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Kriminalität

Interpols fleckige Weste

Daniel Heinrich
24. November 2021

Bei Interpol wird ein neuer Präsident bestimmt - einer der Kandidaten ist hoch umstritten. Die Polizeibehörde steht immer wieder in der Kritik, trotz des ehrenhaften Ziels, weltweit Verbrechen zu bekämpfen.

Lobby des Interpol-Hauptquartiers in Lyon, Frankreich
Lobby des Interpol-Hauptquartiers in Lyon, Frankreich Bild: Laurent Cirpiani/AP Photo/picture alliance

Die Wahl des neuen Interpol-Präsidenten in den kommenden Tagen könnte zur Zerreißprobe für die internationale Organisation werden. Denn einer der Kandidaten ist ein emiratischer Generalmajor, der mit Folter und zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wird. Doch auch jenseits der Wahl zieht Interpol Kritik auf sich. Eine Übersicht. 

Was macht Interpol? 

Die Internationale kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) wurde 1923 in Wien gegründet und hat ihren Sitz in Lyon, Frankreich. Derzeit gehören ihr 194 Staaten an. Nach den Vereinten Nationen (UN) ist sie damit die zweitgrößte zwischenstaatliche Vereinigung der Welt. Das Ziel ist die Unterstützung aller Einrichtungen, die zur Verhütung oder Bekämpfung von Verbrechen beitragen. Dies geschieht unter anderem durch einen regen Daten- und Informationsaustausch über gesuchte Personen und Organisationen.

Jeder Mitgliedsstaat hat ein Nationales Landeszentralbüro zu ernennen. Dieses dient der Koordination zwischen der Interpol und den einzelnen Staaten. In Deutschland nimmt diese Rolle das Bundeskriminalamt (BKA ) wahr. Das schärfste Schwert innerhalb der Behörde ist die Aufforderung an Partnerländer, gesuchte Personen festzunehmen. Dies ist in der Regel an den Wunsch der Auslieferung gekoppelt.

Viele Spenden aus der Wirtschaft 

Zu den Aufgaben Interpols zählt auch die Schulung von Polizistinnen und Polizisten und Zollbeamtinnen und Zollbeamten aus aller Welt. Zur Finanzierung der Aufgaben zahlten bis 2011  fast ausschließlich die Mitgliedstaaten jährlich Beiträge ein, das Budget lag bei rund 48 Millionen Euro. Unter dem US-Amerikaner Ronald Noble, Interpol-Generalsekretär von 2000 bis 2014, wurde das Finanzierungsmodell ab 2011 geändert.

Der damalige Interpol-Generalsekretär Ronald Noble (rechts) mit Ralf Mutschke von der FIFA im Jahr 2013Bild: picture-alliance/dpa

Interpol erhielt in den Jahren darauf 20 Millionen Euro von der FIFA, von der Pharmaindustrie weitere 4,5 Millionen Euro, auch der Tabakkonzern Philip Morris zahlte. 2014 beschlossen die Mitgliedsstaaten dann, ihr Budget künftig sogar bis zu 50 Prozent durch Einnahmen aus der Wirtschaft zu öffnen. Mit dem Organisationskomitee der umstrittenen Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar wurde ein Abkommen über neun Millionen Euro abgeschlossen.

Problem "Red Notice"

Zu einem der größten Kritikpunkte an Interpol zählt der Einfluss autoritärer Staaten. Eigentlich verbieten die Statuten der Organisation Hilfestellungen bei politisch motivierten Delikten und militärischen oder religiösen Angelegenheiten. Dadurch soll eine grundlegende Voraussetzung für die reibungslose Zusammenarbeit von Staaten mit unterschiedlichen politischen Systemen und Religionen gewährleistet werden.

Allerdings sieht die Praxis anders aus: Seit den 1980er Jahren ist es möglich, dass die politische Bewertung von Straftaten im Ermessen von Nationalstaaten liegt. In der Praxis wird dies unter anderem an der sogenannten "Red Notice" deutlich. Dabei handelt es sich um ein Ersuchen eines Mitgliedslandes, den Aufenthaltsort einer bestimmten Person zu ermitteln und diese vorläufig festzunehmen. Eine "Red Notice" basiert auf einem gültigen nationalen Haftbefehl und ergeht an Polizeibehörden weltweit.

Der Fall Akhanli

Was für fatale Auswirkungen der Erlass einer "Red Notice" haben kann, musste unter anderem der inzwischen verstorbene türkischstämmige Schriftsteller Dogan Akhanli am eigenen Leib erfahren. Akhanli, der jahrelang in Köln lebte, wurde im Sommer 2017 während eines Urlaubs in Spanien von den Behörden vorübergehend festgenommen. Grund war eine "Red Notice" der türkischen Regierung. Bundeskanzlerin Angela Kanzlerin warf der türkischen Regierung im Anschluss vor, Interpol zu missbrauchen. Diesem Urteil schloss sich unter anderem die prominente US-Denkfabrik Heritage Foundation mit Sitz in Washington, D.C. an. Für die Organisation gehört die türkische Regierung zu den Aktivsten überhaupt in der Geschichte, wenn es darum geht, Interpol für ihre Zwecke einzuspannen.

Dogan Akhanli im Sommer 2017 in Köln auf der Lit.Cologne, dem interationalen LiteraturfestBild: picture alliance/dpa/H. Galuschka

Umstrittene Führungspersönlichkeiten

Auch an der Besetzung der Führungsämter gibt es immer wieder Kritik. Zum Beispiel war von 1968 bis 1972 der Deutsche Paul Dickopf Präsident. Dickopf war im sogenannten Dritten Reich unter anderem SS-Untersturmführer beim Sicherheitsdienst (SD), einem zentralen Teil des Macht- und Unterdrückungsapparates der Nationalsozialisten. Dass man bei Interpol bis in die heutige Zeit bei Personalfragen wenig Skrupel hat, lässt sich auch bei der diesjährigen Generalversammlung beobachten, die in diesen Tagen in Istanbul stattfindet.

 Die Delegierten sollen nun am Donnerstag den Nachfolger des jetzigen Präsidenten Kim Jong-yang wählen. Einer der Kandidaten, der den Südkoreaner ablösen soll, ist Ahmed Nasser al-Raisi aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Al-Raisi steht wegen Foltervorwürfen in der Kritik. Parlamentarier in mehreren Ländern und Menschenrechtler schlagen deshalb Alarm und fürchten, dass die Emirate ihren Einfluss in der mächtigen Polizeiorganisation ausbauen wollen.