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Schulöffnung: Übereilt und unvorbereitet?

22. Februar 2021

Für einige Schüler geht es wieder in den Präsenzunterricht. Was die (meisten) Schüler freut, sorgt aber auch für Unmut. Die Vorwürfe: Uneinheitliche Konzepte und eine viel zu späte Diskussion über Impfungen von Lehrern.

Deutschland Symbolbild Grundschule
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Markierte Laufwege in den Fluren, Abstands-Appelle per Durchsage, getrennte Kursräume: So sieht der neue Corona-Alltag für rund 300 Schüler und Schülerinnen am Friedrich-Ebert-Gymnasium in Bonn in Nordrhein-Westfalen aus. Sie gehören zu den Abschlussklassen des Gymnasiums. Seit diesem Montag bereiten sie sich wieder, statt zuhause am Laptop, in der Schule auf ihr Abitur vor.

"Wir haben einiges vorbereitet", sagt Schulleiter Frank Langer der DW. So wurden die Jahrgänge in zwei Gruppen, so genannte Kohorten, aufgeteilt mit je 70 bis 75 Schülerinnen und Schülern und die Kurse jeweils auf zwei Räume aufgeteilt. Es sind nie mehr als 15 Schüler gleichzeitig im Raum. "So stellen wir sicher, dass sich mögliche Infektionen auf alle Fälle nur in einer Kohorte abspielen. Wir haben also einen angepassten Präsenzunterricht." Dank weniger Schüler im Raum, Abstand und Maskenpflicht sei das Infektionsrisiko während des Unterrichts aber ohnehin relativ gering.

Schulleiter Frank Langner musste seine Schule für die Öffnungen rüstenBild: Friedrich-Ebert-Gymnasium

Mit Konzepten wie diesem starten in ganz Deutschland Schüler und Schülerinnen seit diesem Montag wieder in den Unterricht vor Ort an ihren Schulen - allerdings meist nur die Grundschulen und die Abschlussklassen. Allein in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands, kehren damit seit dieser Woche rund ein Drittel der etwa 2,5 Millionen Schüler wieder in die Klassen zurück.

Flickenteppich Schulen

Doch wie genau die Rückkehr an die Schulbank geregelt ist, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Das liegt an der föderalen Struktur Deutschlands. Bildung ist Ländersache, das heißt die Bundesländer entscheiden selbst, nicht die Bundesregierung. Das führt zu einem Sammelsurium an Rückkehr-Modellen. Im Saarland beispielsweise kehren Abschlussklassen in voller Klassenstärke zurück, während in anderen Bundesländern wie in Baden-Württemberg die Schüler und Schülerinnen aufgeteilt werden und ein Wechselbetrieb vorgesehen ist. Genauso verhält es sich auch in anderen Bereichen: Mal gilt eine Maskenpflicht im Unterricht, mal nicht. In manchen Bundesländern sollen Lehrer und Schüler getestet werden, in anderen nicht.

Desinfektion, Masken, Tests: Jede Schule organisiert selbst ihre ÖffnungenBild: Peter Kneffel/dpa/picture alliance

"Man sollte sehr genau überlegen, was wird vor Ort geregelt und was landesweit", sagt der Bonner Schulleiter Langner. In Bonn sei es so, dass in manchen Schulen Schülergruppen an wechselnden Tagen in die Schule kommen. Andere Schulen, wie seine eigene, teilten die Schüler und Schülerinnen in verschiedene Räume auf. Das führe dazu, dass selbst innerhalb einer Familie Geschwister an verschiedenen Schulen unterschiedliche Corona-Konzepte erfahren. "Eine gewisse Einheitlichkeit sollte es geben", empfiehlt Langner.

Schutzlose Lehrer

Doch nicht nur die Umsetzung ist uneinheitlich. Viele kritisieren auch den Schritt, überhaupt die Schulen zu öffnen. Die Corona-Fallzahlen schwanken - mal sinken sie, an anderen Tagen steigen sie, stabil sind sie nicht. In einigen Gebieten Deutschlands breitet sich zudem die britische Mutation aus. Viele befürchten eine dritte Welle. Bundespolitiker wie Bundesbildungsministerin Anja Karliczek verteidigen dennoch die Öffnungen. "Kinder, besonders jüngere, brauchen einander", sagte Karliczek der Deutschen Presse-Agentur.

