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Politik

Kritik an Rolle der UN in Myanmar

Verena Hölzl
21. September 2018

Die Vereinten Nationen sind in Myanmar ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden – so im Kern das Fazit eines unabhängigen Expertenberichts. Selbstzensur habe die Rohingya-Krise noch verschärft.

Schweitz Marzuki Darusman Bericht zu Myanmar PK in Genf
Bild: Reuters/D. Balibouse

In dem 440 Seiten umfassenden Dokument, das der Leiter der Mission, Marzuki Darusman (Artikelfoto) Ende August in Genf vorstellte, werden die Menschenrechtsverletzungen, die Myanmars Militär an Minderheiten in dem Vielvölkerstaat - vor allem den muslimischen Rohingya - begangen hat, ausführlich dargestellt. Die Expertenkommission kommt zu dem Urteil, dass das Militär sich "Kriegsverbrechen der schlimmsten Art" schuldig gemacht hat. Der Bericht beschreibt unter anderem Massenvergewaltigungen, Mord von Kindern und Hinrichtungen, vor denen Rohingya sich ihr eigenes Grab schaufeln mussten. Die Experten gehen von Völkermord aus.

Spezieller Gegenstand der Untersuchung war die Rolle der UN nicht, dennoch heißt es in dem Bericht: "Es stellt sich die Frage, ob die internationale Gemeinschaft ihrer Verantwortung gerecht wurde, die zivile Bevölkerung vor Verbrechen, und unter Umständen sogar vor Völkermord, zu bewahren."

Die UN-Sonderbeauftragte für Myanmar Yanghee Lee war für Kritik an der Führung in Myanmar zuständig Bild: picture-alliance/EuropaNewswire/L. Rampelotto

Mitschuld der UN an Katastrophe in Rakhine?

Die UN-Vertreter, die sich in Myanmar aufhalten und direkten Kanal zur Regierung haben, verfolgen in Myanmar laut dem Expertenbericht vor allem den Ansatz der leisen Diplomatie. Das Ausüben deutlicher Kritik an der Minderheitenpolitik Myanmars sei dagegen dem damaligen Hohen Kommissar der UN für Menschenrechte Zeid Ra'ad Al Hussein und der UN-Sonderbeauftragten für Menschenrechte in Myanmar, Yanghee Lee, überlassen worden. Letztere ist seit vergangenem Dezember offiziell aus Myanmar verbannt. 

Liam Mahony, Spezialist für den Schutz von Zivilisten bei der Entwicklungshilfe, hat die UN in Myanmar 2015 und 2017 beraten. Für ihn tragen die UN eine Mitschuld an der Katastrophe in Rakhine. In einem öffentlich zugänglichen Bericht schreibt er: "In derartigen Situationen beklagen internationale Akteure gern, wie wenig Spielraum sie glauben zu haben. Paradoxerweise benutzen sie das auch als Argument dafür, wieso sie nicht einmal versuchen, den Spielraum zu erweitern." Myanmars Regierung habe gelernt, dass sie auf die Selbstzensur der UN zählen kann.

Eine zweifelhafte Rolle spielen die UN laut Mahony auch in Bezug auf die mehr als 100.000 Rohingya, die hinter Stacheldrahtzäunen in Lagern leben, die sie nicht verlassen dürfen. Diese Menschen sind von der Hilfe der UN abhängig, die damit indirekt die Camps finanzieren. Die UN zahlten, ohne Forderungen aufzustellen und als Verhandlungsmacht aufzutreten, um die Verhältnisse zu ändern.

Flüchtlinge in Bangladesch fordern UN-Sanktionen gegen Myanmars RegierungBild: Reuters/M.P. Hossain

 Keine Gegenliebe für die UN in Myanmar

Die UN wurden öfters dafür kritisiert, die Rohingya nicht bei dem Namen zu nennen, den sie sich selbst geben und der von der Mehrheit der Birmanen abgelehnt wird. Diese reagieren allergisch auf den Namen Rohingya und bezeichnen die Gruppe stattdessen als "Bengali", um damit auszudrücken, dass die Volksgruppe nach Bangladesch und nicht nach Myanmar gehöre.

Die residierende UN-Koordinatorin Renata Lok-Dessalien, die über allen UN-Agenturen in Myanmar stand, wurde im Oktober zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise aus dem Land abberufen. Sie war zuvor mehrfach von UN-Mitarbeitern öffentlich dafür kritisiert worden, dass es ihr mehr um ein gutes Verhältnis mit der Regierung als um Menschenrechte für verfolgte Minderheiten ginge. Die UN beharren darauf, dass es sich um einen normalen Personalumbau handelte.

Trotz ihres vorsichtigen Taktierens haben sich die UN in Myanmar keine Sympathie erarbeiten können, weder bei der Regierung noch bei der Bevölkerung. Die UN gelten als voreingenommene Organisation, die auf der Seite der missliebigen Rohingya steht und Myanmar wieder in ein international geächtetes Land verwandeln wollen. Im Krisenstaat Rakhine erzählen Mitarbeiter internationaler NGOs, wie sie zum Höhepunkt der Krise auf der Straße angespuckt wurden. Einheimische bringen ihre Ablehnung dem ehemaligen UN-Generalsekretär gegenüber durch T-Shirts mit der Aufschrift "Ban Ki-moon? No! No! No!" zum Ausdruck.

Im vergangenen August, kurz nachdem Rohingya-Aufständische mehrere Polizeiposten angegriffen hatten, warf Aung San Suu Kyi internationalen Hilfsorganisationen vor, die "Terroristen" zu unterstützen.  Entwicklungshelfer mussten daraufhin aus Angst vor Rache-Attacken aus dem Krisengebiet evakuiert werden. Menschenrechtsgruppen verurteilten den Vorwurf als höchst unverantwortlich.

Die Regierung in Myanmar hatte schon zuvor Stimmung gegen Hilfsorganisationen gemacht. Nachdem im Juli Kekspackungen der Welthungerhilfe in einem Lager aufständischer Rohingya gefunden wurden, bezichtigte die Regierung die UN, mit den "Terroristen" zusammenzuarbeiten.

Lehren der UN aus dem Bürgerkrieg in Sri Lanka wurden nach Ansicht der Kritiker nicht umgesetzt Bild: picture-alliance/dpa/D. Fiedler

Aktionsplan zu Menschenrechten vorgestellt, aber nicht angewandt

Ähnliche Fehler wie von der Expertenkommission angeprangert, gestand die UN sich in Sri Lanka ein, wo es im langjährigen Bürgerkrieg mit den militanten Tamilen zu Kriegsverbrechen kam. Die UN hätten sich von der Regierung einschüchtern lassen und nicht rechtzeitig auf Menschenrechtsverletzungen reagiert, noch bevor der Bürgerkrieg 2009 durch eine massive Militäroperation gegen die Tamilenkämpfer unter Inkaufnahme vieler ziviler Opfer beendet wurde. In Folge dessen stellte der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon 2013 den Aktionsplan "Human Rights Up Front" vor. UN-Mitarbeiter sollen demnach, egal ob sie im Bereich wirtschaftliche Entwicklung oder im humanitären Feld tätig sind, Menschenrechten Priorität einräumen. Fehler wie in Sri Lanka sollten sich nie mehr wiederholen. Dass der Aktionsplan in Myanmar trotzdem nicht angewendet wurde, wird jetzt von den Kritikern angeprangert; die Gründe dafür müssten untersucht werden. 

 

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