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Politik

Krise vertagt in Hellas

Jannis Papadimitriou
21. Februar 2017

Endlich Bewegung im Streit um das griechische Rettungsprogramm: Die Kontrolleure der Geldgeber kehren in den nächsten Tagen nach Athen zurück. Dafür müssen die Griechen weitere Sparmaßnahmen in Kauf nehmen.

Griechenland Symbolbild Flagge & dunkler Himmel
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Laut griechischen Medienberichten sollen die Experten der Gläubigerinstitutionen möglicherweise schon kommende Woche nach Athen zurückkehren und die Reformbemühungen der linksgeführten Regierung von Alexis Tsipras erneut unter die Lupe nehmen. Dies könnte ein wichtiger Schritt sein, um weitere Auszahlungen aus dem laufenden Rettungspaket mit einem Gesamthöhe von 86 Milliarden Euro an das krisengeplagte Mittelmeerland freizugeben.

Dafür hat sich Griechenland zu weiteren Kürzungen und Strukturreformen verpflichtet, die auch nach dem Ende des laufenden dritten Rettungsprogramms im Sommer 2018 greifen sollen. Im Gespräch sind vor allem die Liberalisierung des Arbeitsmarktes und eine Regelung bei faulen Unternehmens- und Immobilienkrediten, aber auch weitere Privatisierungen, Rentenkürzungen sowie eine Minderung von Steuerfreibeträgen - wodurch Hunderttausende Niedriglohnempfänger zur Kasse gebeten würden.

Milchmädchenrechnung aus Athen

Noch vor wenigen Tagen erschien eine Einigung in dieser Richtung kaum wahrscheinlich, da Linkspremier Tsipras gebetsmühlenartig versicherte, er werde keinen weiteren Sparmaßnahmen zustimmen und die Griechen nicht mit einem einzigen zusätzlichen Euro belasten. Heute heißt es stattdessen: Für jeden weggesparten Euro werde unverzüglich eine entsprechende Steuerentlastung eingeführt. Damit gäbe es unter dem Strich keine zusätzlichen Belastungen für die Menschen.

Ringen um eine tragfähige Lösung: Griechischer Finanzminister Tsakalotos (l) und Eurogruppen-Chef Dijsselbloem (r)Bild: Reuters/F. Lenoir

Am Montagabend nannte Regierungssprecher Dimitris Giannakopoulos ein Beispiel: Sollte der Steuerfreibetrag tatsächlich gekürzt werden, dann würde die Regierung auch die Mehrwert- oder etwa die Immobiliensteuer senken und dadurch den Einkommensverlust für die Bürger ausgleichen. Ob das wirklich so einfach läuft? Panagiotis Petrakis, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Athen, zeigt sich skeptisch: "Ich wünschte mir, diese Rechnung würde tatsächlich aufgehen, aber ich wüsste nicht, dass sich die Geldgeber auf eine entsprechende Vereinbarung eingelassen hätten. Warten wir es also ab", meint Petrakis im Gespräch mit der DW.

Die Opposition läuft Sturm

Immerhin erklärte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nach dem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel, Griechenland sei dabei, vom strikten Sparkurs zu strukturellen Reformen umzusteuern. Das wäre ganz im Sinne der konservativen Opposition in Athen, die jedoch kein gutes Haar an der Verhandlungstaktik der Regierung lässt: Das Brüsseler Treffen sei "blanker Hohn", monieren Griechenlands Konservative.

Die in Hellas traditionell starke kommunistische Partei (KKE) ruft zu neuen Protestaktionen gegen die andauernde Sparpolitik auf. Kritik am Zweckoptimismus der Regierenden äußert das Online-Portal To Vima: Die Zusicherung, es gebe keinen einzigen Euro mehr an Einsparungen, soll nur darüber hinwegtäuschen, dass die Regierung ihre eigenen roten Linien aufgibt, heißt es im Leitkommentar.

Zweckoptimismus der Regierung

Unklarheit besteht weiterhin über die künftige Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) beim griechischen Rettungsprogramm. Die EU-Finanzminister wollen den IWF mit an Bord halten, weisen jedoch den von ihm geforderten Teilerlass der griechischen Staatsschulden zurück. Für Wirtschaftsprofessor Petrakis steht fest: Die sich abzeichnende Einigung zwischen EU und IWF gehe vermutlich zu Lasten Griechenlands. "Zu den Forderungen der EU-Finanzminister kommen nun auch die Forderungen des IWF hinzu", befürchtet der Ökonom. Wann die endgültige Einigung mit den Geldgebern zustande kommt, kann Petrakis derzeit nicht voraussagen. "Ein Abschluss der Verhandlungen im März oder April ist gut möglich, aber keineswegs sicher", glaubt der Ökonom.

Wirtschaftsminister Jorgos Stathakis verbreitet dagegen Optimismus: Die laufende Überprüfung griechischer Reformbemühungen könne zügig abgeschlossen werden, sagte Stathakis dem Athener TV-Sender Skai. In diesem Fall würde ein außerplanmäßiges Treffen der Euro-Finanzminister im März sowohl diese Vereinbarung als auch weitere Schuldenerleichterungen für Griechenland und eine Einigung über die erforderlichen Primärüberschüsse im griechischen Haushalt nach 2018 besiegeln, so der Minister.

Strikt gegen den Schuldenerlass: Bundesfinanzminister Wolfgang SchäubleBild: Getty Images/AFP/J. Thys

Lederschuhe als Luxuswaren?

Unterdessen wird darüber spekuliert, welche neuen Steuerbelastungen auf die Menschen in Hellas zukommen, damit die zugesagten Einnahmeziele planungsgemäß erreicht werden. Seit Ausbruch der Schuldenkrise sind unter anderem Immobilien, Hotelübernachtungen, Mobiltelefone, Internetanschlüsse, Bier, Wein, E-Zigaretten, Kaffeegetränke, Gas und Benzin bereits mit Sondersteuern und Abgaben belegt worden.

Doch der Phantasie sind offenbar keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, dem Staat neue Einnahmequellen zu erschließen: Nach Informationen der Athener Wirtschaftszeitung Imerisia erwägt die Regierung unter anderem, eine Luxussteuer in Höhe von 10 Prozent auf Lederschuhe und Ledertaschen zu erheben.

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