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Politik

Kriminelle Flüchtlinge: Gefahr überschätzt

Vincent Haiges
6. Dezember 2016

Begehen Zuwanderer tendenziell viele Gewaltverbrechen? Das ist eine der zentralen Fragen der Flüchtlingsdebatte und die Furcht vieler Deutscher. Die Kriminalstatistik belegt: Sie ist unbegründet.

Deutschland Bundeskriminalamt, Präsident Holger Münch (Schatten)
Herr über die Statistik: Holger Münch, Präsident des BundeskriminalamtesBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Gerade hat ein schweres Verbrechen die emotional geführte Debatte neu angeheizt: In Freiburg wurde eine junge Frau auf dem Nachhauseweg vergewaltigt und ermordet - tatverdächtig ist ein minderjähriger Flüchtling aus Afghanistan. Wer den Einzelfall als Beleg dafür sieht, dass Flüchtlinge generell "gefährlich" sind, lässt die Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) außer Acht. "Kriminalität im Kontext von Zuwanderung" heißt der jährliche Bericht des BKA, der Daten zu diesem Thema sammelt. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen von 2016.

Häufigstes Delikt: Schwarzfahren

Alle Zahlen dieser Statistik beziehen sich auf "Zuwanderer" - das beinhaltet Asylbewerber ebenso wie Asylberechtigte, Menschen, die mit einer Duldung hier leben, Bürgerkriegsflüchtlinge und Personen ohne Aufenthaltsstatus.

Die Straftaten all dieser Zuwanderer sind von Januar bis Juli 2016 um 36 Prozent gesunken. Konkret heißt das: Die Polizei hat insgesamt 142.500 Straftaten und versuchte Straftaten registriert, bei denen mindesten einer der tatverdächtigen Zuwanderer ist. Das BKA liefert keine Vergleichszahl zu den Straftaten deutscher Staatsbürger für diesen Zeitraum. Es gibt aber eine Zahl für 2015: Danach wurden im vergangenen Jahr in ganz Deutschland rund 6,3 Millionen Straftaten erfasst.

Grob die Hälfte aller Fälle sind Fälschungs- und Diebstahlsdelikte mit einem Anteil von jeweils 30 und 27 Prozent. Unter "Fälschung" fällt mit rund zwei Dritteln der Taten das Schwarzfahren (im Behördendeutsch: Beförderungserschleichung). Beim Diebstahl dominiert der Ladendiebstahl mit einem ähnlich hohen Anteil.

Straftaten gegen die persönliche Freiheit sind mit 23 Prozent ein weiterer Schwerpunkt - das heißt in vier Fünfteln der Fälle Körperverletzung. Rauschgiftdelikte machen sieben Prozent aus. Das Schlusslicht sind Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit 1,1 Prozent der Fälle.

Berichterstattung einseitig

Unterschiedliche Gruppen sind unterschiedlich oft tatverdächtig. Syrer, Afghanen und Iraker fallen - gemessen an ihrer Zahl - sehr selten auf. Umgekehrt ist es bei Algeriern, Marokkanern und Tunesiern sowie Menschen aus Georgien und den Balkanstaaten: Sie sind überproportional oft Tatverdächtige, vor allem von Diebstahlsdelikten. In wie vielen Fällen sich der Verdacht bis zu einer Verurteilung erhärtet, weist die polizeiliche Kriminalstatistik nicht aus. Auch Gründe für die Unterschiede liefert der BKA-Bericht nicht.

Der Münsteraner Kriminologe Christian Walburg kritisiert, dass die Berichterstattung über Kriminalität von Nicht-Deutschen sich vor allem auf schwere Gewalttaten konzentriere - vor allem, wenn junge Männer die mutmaßlichen Täter sind. Statistisch gesehen machen diese Delikte aber nur einen kleinen Anteil der Gesamtkriminalität aus. Das hat Walburg in seinem Gutachten "Migration und Jugenddelinquenz" belegt, das er 2014 für den Mediendienst Integration erstellt hat. Eine Folge: Viele Menschen überschätzten massiv, wie oft solche Verbrechen verübt werden und wie hoch die Gefährdung ist.

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