türkei und einigen anderen Ländern funktionieren würden.

Reisesicherheits-Experte Samed KizginBild: privat

Und so scheint es auch zu sein. "Die russischen Touristen zahlen in der Türkei entweder in bar oder mit 'Mir'-Karten. Mastercard, Visacard et cetera funktionieren ja nicht", so Samed Kizgin. Kizgin ist Türkei-Kenner und Experte für Reisesicherheit bei dem Unternehmen A3M Global Monitoring, das für Reiseveranstalter und international tätige Unternehmen die Sicherheit von Reisen in bestimmte Gebiete bewertet. "Die Hoteliers und Restaurantbetreiber haben sich darauf eingestellt", ergänzt er.

Trotzdem weniger Touristen aus Russland?

Trotz aller Bemühungen seien im März fast 50 Prozent weniger Touristen aus Russland gekommen als im Vorjahr, so Türkei-Kenner Samed Kizgin. Bentour-Geschäftsführer Deniz Ugur, der gute Kontakte in die Türkei hat, sagt, dass man in der Türkei aktuell mit 1,5 bis 1,7 Millionen russischen Touristen planen würde. Das wären nur rund ein Drittel der 4,7 Millionen des Vorjahres.

Bei den ukrainischen Touristen plant man mit einem erheblich stärkeren Rückgang - von knapp zwei Millionen im Vorjahr auf jetzt nur noch 100.000. Da Männer zwischen 18 und 60 Jahren die Ukraine nicht verlassen dürfen, seien dies überwiegend Frauen und Kinder sowie ältere Menschen, die dann auch aus den Ländern anreisen, in die sie geflüchtet sind.

Ziel: Mehr Touristen aus anderen Ländern

Werden Touristen aus anderen Ländern das ausgleichen können? Vielleicht aus Deutschland? "Für diesen Sommer haben wir einen deutlichen Zuwachs von Buchungen für die Türkei", sagt Torsten Schäfer, Pressesprecher des Deutschen Reiseverbands. Das östliche Mittelmeer - also vor allem Türkei und Griechenland - würden deutlich stärker wachsen als das westliche Mittelmeer mit dem bei den Deutschen beliebtesten Urlaubsland Spanien. Cumhur Sefer, Vorstandsvorsitzender der türkischen Reisebüro-Kooperation COOP TRR Int. AG, glaubt nicht, dass der Rückgang russischer und ukrainischer Touristen aufgefangen werden kann. "Deutsche Urlauber können die Lücke nicht füllen, die russische Touristen hinterlassen. Wenn die Deutschen die Lücke füllen sollen, dann müssten sich die Zahlen verdoppeln. Das wird nicht der Fall sein."

So ein großer Hotelpool ohne andere Gäste hat etwas: Manch ein Tourist würde sich wohl über weniger Touristen freuenBild: Ozan Kose/AFP

Bentour-Geschäftsführer Ugur rechnet mit rund 40 Prozent mehr deutschen, rund 50 Prozent mehr britischen und rund 60 Prozent mehr polnischen Touristen in der Türkei. Aber vielleicht kommen ja auch Touristen aus Ländern, die man nicht direkt auf dem Schirm hat. So weist Reisesicherheits-Experte Samed Kizgin daraufhin, dass im März 2022 die meisten Touristen, nämlich rund 13 Prozent, aus dem Iran gekommen seien - zuvor Platz 5 auf der Touristen-Rangliste.

Trotz Anstieg der Besucher aus anderen Ländern und trotz aller Bemühungen glaubt keiner der Experten, dass die Türkei den Rückgang russischer und ukrainischer Touristen wird auffangen können. Ein großes Problem für die türkische Tourismuswirtschaft - ein kleines im Vergleich zu den Problemen in den beiden Kriegsländern.

Die Kehrseite der Russlandsanktionen

03:35

This browser does not support the video element.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen