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Kritik am geplanten Anti-Doping-Gesetz

17. Juni 2015

Das geplante Anti-Doping-Gesetz in Deutschland bekommt erstmals heftigen Gegenwind: Sportler und Rechtsexperten kritisieren den Entwurf der Bundesregierung. Vor allem die Besitzstrafbarkeit ist umstritten.

Robert Harting (Foto: dpa)
Robert Harting fürchtet Manipulation - und wird seine Sporttasche bald vermutlich mehr im Auge behalten.Bild: picture-alliance/dpa

Nach anfänglichem Applaus melden sich nun die Kritiker zu Wort: Das geplante Anti-Doping-Gesetz erhält längst nicht mehr nur Lob, sondern inzwischen auch viel Gegenwind. In der Anhörung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages am Mittwoch ist der Gesetzentwurf auf überraschend viel Widerspruch gestoßen. Nicht nur Athleten machen Druck und bereiten eine Klage vor, auch Rechtsexperten äußerten Bedenken an dem Entwurf, der eine mengenunabhängige Besitzstrafbarkeit von Dopingmittel sowie mögliche Haftstrafen für Doper vorsieht.

Wie schon bei der Diskussion um eine Reformierung der Sportförderung stellt sich Diskus-Olympiasieger Robert Harting an die Spitz der Athleten und kritisiert den Entwurf der Bundesregierung: "Ich bin heute hier, weil ich Angst habe", sagte Harting vor den Sportpolitikern aller Parteien und sorgte in der eher nüchternen Debatte für den emotionalen Höhepunkt. "Ich fühle mich durch das neue Gesetz nicht ausreichend geschützt. Machen Sie es den Bösen schwer", forderte Harting, der erneut die Gefahr ansprach, dass Sportler auch Opfer von Attentaten werden können. "Meine Tasche ist ein Meter groß und sie ist bei Wettkämpfen zu 80 Prozent unbeaufsichtigt. Ich frage mich, was passiert, wenn ein einsatzbereites Doping-Präparat in meiner Tasche gefunden wird", sagte Harting, der sich bislang von der Politik nicht richtig verstanden fühlte: "Unsere Einwände als Athleten wurden ignoriert. Das finde ich schade."

Sportler drohen mit Klagen gegen Gesetz

Sportrechtler Michael Lehner kündigte unterdessen an, dass eine Gruppe um Harting und Hammerwurf-Weltmeisterin Betty Heidler klagen wird, sollte der vorliegende Entwurf unverändert bleiben. "Einige Sportler werden gegen das Anti-Doping-Gesetz klagen, wenn es juristisch geht. Ihr Wille, dies zu tun, ist groß, weil sie nicht der Spielball des Gesetzgebers sein und alle Risiken tragen wollen", sagte der Heidelberger Anwalt den "Stuttgarter Nachrichten" und betonte: "Diese Athleten werden sicher nicht warten, bis der erste Überführte sich bis zum Bundesverfassungsgericht durchklagt. Stattdessen suchen sie nach einer vernünftigen Möglichkeit, um nach der Verabschiedung des Gesetzes sofort juristisch dagegen vorzugehen".

Die Macher des Gesetzes: Die Minister Thomas de Maiziere und Heiko MaasBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Besonders kritische Worte fand auch Professor Matthias Jahn vom Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Frankfurt/Main. Der Rechtsexperte nannte den Gesetzentwurf `unausgereift, unklar, unbestimmt und unverhältnismäßig". Der Wissenschaftler hinterfragte die Legitimation der Strafbarkeit von Selbstdoping, "zumal in der Regel selbstgefährdete Verhaltensweisen eines Erwachsenen nicht sanktioniert" werden, wie Jahn erklärte. Das Strafrecht sei kein geeignetes Mittel zur Lösung des Dopingproblems, eher ein guter Stoff für strafrechtliche Oberseminare. Die Verfasser des Gesetzentwurfs argumentierten allerdings eher mit dem Tatbestand des wirtschaftlichen Betruges im Profisport.

"Das Gesetz ist kein Kreuzzug gegen Athleten"

Professor Dieter Rössner, Kriminalwissenschaftler der Uni Marburg, sah das Gesetz positiver. "Ich darf feststellen, dass dieses Gesetz kein Kreuzzug gegen Athleten ist", sagte der Experte. Der Entwurf sei als ein gelungenes Gesamtkonzept anzusehen, das erstmals Doping im Kern bekämpfen würde. Es sei richtig, dass Besitz und Erwerb von Dopingmittel strafrechtlich verfolgt werden, vor allem hinsichtlich der drohenden Wettbewerbsverzerrung für nicht-dopende Sportler. Die Nationale-Anti-Doping-Agentur NADA sprach sich erneut für den Gesetzentwurf aus. "Wir begrüßen den Gesetzesentwurf ausdrücklich, weil er zusammenbringt, was wir seit Jahren fordern: ein Miteinander von Staat und Sport bei der Bekämpfung des Dopings", sagte NADA-Chefjustitiar Lars Mortsiefer im DW-Interview.

Von Beginn an kritisch: Michael Vesper vom DOSB ist nicht begeistert von der Idee Anti-Doping-GesetzBild: JUNG YEON-JE/AFP/Getty Images

Der Vorstandsvorsitzender Michael Vesper des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) äußerte dagegen erneut Zweifel an der Sinnhaftigkeit der zusätzlichen Strafe durch die staatlichen Gerichte. "Wer positiv getestet wird, erhält durch das Sportgericht eine mehrjährige Sperre von bis zu vier Jahren. Diese Strafe ist härter und abschreckender als das, was der Athlet durch ein Strafgericht zu erwarten hat", erklärte Vesper.

jw (mit sid, dpa)

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