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Doch Kritiker fragen sich: Was ist mit den Lehrerinnen und Lehrern? Teilweise, wie in dem Bundesland Thüringen, eröffnen Schulen in Gebieten mit über 100 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Das heißt: Die Gefahr einer Ansteckung schwingt täglich mit beim Präsenzunterricht. Deshalb wurden mit den Öffnungen auch Rufe nach einer schnelleren Impfung der Lehrkräfte laut.

Genau darauf einigten sich dann auch am Montagabend Bund und Länder bei der Gesundheitsministerkonferenz (GMK). Zu jenen, die nun schneller geimpft werden sollen, zählen demnach Erzieherinnen und Erzieher in Kindertagesstätten sowie Beschäftigte an Grund- und Förderschulen. Diese sollen künftig in die Impf-Priorisierungsgruppe 2 aufgenommen werden. Den Lehrern und Erziehern soll, soweit der nötige Impfstoff in den Bundesländern vorhanden ist, ein Impfangebot gemacht werden.

Der zweite Schritt vor dem ersten

Die Forderung, Lehrer beim Impfen zu priorisieren, hatte es bereits vor Wochen gegeben. Bisher war Lehrpersonal innerhalb der Impfreihenfolge in der dritten Prioritätsgruppe eingestuft. Sie konnten also voraussichtlich im Frühsommer mit Impfungen rechnen - das bedeutet das Schuljahr wäre verstrichen, ohne dass die Lehrerinnen und Lehrer geschützt gewesen wären. Durch eine Hochstufung in die zweite Prioritätsgruppe können Lehrkräfte nun bereits im Frühling geimpft werden. Die niedersächsische Gesundheitsministerin Carola Reimann sagte vor der Einigung, ihre Landesregierung habe dieses Anliegen "schon mehrfach auf Bundesebene vorgetragen".

Auch der Deutsche Lehrerverband setzte sich für eine Hochstufung der Lehrer in der Impfreihenfolge ein. "Wir hätten uns gewünscht, dass das bereits vor der Öffnung umgesetzt worden wäre. Hierbei handelt es sich wieder um den berühmten zweiten Schritt vor dem ersten", sagt Präsident Heinz-Peter Meidinger der DW. 

Heinz-Peter Meidinger hätte sich mehr Weitsicht von der Politik gewünschtBild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Allerdings kritisiert der Deutsche Lehrerverband, dass nur Grundschullehrer in der Impfreihenfolge nach oben rücken. Dadurch, dass Jugendliche in den Abschlussklassen ähnlich wie Erwachsene das Virus verbreiteten, seien aber auch Lehrer gerade im Präsenzunterricht bei den Abschlussklassen in den weiterführenden Schulen einem erhöhten Risiko ausgesetzt.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sah die Überlegungen, die Impfreihenfolge zu ändern, hingegen kritisch. Denn das Infektionsrisiko sei bereits berücksichtigt worden. "Wenn jetzt Berufsgruppen noch weiter nach vorn gesetzt werden sollen, wird das Leben kosten", sagte Brysch vor der Einigung. Es gehe aber nicht darum, dass Lehrer sich vor Ältere drängelte, entgegnete wiederum Meidinger. Der Lehrerverband habe seine Forderungen erst erhoben, als klar wurde, dass der Impfstoff AstraZeneca nicht an Ältere verimpft werde. 

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Impfskeptiker auch unter Lehrern

Mit AstraZeneca ist tatsächlich ein Impfstoff auf dem Markt, der sich für das Impfen von Lehrpersonal anbieten würde. Wegen fehlender Daten wird er in Deutschland nicht für die Impfung Älterer eingesetzt. Allerdings wird der Impfstoff nach dem Auftreten von Nebenwirkungen bei Teilen der Bevölkerung mit Misstrauen betrachtet. Viele nehmen ihren AstraZeneca-Impftermin nicht wahr. Das Problem könnte auch bei Lehrern auftreten. "Es gibt auch Impfskeptiker unter den Lehrkräften", sagt Meidinger. "Allerdings sehen wir doch eine hohe Impfbereitschaft."

In manchen Bundesländern existieren bereits konkrete Pläne. In Baden-Württemberg kündigte Sozialminister Manfred Lucha an, dass Lehrkräfte und Erzieher bereits ab kommender Woche einen Impftermin vereinbaren könnten. Möglich mache das eine große Lieferung des AstraZeneca Impfstoffes.

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