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PolitikSüdkorea

Südkorea: Polizei ermittelt gegen Präsident Yoon

Julian Ryall aus Tokio, mit Agenturen
5. Dezember 2024

Der Druck auf Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol steigt. Die Polizei hat wegen "mutmaßlichen Aufruhrs" Ermittlungen gegen den Staatschef aufgenommen. Die Opposition strengt Amtsenthebungsverfahren an.

Südkorea Seoul 2024 | Präsident Yoon Suk Yeol gibt Pressekonferenz im Präsidialamt
Regierungskrise in Südkorea: Präsident Yoon Suk Yeol am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Präsidialamt Bild: AP Photo/picture alliance

Nach der kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts hat die südkoreanische Polizei gegen Staatschef Yoon Suk Yeol Ermittlungen wegen mutmaßlichen "Aufruhrs" eingeleitet. Die Untersuchung sei im Gange, sagte der Chef der nationalen Ermittlungsabteilung der Polizei, Woo Kong Suu, am Donnerstag vor Abgeordneten.

In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember hatten Tausende vor der Nationalversammlung in Südkoreas Hauptstadt Seoul gegen die Verhängung  des Kriegsrechtes und für den Rücktritt des Präsidenten demonstriert.

Sechs oppositionelle Parteien haben ein Amtsenthebungsverfahren in Gang gesetzt. Am Samstagabend (Ortszeit) wird das Parlament darüber abstimmen. Wenn danach auch der Oberste Gerichtshof zustimmt, muss Yoon das Präsidialamt räumen.

Die Umfragewerte des Präsidenten sind dramatisch in gesunken. Anfang der Woche lagen sie bei nur 19 Prozent. Seine Partei, die konservative People Power Party (PPP), hat in der Nationalversammlung keine Mehrheit. Yoon ist auf die Unterstützung der Opposition angewiesen.

Als am Dienstagabend plötzlich bewaffnete Soldaten vor dem Parlamentsgebäude standen, wurden in der südkoreanischen Bevölkerung Erinnerungen an die Militärdiktaturen wach, die bis in die 1980er Jahre das Land beherrschten. 

Mahnwache: Tausende Menschen strömten auf Straßen Seouls, um gegen die Verhängung des Kriegsrechtes zu demonstrieren Bild: Lee Jin-man/AP Photo/picture alliance

Fehleinschätzung von Yoon

Politische Analysten sind sich einig, dass Präsident Yoon den Zeitpunkt für eine Generalabrechnung mit der oppositionellen Demokratischen Partei (DP) falsch eingeschätzt hat. Mit der Entscheidung für das Kriegsrecht habe er sich selbst scharfer Kritik ausgeliefert.

"In der Öffentlichkeit und in der Presse war viel Unmut über die Demokratischen Partei zu hören. Es scheint, dass Yoon dies als Unterstützung für ihn selbst missverstanden hat", sagte Kim Sang-woo, ehemaliger Politiker der linksgerichteten südkoreanischen Kongresspartei für neue Politik und jetzt Vorstandsmitglied der Kim Dae-jung-Friedensstiftung.

"Die Opposition hat ihre Mehrheit im Parlament genutzt, um Gesetzesvorlagen durchzusetzen, die für Yoon unvereinbar mit dem nationalen Interesse sind", sagte Kim im Interview mit der DW. Die Opposition treibe zudem Ermittlungen gegen Yoons Frau voran und "stellt immer wieder Amtsenthebungsanträge gegen Kabinettsmitglieder".

Mehrheitsführer Lee widerspricht der Ausrufung des KriegsrechtsBild: YONHAP/REUTERS

Yoons Ehefrau hatte ein teures Präsent, eine Markenhandtasche, von einem Pastor mit Verbindungen nach Nordkorea angenommen. Dabei wurde sie von einer versteckten Kamera gefilmt. Ende 2023 kam der Mitschnitt an die Öffentlichkeit. Die Opposition nutzte den Skandal bei den Zwischenwahlen Anfang 2024 und gewann die Mehrheit im Parlament. Dadurch ist Yoon in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit praktisch machtlos.

Amtsenthebungsverfahren als Waffe der Opposition

Die Regierungspartei PPP war zudem darüber verärgert, dass die DP die Kürzungen der Verteidigungsetats um umgerechnet 45,7 Millionen Euro erzwang. Diese Gelder sollen für nachrichtendienstliche Tätigkeiten verwendet werden, wie die Aufdeckung und Untersuchung von Bedrohungen der nationalen Sicherheit, in erster Linie aus Nordkorea sowie die Bekämpfung von Korruption.

Nur wenige Stunden vor Yoons Ankündigung hieß es in einem Leitartikel der Tageszeit "Korea Times", die Demokratische Partei nutze "ihre parlamentarische Mehrheit aus, um ihre Agenda voranzutreiben". Der Kommentator warf der DP vor, Amtsenthebungsverfahren gegen wichtige Politiker als Waffe einzusetzen. An diesem Mittwoch startete die Opposition neben dem Verfahren gegen Präsident Yoon noch drei weitere Amtsenthebungsverfahren gegen Regierungsmitglieder.

Spannungen zwischen Süd- und Nordkorea

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Aber auch mehrere DP-Politiker waren in jüngster Zeit Gegenstand von Korruptions- und anderen Untersuchungen, darunter auch  Oppositionsführer Lee Jae-myung. Er war Mitte November wegen Verstoßes gegen das Wahlgesetz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Lee hat Berufung eingelegt, die Strafe ist zunächst für zwei Jahre ausgesetzt. Sollte das Urteil vom Berufungsgericht bestätigt werden, könnte Lee aufgrund dieser Vorstrafe nicht mehr bei den nächsten Präsidentschaftswahlen antreten.

Instabil auf unbestimmte Zeit

Präsident Yoon habe sich - trotz aller politischen Rückschläge - nicht staatsmännisch verhalten und sich selbst geschwächt, sagt Leif-Eric Easley, Professor für internationale Studien an der Ewha Womans University in Seoul. "Yoons Verhängung des Kriegsrechts überschreitet offenbar die rechtliche Kompetenz und scheint eine politische Fehlkalkulation zu sein. Damit hat er Südkoreas Wirtschaft und Sicherheit unnötig gefährdet."

Südkoreas Parlamentarier sprühen mit Feuerlöschern auf Soldaten in der NationalversammlungBild: Cho Da-un/Yonhap/AP/picture alliance

"Angesichts der fehlenden Unterstützung und ohne starke Rückendeckung innerhalb seiner eigenen Partei und Regierung hätte der Präsident wissen müssen, wie schwierig es sein würde, sein Dekret spät in der Nacht umzusetzen", sagte Easley. "Er klang wie ein Politiker, der unter Beschuss steht und einen verzweifelten Schritt gegen die zunehmenden Skandale, die institutionelle Obstruktion und die Forderungen nach einem Amtsenthebungsverfahren unternimmt. Im Endeffekt hat er die bestehenden Konflikte nur verschärft."

Allerdings habe Yoon dann das Richtige getan und das Kriegsrecht sofort nach der Ablehnung durch das Parlament wieder rückgängig gemacht, sagt Easley weiter. Dennoch wies der Politologe darauf hin, dass die Nation mit der Instabilität weiter leben müsse, so lange die Pattsituation zwischen Regierung und Parlament anhalte.

Dieser Artikel wurde am 5.12.2024 aktualisiert.

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