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Gauck und die Integration

Wolfgang Dick22. März 2012

Joachim Gauck wurde an diesem Freitag als Bundespräsident vereidigt. Die Erwartungen an ihn sind groß. Kritik gibt es noch an seiner Zurückhaltung beim Thema Integration des Islam.

Flagge des Bundespräsidenten (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Joachim Gauck befürchtet, dass er künftig nur noch intensiv vorbereitete Texte verlesen werde, statt sich frei zu äußern. Etliche seiner spontanen Aussagen zum Umgang mit Arbeitslosen und Migranten werden heute noch sehr kritisch betrachtet. Diese Statements allerdings stammen aus Interviews, die Joachim Gauck gab, nachdem er vor fast zwei Jahren als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten abgelehnt wurde. Nachdem 2010 Christian Wulff zum Bundespräsidenten ernannt wurde, war eine erneute Wahl von Joachim Gauck nicht abzusehen. Gauck konnte sich also in Interviews etwas freier geben.

Die spannende Frage ist nun, ob die Äußerungen in der Vergangenheit ehrlicher waren, als möglicherweise auf staatstragendes Wohlgefallen ausgerichtete Positionen heute. Dass sich Joachim Gauck in seinem Amt und bei seiner Antrittsrede verbiegen werde, glaubt zwar niemand, der den Bürgerrechtler länger persönlich kennt. Joachim Gauck selbst sagt: "Viele hatten in der Vergangenheit Halbsätze von mir als ganze interpretiert." Wichtig ist deshalb der genaue Blick darauf, welche Aussagen Gaucks tatsächlich aus dem Zusammenhang gerissen wurden und was er genauso gesagt und auch so gemeint hat.

Überfremdung zu leugnen bringt nichts

Sein Amtsvorgänger Christian Wulff erntete viel Anerkennung für seinen Integrationswillen, den er in dem Satz bekräftigte: "Der Islam gehört zu Deutschland". Joachim Gauck sagt dazu: "Diesen Satz würde ich so nicht formulieren." Er würde aber die Richtung, die Christian Wulff eingeschlagen hatte, so fortsetzen wollen.

Von der Bundesversammlung gewählt: Joachim GauckBild: picture-alliance/dpa

Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" 2010 wird Joachim Gauck auf den rechtspopulistischen Autor Thilo Sarrazin angesprochen, der die Integration von Menschen aus dem Ausland in Deutschland als gescheitert betrachtet. Ob Thilo Sarazin mutig sei, wird Gauck gefragt. Gauck darauf: "Er ist mutig und er ist auch einer, der mit der Öffentlichkeit sein Spiel macht." Das gehöre aber dazu. Immerhin weise Sarrazin auf ein Problem hin, "das nicht ausreichend gelöst ist", so Gauck.

Im Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" wird Gauck noch deutlicher. Wörtlich: "Es ist vor der Aufklärung, was in Teilen unserer Moscheen hier verbreitet wird." Der Ansatz des Islam sei nicht durch eine Reformation gegangen und auch nicht durch eine europäische Aufklärung. Anzunehmen, die muslimische Welt hätte diesen Schritt schon vollzogen, täusche über eine Fremdheit hinweg. Gauck bemerkt: "Diese Fremdheit zu leugnen, ist genauso gefährlich, wie wenn man Feindschaften leugnet."

Am Tag seiner Wahl zum Bundespräsidenten wird Joachim Gauck im Fernsehinterview gefragt, wie er nicht integrationswillige Migranten behandeln wolle. Gauck darauf wörtlich: "Ich würde sie kritisieren. Ich möchte, dass die Menschen, die hier bei uns wohnen, die Grundlagen dieses Staates, den sie offensichtlich schätzen, sonst wären sie ja nicht hierher gekommen, achten." Die Kultur einer offenen Gesellschaft sei zu akzeptieren, stellt Gauck unmissverständlich klar.

Irritation und Skepsis gegenüber Gauck

Unter türkischen Migranten haben diese Äußerungen von Joachim Gauck Irritationen ausgelöst. In sozialen Netzwerken diskutieren sie die Einstellungen des Bundespräsidenten. Aus der Sicht von Serkan Tören, dem integrationspolitischen Sprecher der FDP, besteht kein Grund zur Sorge, weil Gauck bei seinem Besuch in der Bundestagsfraktion keinen Zweifel daran gelassen habe, sich stärker bei Integrationsfragen engagieren zu wollen.

Glückwünsche täuschen nicht über Kritik hinwegBild: picture-alliance/dpa

Memet Kilic, der integrationspolitische Sprecher der Grünen ist sich nicht sicher, ob Joachim Gauck nicht einfach vor seiner Wahl jeder Partei nur das gesagt habe, was diese hören wollte. Insofern zweifelt Kilic auch an der Entschuldigung Gaucks, er habe den umstrittenen Autoren Sarrazin nicht unterstützen wollen.

Zur Bundesversammlung, die Joachim Gauck am vergangenen Sonntag zum Bundespräsidenten wählte, gehört auch Hakan Tas. Er war eines von 17 türkischen Mitgliedern von insgesamt 1240 Delegierten der Bundesversammlung. Als Abgeordneter der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus schloss sich Hakan Tas allerdings der Parteilinie an und gab Gauck seine Stimme nicht. "Gauck hat offen gezeigt, was er denkt. Er wird nicht Bundespräsident der Migranten. Definitiv nicht."

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